so gar genau von Versuchen und anatomischen Behand- lungen her gefolgert hat. Man zeigt erstlich, und zwar mit leichter Mühe, daß in der That Säfte, auch ohne zwischen Schlagäderchen und den Auswurfskanälen be- findlichen Bläschen, von dem Blute geschieden werden können. Die Sache lehrt es nämlich von selbsten (l), daß Wasser und Leim mittelst der anatomischen Sprizze sehr leicht durch die kleinste Schlagäderchen, in die aus- dampfende Flokken (villi) des Magens und der Gedärme, in die dunstfürende Schweislöcher der Haut, des Darm- fells, des Herzbeutels, der Ribbenhaut, und in die zarte Röhrchen des Auges, die das reinste Wasser füren, hin- durchgetrieben werden können, und daß andre dikkere Säfte schon mühsamer, aber dennoch ebenfalls dahin nachfolgen. Nun sieht man in diesen Durchseihern durch kein Vergrössrungsglas etwas kugliges, oder ho- les, oder was einem Bläschen änlich wäre. Folglich hat man bisher gezeigt, daß eine Absonderung ohne Bläschen von statten gehen kann.
Wir wollen ferner zeigen, daß wässrige Flüssigkei- ten nicht nur ohne Bläschen erzeugt, sondern auch mit Bläschen überhaupt nicht erzeugt werden können, wenn sie nicht ihre Natur und Klarheit, als Wasser zugleich verlieren sollen. Nach Malpighens Meinung legen die Schlagäderchen ihren Saft in die Bläschen nieder. Man sezze, dieses Bläschen habe anderthalb Linien zum Durchmesser, dergleichen die Drüsen am Zungenrükken in der That sind. Man sezze, das kleinste rote Schlag- äderchen habe einen solchen Durchmesser, welchen man gemeiniglich einem roten Kügelchen zuschreibt, oder eines Zolles (m); man sezze ein Schlagäderchen, welches nichts, als Wasser durchläst, und die rote Kügelchen zurükkehält, sei halbmal enger, als ein rotes Gefäschen, oder im Durchmesser eines Zolles. Folglich wer-
den
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2. Buch.
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5. Buch.
Die Durchſeiher.
ſo gar genau von Verſuchen und anatomiſchen Behand- lungen her gefolgert hat. Man zeigt erſtlich, und zwar mit leichter Muͤhe, daß in der That Saͤfte, auch ohne zwiſchen Schlagaͤderchen und den Auswurfskanaͤlen be- findlichen Blaͤschen, von dem Blute geſchieden werden koͤnnen. Die Sache lehrt es naͤmlich von ſelbſten (l), daß Waſſer und Leim mittelſt der anatomiſchen Sprizze ſehr leicht durch die kleinſte Schlagaͤderchen, in die aus- dampfende Flokken (villi) des Magens und der Gedaͤrme, in die dunſtfuͤrende Schweisloͤcher der Haut, des Darm- fells, des Herzbeutels, der Ribbenhaut, und in die zarte Roͤhrchen des Auges, die das reinſte Waſſer fuͤren, hin- durchgetrieben werden koͤnnen, und daß andre dikkere Saͤfte ſchon muͤhſamer, aber dennoch ebenfalls dahin nachfolgen. Nun ſieht man in dieſen Durchſeihern durch kein Vergroͤſſrungsglas etwas kugliges, oder ho- les, oder was einem Blaͤschen aͤnlich waͤre. Folglich hat man bisher gezeigt, daß eine Abſonderung ohne Blaͤschen von ſtatten gehen kann.
Wir wollen ferner zeigen, daß waͤſſrige Fluͤſſigkei- ten nicht nur ohne Blaͤschen erzeugt, ſondern auch mit Blaͤschen uͤberhaupt nicht erzeugt werden koͤnnen, wenn ſie nicht ihre Natur und Klarheit, als Waſſer zugleich verlieren ſollen. Nach Malpighens Meinung legen die Schlagaͤderchen ihren Saft in die Blaͤschen nieder. Man ſezze, dieſes Blaͤschen habe anderthalb Linien zum Durchmeſſer, dergleichen die Druͤſen am Zungenruͤkken in der That ſind. Man ſezze, das kleinſte rote Schlag- aͤderchen habe einen ſolchen Durchmeſſer, welchen man gemeiniglich einem roten Kuͤgelchen zuſchreibt, oder eines Zolles (m); man ſezze ein Schlagaͤderchen, welches nichts, als Waſſer durchlaͤſt, und die rote Kuͤgelchen zuruͤkkehaͤlt, ſei halbmal enger, als ein rotes Gefaͤschen, oder im Durchmeſſer eines Zolles. Folglich wer-
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2. Buch.
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5. Buch.
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[637/0657]
Die Durchſeiher.
ſo gar genau von Verſuchen und anatomiſchen Behand-
lungen her gefolgert hat. Man zeigt erſtlich, und zwar
mit leichter Muͤhe, daß in der That Saͤfte, auch ohne
zwiſchen Schlagaͤderchen und den Auswurfskanaͤlen be-
findlichen Blaͤschen, von dem Blute geſchieden werden
koͤnnen. Die Sache lehrt es naͤmlich von ſelbſten (l),
daß Waſſer und Leim mittelſt der anatomiſchen Sprizze
ſehr leicht durch die kleinſte Schlagaͤderchen, in die aus-
dampfende Flokken (villi) des Magens und der Gedaͤrme,
in die dunſtfuͤrende Schweisloͤcher der Haut, des Darm-
fells, des Herzbeutels, der Ribbenhaut, und in die zarte
Roͤhrchen des Auges, die das reinſte Waſſer fuͤren, hin-
durchgetrieben werden koͤnnen, und daß andre dikkere
Saͤfte ſchon muͤhſamer, aber dennoch ebenfalls dahin
nachfolgen. Nun ſieht man in dieſen Durchſeihern
durch kein Vergroͤſſrungsglas etwas kugliges, oder ho-
les, oder was einem Blaͤschen aͤnlich waͤre. Folglich
hat man bisher gezeigt, daß eine Abſonderung ohne
Blaͤschen von ſtatten gehen kann.
Wir wollen ferner zeigen, daß waͤſſrige Fluͤſſigkei-
ten nicht nur ohne Blaͤschen erzeugt, ſondern auch mit
Blaͤschen uͤberhaupt nicht erzeugt werden koͤnnen, wenn
ſie nicht ihre Natur und Klarheit, als Waſſer zugleich
verlieren ſollen. Nach Malpighens Meinung legen
die Schlagaͤderchen ihren Saft in die Blaͤschen nieder.
Man ſezze, dieſes Blaͤschen habe anderthalb Linien zum
Durchmeſſer, dergleichen die Druͤſen am Zungenruͤkken
in der That ſind. Man ſezze, das kleinſte rote Schlag-
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/657>, abgerufen am 22.11.2024.
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