§. 11. Die Veränderung, welche die Lunge im Einat- men erfährt.
Da die Lunge die Ribbenhaut niemals verläst (m), so wird die Lunge nach eben der Weise, wie die Brust aus- gedehnt, von der nachfolgenden Luft auseinander gezogen, zugleich länger, und nach beiden Durchmessern breiter, und in einen grössern Raum, der sich aber ähnlich bleibt, ausgedehnt (n). Man hat diesen Zuwachs auf mancher- lei Weise bestimmen wollen. Es muthmasset der be- rühmte Souvages, daß die Lunge im Einatmen fünf- mal grosser (o), ja zehnmal grösser werde (p). Nach- her giebt er in seinen neuern Schriften eine gekochte, und von Luft gereinigte Lunge für zwölfmal kleiner an, als eine aufgeblasene ist (r). Doch eine dergleichen Lunge, ist viel kleiner, als die Brust, und es kan die Lunge in einem lebendigen Thiere nicht kleiner gemacht werden, als ihre Brust ist (s). Das ist aber doch gewis, daß die Brust um ein vieles kleiner, als um zwölfmal an- wachse (t). Jch glaube auch nicht, daß die Brust um zweimal länger, als erst werde (t*), und daß folglich auch die Lunge nicht zweimal länger wachsen könne. Der lezztgedachte berühmte Mann, fand die Erweiterung an der Lunge einer Frucht so beschaffen, daß sie, da sie das erste mal Luft holte, in der Frucht 17 Ouentchen wog, da sie sonst im erwachsnen Menschen 528 wiegt, und folglich wog sie in der Frucht um dreissigmal leich- ter, als im erwachsnen Menschen, da indessen die Masse
des
(m)[Spaltenumbruch]
Vorherg. §. 8.
(n)BELLIN Lemm. II.
(o)De pulsu. S. 5.
(p)De respir. diffic. S. 25.
(r)Physiol. elem. S. 113. des effets [Spaltenumbruch]
de l'air. S. 42.
(s) Weil sie die Ribbenhaut nicht verläst.
(t) Vorhergeh. §. 6.
(t*)Effets de l'air. S. 44.
Das Atemholen. VIII. Buch.
§. 11. Die Veraͤnderung, welche die Lunge im Einat- men erfaͤhrt.
Da die Lunge die Ribbenhaut niemals verlaͤſt (m), ſo wird die Lunge nach eben der Weiſe, wie die Bruſt aus- gedehnt, von der nachfolgenden Luft auseinander gezogen, zugleich laͤnger, und nach beiden Durchmeſſern breiter, und in einen groͤſſern Raum, der ſich aber aͤhnlich bleibt, ausgedehnt (n). Man hat dieſen Zuwachs auf mancher- lei Weiſe beſtimmen wollen. Es muthmaſſet der be- ruͤhmte Souvages, daß die Lunge im Einatmen fuͤnf- mal groſſer (o), ja zehnmal groͤſſer werde (p). Nach- her giebt er in ſeinen neuern Schriften eine gekochte, und von Luft gereinigte Lunge fuͤr zwoͤlfmal kleiner an, als eine aufgeblaſene iſt (r). Doch eine dergleichen Lunge, iſt viel kleiner, als die Bruſt, und es kan die Lunge in einem lebendigen Thiere nicht kleiner gemacht werden, als ihre Bruſt iſt (s). Das iſt aber doch gewis, daß die Bruſt um ein vieles kleiner, als um zwoͤlfmal an- wachſe (t). Jch glaube auch nicht, daß die Bruſt um zweimal laͤnger, als erſt werde (t*), und daß folglich auch die Lunge nicht zweimal laͤnger wachſen koͤnne. Der lezztgedachte beruͤhmte Mann, fand die Erweiterung an der Lunge einer Frucht ſo beſchaffen, daß ſie, da ſie das erſte mal Luft holte, in der Frucht 17 Ouentchen wog, da ſie ſonſt im erwachſnen Menſchen 528 wiegt, und folglich wog ſie in der Frucht um dreiſſigmal leich- ter, als im erwachſnen Menſchen, da indeſſen die Maſſe
des
(m)[Spaltenumbruch]
Vorherg. §. 8.
(n)BELLIN Lemm. II.
(o)De pulſu. S. 5.
(p)De reſpir. diffic. S. 25.
(r)Phyſiol. elem. S. 113. des effets [Spaltenumbruch]
de l’air. S. 42.
(s) Weil ſie die Ribbenhaut nicht verlaͤſt.
(t) Vorhergeh. §. 6.
(t*)Effets de l’air. S. 44.
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[280[380]/0386]
Das Atemholen. VIII. Buch.
§. 11.
Die Veraͤnderung, welche die Lunge im Einat-
men erfaͤhrt.
Da die Lunge die Ribbenhaut niemals verlaͤſt (m), ſo
wird die Lunge nach eben der Weiſe, wie die Bruſt aus-
gedehnt, von der nachfolgenden Luft auseinander gezogen,
zugleich laͤnger, und nach beiden Durchmeſſern breiter,
und in einen groͤſſern Raum, der ſich aber aͤhnlich bleibt,
ausgedehnt (n). Man hat dieſen Zuwachs auf mancher-
lei Weiſe beſtimmen wollen. Es muthmaſſet der be-
ruͤhmte Souvages, daß die Lunge im Einatmen fuͤnf-
mal groſſer (o), ja zehnmal groͤſſer werde (p). Nach-
her giebt er in ſeinen neuern Schriften eine gekochte, und
von Luft gereinigte Lunge fuͤr zwoͤlfmal kleiner an, als
eine aufgeblaſene iſt (r). Doch eine dergleichen Lunge,
iſt viel kleiner, als die Bruſt, und es kan die Lunge in
einem lebendigen Thiere nicht kleiner gemacht werden,
als ihre Bruſt iſt (s). Das iſt aber doch gewis, daß
die Bruſt um ein vieles kleiner, als um zwoͤlfmal an-
wachſe (t). Jch glaube auch nicht, daß die Bruſt um
zweimal laͤnger, als erſt werde (t*), und daß folglich
auch die Lunge nicht zweimal laͤnger wachſen koͤnne. Der
lezztgedachte beruͤhmte Mann, fand die Erweiterung
an der Lunge einer Frucht ſo beſchaffen, daß ſie, da ſie
das erſte mal Luft holte, in der Frucht 17 Ouentchen
wog, da ſie ſonſt im erwachſnen Menſchen 528 wiegt,
und folglich wog ſie in der Frucht um dreiſſigmal leich-
ter, als im erwachſnen Menſchen, da indeſſen die Maſſe
des
(m)
Vorherg. §. 8.
(n) BELLIN Lemm. II.
(o) De pulſu. S. 5.
(p) De reſpir. diffic. S. 25.
(r) Phyſiol. elem. S. 113. des effets
de l’air. S. 42.
(s) Weil ſie die Ribbenhaut nicht
verlaͤſt.
(t) Vorhergeh. §. 6.
(t*) Effets de l’air. S. 44.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 280[380]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/386>, abgerufen am 20.11.2024.
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