nis rollen Trähnen geschwinde hintereinander die Wan- gen hinab. Man sieht, wie die Ausdünstung vom Ge- sichte und von der ganzen Haut, in damfenden Nebel aufsteigt. Ferner habe ich selbst (n), und der beste Freund des berümten Hambergers, Franz Boißier(o) gezeigt, daß unsre Säfte keine solche Langsamkeit vertra- gen, daß sie sich den Anhängungskräften unterwerfen lissen, sondern daß das Blut, auch in den kleinsten Ge- fässen, mit einem reissenden Strom herumgefüret werde.
Es ist so offenbar, daß der vortrefliche Erfinder dieser Hipotese alles dieses empfunden habe, daß er sich, als ein Mann, der sich sonst auf seine Kräfte wohl verstand, dennoch zu verschiednen Entschuldigungen von selbsten hinablies. Er bekräftigte zum Exempel, daß das Fett allerdings von dem Wasser, seiner Schwere nach, we- nig verschieden sey (p): er gestand es, daß Gefässe und Eingeweide nicht gleiche Dichtheit hätten, wenn sich Wasser in die Fächerchen des Fettes hinabzöge (q); end- lich so sezzet er den subtilen Unterscheid, zwischen der eigentümlichen Schwere eines Eingeweides, und dem eigentümlichen Gewichte der innern Membrane der Scheidegefässe in dergleichen Eingeweide auf solche Schrauben, daß er allemal seine Zuflucht zu der eigen- tümlichen Schwere der innern Membranen dieser Ge- fässe nehmen konnte (r), so oft die Schwere des ganzen Eingeweides mit seinen Absichten nicht übereinstimmen wollte. Es sahe nämlich dieser bedachtsame Autor wohl ein, daß man sich durch keinen einzigen Versuch von der
eigen-
(n)[Spaltenumbruch]
6. Buch. 1. Abschn. §. 30.
(o) 6. Buch. 1. Abschn. §. 29.
(p)Physiolog. S. 197. da es in der That mehr davon, als irgend ein Saft im Menschen, unter- schieden ist.
(q) S. 199. Es dringt durch [Spaltenumbruch]
Leichname durch. Und an Leichna- men hat dieser vortrefliche Mann alle seine Schweren und Dicht- heiten gemessen.
(r)Physiolog. S. 180. 198. Dis- sert. cit. n. 26.
D d d 5
der Verſchiedenheit der Saͤfte.
nis rollen Traͤhnen geſchwinde hintereinander die Wan- gen hinab. Man ſieht, wie die Ausduͤnſtung vom Ge- ſichte und von der ganzen Haut, in damfenden Nebel aufſteigt. Ferner habe ich ſelbſt (n), und der beſte Freund des beruͤmten Hambergers, Franz Boißier(o) gezeigt, daß unſre Saͤfte keine ſolche Langſamkeit vertra- gen, daß ſie ſich den Anhaͤngungskraͤften unterwerfen liſſen, ſondern daß das Blut, auch in den kleinſten Ge- faͤſſen, mit einem reiſſenden Strom herumgefuͤret werde.
Es iſt ſo offenbar, daß der vortrefliche Erfinder dieſer Hipoteſe alles dieſes empfunden habe, daß er ſich, als ein Mann, der ſich ſonſt auf ſeine Kraͤfte wohl verſtand, dennoch zu verſchiednen Entſchuldigungen von ſelbſten hinablies. Er bekraͤftigte zum Exempel, daß das Fett allerdings von dem Waſſer, ſeiner Schwere nach, we- nig verſchieden ſey (p): er geſtand es, daß Gefaͤſſe und Eingeweide nicht gleiche Dichtheit haͤtten, wenn ſich Waſſer in die Faͤcherchen des Fettes hinabzoͤge (q); end- lich ſo ſezzet er den ſubtilen Unterſcheid, zwiſchen der eigentuͤmlichen Schwere eines Eingeweides, und dem eigentuͤmlichen Gewichte der innern Membrane der Scheidegefaͤſſe in dergleichen Eingeweide auf ſolche Schrauben, daß er allemal ſeine Zuflucht zu der eigen- tuͤmlichen Schwere der innern Membranen dieſer Ge- faͤſſe nehmen konnte (r), ſo oft die Schwere des ganzen Eingeweides mit ſeinen Abſichten nicht uͤbereinſtimmen wollte. Es ſahe naͤmlich dieſer bedachtſame Autor wohl ein, daß man ſich durch keinen einzigen Verſuch von der
eigen-
(n)[Spaltenumbruch]
6. Buch. 1. Abſchn. §. 30.
(o) 6. Buch. 1. Abſchn. §. 29.
(p)Phyſiolog. S. 197. da es in der That mehr davon, als irgend ein Saft im Menſchen, unter- ſchieden iſt.
(q) S. 199. Es dringt durch [Spaltenumbruch]
Leichname durch. Und an Leichna- men hat dieſer vortrefliche Mann alle ſeine Schweren und Dicht- heiten gemeſſen.
(r)Phyſiolog. S. 180. 198. Diſ- ſert. cit. n. 26.
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der Verſchiedenheit der Saͤfte.
nis rollen Traͤhnen geſchwinde hintereinander die Wan-
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ſichte und von der ganzen Haut, in damfenden Nebel
aufſteigt. Ferner habe ich ſelbſt (n), und der beſte
Freund des beruͤmten Hambergers, Franz Boißier (o)
gezeigt, daß unſre Saͤfte keine ſolche Langſamkeit vertra-
gen, daß ſie ſich den Anhaͤngungskraͤften unterwerfen
liſſen, ſondern daß das Blut, auch in den kleinſten Ge-
faͤſſen, mit einem reiſſenden Strom herumgefuͤret werde.
Es iſt ſo offenbar, daß der vortrefliche Erfinder dieſer
Hipoteſe alles dieſes empfunden habe, daß er ſich, als
ein Mann, der ſich ſonſt auf ſeine Kraͤfte wohl verſtand,
dennoch zu verſchiednen Entſchuldigungen von ſelbſten
hinablies. Er bekraͤftigte zum Exempel, daß das Fett
allerdings von dem Waſſer, ſeiner Schwere nach, we-
nig verſchieden ſey (p): er geſtand es, daß Gefaͤſſe und
Eingeweide nicht gleiche Dichtheit haͤtten, wenn ſich
Waſſer in die Faͤcherchen des Fettes hinabzoͤge (q); end-
lich ſo ſezzet er den ſubtilen Unterſcheid, zwiſchen der
eigentuͤmlichen Schwere eines Eingeweides, und dem
eigentuͤmlichen Gewichte der innern Membrane der
Scheidegefaͤſſe in dergleichen Eingeweide auf ſolche
Schrauben, daß er allemal ſeine Zuflucht zu der eigen-
tuͤmlichen Schwere der innern Membranen dieſer Ge-
faͤſſe nehmen konnte (r), ſo oft die Schwere des ganzen
Eingeweides mit ſeinen Abſichten nicht uͤbereinſtimmen
wollte. Es ſahe naͤmlich dieſer bedachtſame Autor wohl
ein, daß man ſich durch keinen einzigen Verſuch von der
eigen-
(n)
6. Buch. 1. Abſchn. §. 30.
(o) 6. Buch. 1. Abſchn. §. 29.
(p) Phyſiolog. S. 197. da es in
der That mehr davon, als irgend
ein Saft im Menſchen, unter-
ſchieden iſt.
(q) S. 199. Es dringt durch
Leichname durch. Und an Leichna-
men hat dieſer vortrefliche Mann
alle ſeine Schweren und Dicht-
heiten gemeſſen.
(r) Phyſiolog. S. 180. 198. Diſ-
ſert. cit. n. 26.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 793. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/813>, abgerufen am 25.11.2024.
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