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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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der Verschiedenheit der Säfte.
Einbildungskraft und der Begierde gereizt, den Saft
aus dem Bläschen heraustreibt.

Es schissen sich aber die Muskelfasern auf verschiedne
Weise an das Bläschen an. Oftmals sind sie gleich-
sam in den Bau des Bläschens selbst hineingepflanzt;
ein ander mal lagern sie sich von aussen, und gleichsam
von ferne, herum, und sie leeren bald ein einziges Bläs-
chen, bald ein ganzes Drüsensistem zu gleicher Zeit aus.

Daß grosse Behälter hin und wieder ihre eigne Mus-
kelfasern bekommen haben, kann man schon mit Augen
sehen. Daß der Magen, die Harnblase und Gebärmut-
ter von ihren Muskelfasern ausgeleeret werden, daran ist
wol nicht zu zweifeln; denn, wiewol einige berümte
Männer daran gezweifelt, so wiedersprechen doch die
Versuche.

An den kleinen Bläschen ist alles kleiner, und es las-
sen sich weder vom Gesichte, noch von gröbern Versuchen,
die mit der Nadel oder dem Messer geschehen, Muskelfa-
sern entdekken. Jndessen bestätigt doch die chimische
Schärfe in eben diesen Bläschen eine Reizbarkeit; denn,
wenn man dergleichen Dinge in einem lebenden Men-
schen anbringt, so wird dadurch der Auswurf dieser
Säfte auf eine wunderbare Weise beschleunigt. Niesemit-
tel reizen die Holwege in der Nase, Speichelabfürungs-
mittel die Drüsen im Munde, Gurgelwasser füren den
Schleim im Halse aus, scharfe Pulver den zähen Schleim
in den Gedärmen. Es haben vorlängst berümte Män-
ner (k) die Analogie der Bläschen und des Magens ein-
gesehen, und sie sind nicht sparsam gewesen, diesen Bläs-
chen Fleischfasern mitzuteilen. Andre haben allen Drü-
sen eine peristaltische Bewegung (Darmbewegung) zuge-
schrieben (l), noch andre wiesen den ausfürenden Schlag-

adern
(k) [Spaltenumbruch] Morgan angef. Ort. S.
140.
(l) [Spaltenumbruch] lancisivs Diss. III.
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der Verſchiedenheit der Saͤfte.
Einbildungskraft und der Begierde gereizt, den Saft
aus dem Blaͤschen heraustreibt.

Es ſchiſſen ſich aber die Muskelfaſern auf verſchiedne
Weiſe an das Blaͤschen an. Oftmals ſind ſie gleich-
ſam in den Bau des Blaͤschens ſelbſt hineingepflanzt;
ein ander mal lagern ſie ſich von auſſen, und gleichſam
von ferne, herum, und ſie leeren bald ein einziges Blaͤs-
chen, bald ein ganzes Druͤſenſiſtem zu gleicher Zeit aus.

Daß groſſe Behaͤlter hin und wieder ihre eigne Mus-
kelfaſern bekommen haben, kann man ſchon mit Augen
ſehen. Daß der Magen, die Harnblaſe und Gebaͤrmut-
ter von ihren Muskelfaſern ausgeleeret werden, daran iſt
wol nicht zu zweifeln; denn, wiewol einige beruͤmte
Maͤnner daran gezweifelt, ſo wiederſprechen doch die
Verſuche.

An den kleinen Blaͤschen iſt alles kleiner, und es laſ-
ſen ſich weder vom Geſichte, noch von groͤbern Verſuchen,
die mit der Nadel oder dem Meſſer geſchehen, Muskelfa-
ſern entdekken. Jndeſſen beſtaͤtigt doch die chimiſche
Schaͤrfe in eben dieſen Blaͤschen eine Reizbarkeit; denn,
wenn man dergleichen Dinge in einem lebenden Men-
ſchen anbringt, ſo wird dadurch der Auswurf dieſer
Saͤfte auf eine wunderbare Weiſe beſchleunigt. Nieſemit-
tel reizen die Holwege in der Naſe, Speichelabfuͤrungs-
mittel die Druͤſen im Munde, Gurgelwaſſer fuͤren den
Schleim im Halſe aus, ſcharfe Pulver den zaͤhen Schleim
in den Gedaͤrmen. Es haben vorlaͤngſt beruͤmte Maͤn-
ner (k) die Analogie der Blaͤschen und des Magens ein-
geſehen, und ſie ſind nicht ſparſam geweſen, dieſen Blaͤs-
chen Fleiſchfaſern mitzuteilen. Andre haben allen Druͤ-
ſen eine periſtaltiſche Bewegung (Darmbewegung) zuge-
ſchrieben (l), noch andre wieſen den ausfuͤrenden Schlag-

adern
(k) [Spaltenumbruch] Morgan angef. Ort. S.
140.
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[745/0765] der Verſchiedenheit der Saͤfte. Einbildungskraft und der Begierde gereizt, den Saft aus dem Blaͤschen heraustreibt. Es ſchiſſen ſich aber die Muskelfaſern auf verſchiedne Weiſe an das Blaͤschen an. Oftmals ſind ſie gleich- ſam in den Bau des Blaͤschens ſelbſt hineingepflanzt; ein ander mal lagern ſie ſich von auſſen, und gleichſam von ferne, herum, und ſie leeren bald ein einziges Blaͤs- chen, bald ein ganzes Druͤſenſiſtem zu gleicher Zeit aus. Daß groſſe Behaͤlter hin und wieder ihre eigne Mus- kelfaſern bekommen haben, kann man ſchon mit Augen ſehen. Daß der Magen, die Harnblaſe und Gebaͤrmut- ter von ihren Muskelfaſern ausgeleeret werden, daran iſt wol nicht zu zweifeln; denn, wiewol einige beruͤmte Maͤnner daran gezweifelt, ſo wiederſprechen doch die Verſuche. An den kleinen Blaͤschen iſt alles kleiner, und es laſ- ſen ſich weder vom Geſichte, noch von groͤbern Verſuchen, die mit der Nadel oder dem Meſſer geſchehen, Muskelfa- ſern entdekken. Jndeſſen beſtaͤtigt doch die chimiſche Schaͤrfe in eben dieſen Blaͤschen eine Reizbarkeit; denn, wenn man dergleichen Dinge in einem lebenden Men- ſchen anbringt, ſo wird dadurch der Auswurf dieſer Saͤfte auf eine wunderbare Weiſe beſchleunigt. Nieſemit- tel reizen die Holwege in der Naſe, Speichelabfuͤrungs- mittel die Druͤſen im Munde, Gurgelwaſſer fuͤren den Schleim im Halſe aus, ſcharfe Pulver den zaͤhen Schleim in den Gedaͤrmen. Es haben vorlaͤngſt beruͤmte Maͤn- ner (k) die Analogie der Blaͤschen und des Magens ein- geſehen, und ſie ſind nicht ſparſam geweſen, dieſen Blaͤs- chen Fleiſchfaſern mitzuteilen. Andre haben allen Druͤ- ſen eine periſtaltiſche Bewegung (Darmbewegung) zuge- ſchrieben (l), noch andre wieſen den ausfuͤrenden Schlag- adern (k) Morgan angef. Ort. S. 140. (l) lanciſivſ Diſſ. III. A a a 5

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 745. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/765>, abgerufen am 25.11.2024.