Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Lebenssäfte.
die Zwischenräumchen der Fasern legt, aus denen eben
gedachte Linse besteht; es ergisset sich auch ein solches in
die Fächerchen der gläsernen Feuchtigkeit, und eben der-
gleichen bewässert auch die Plättchen der Hornhaut.
Es ist auch warscheinlich, daß es noch andre, aber der-
gleichen unemfindliche und durchsichtige Flüßigkeiten
gebe, welche hie und da im Körper verborgen sind: und
mein Ansehn würde nicht geringe seyn, wenn ich auch
den so berümten Nervensaft hieher rechnen wollte.

§. 4.
Die schleimigen Säfte.

Der Schleim (mucus) unterscheidet sich ein wenig
von frischem Wasser, und es nimmt das Wasser selbst,
wenn solches stillstehend ausartet, zugleich eine zähe,
und schleimänliche Natur an sich, und es amt gemeinig-
lich den Beschaffenheiten des Schleims in den Gefässen
der Pflanzen nach. Der Schleim ist in so fern vom
Wasser unterschieden, weil er sich mit einer kleineren
Flüßigkeit fortbewegt, sich zu Fäden ziehen läst, und
sich an feste Körper eigensinnig anhängt. Jm übrigen
vermischt er sich leicht mit dem Wasser (g), er verdünnet
sich darinnen ohne Anstand, er ist ebenso ohne Geruch,
ohne Geschmakk, und ohne Farbe, wofern er nicht me-
renteils ein wenig in das bläuliche fällt. Es gerinnet
selbiger ebenfalls weder am Feuer, noch von der Schärfe
der allersauersten übergetriebnen Flüßigkeiten, und er
geht durchaus in kein eiweisartiges Wesen über. So
gar ist die Natur des Schleims einer Fäulnis zuwie-
der (h), daß man ihn ein ganzes Jar lang, ohne stin-
kend zu werden (i), aufbehalten hat. Sein Gewichte ist
wie das Gewichte des Wassers, oder um etwas gerin-

ger
(g) [Spaltenumbruch] Memoir. de l' Academ. de
chirurg. T. I.
S. 105.
(h) senac Tr. du coeur. T. II.
S. 101. Quesnai angef. Ort.
(i) [Spaltenumbruch] Comment. Academ. Scienti.
Petropolit. v. XIV.
S. 209.
O o 5

Die Lebensſaͤfte.
die Zwiſchenraͤumchen der Faſern legt, aus denen eben
gedachte Linſe beſteht; es ergiſſet ſich auch ein ſolches in
die Faͤcherchen der glaͤſernen Feuchtigkeit, und eben der-
gleichen bewaͤſſert auch die Plaͤttchen der Hornhaut.
Es iſt auch warſcheinlich, daß es noch andre, aber der-
gleichen unemfindliche und durchſichtige Fluͤßigkeiten
gebe, welche hie und da im Koͤrper verborgen ſind: und
mein Anſehn wuͤrde nicht geringe ſeyn, wenn ich auch
den ſo beruͤmten Nervenſaft hieher rechnen wollte.

§. 4.
Die ſchleimigen Saͤfte.

Der Schleim (mucus) unterſcheidet ſich ein wenig
von friſchem Waſſer, und es nimmt das Waſſer ſelbſt,
wenn ſolches ſtillſtehend ausartet, zugleich eine zaͤhe,
und ſchleimaͤnliche Natur an ſich, und es amt gemeinig-
lich den Beſchaffenheiten des Schleims in den Gefaͤſſen
der Pflanzen nach. Der Schleim iſt in ſo fern vom
Waſſer unterſchieden, weil er ſich mit einer kleineren
Fluͤßigkeit fortbewegt, ſich zu Faͤden ziehen laͤſt, und
ſich an feſte Koͤrper eigenſinnig anhaͤngt. Jm uͤbrigen
vermiſcht er ſich leicht mit dem Waſſer (g), er verduͤnnet
ſich darinnen ohne Anſtand, er iſt ebenſo ohne Geruch,
ohne Geſchmakk, und ohne Farbe, wofern er nicht me-
renteils ein wenig in das blaͤuliche faͤllt. Es gerinnet
ſelbiger ebenfalls weder am Feuer, noch von der Schaͤrfe
der allerſauerſten uͤbergetriebnen Fluͤßigkeiten, und er
geht durchaus in kein eiweisartiges Weſen uͤber. So
gar iſt die Natur des Schleims einer Faͤulnis zuwie-
der (h), daß man ihn ein ganzes Jar lang, ohne ſtin-
kend zu werden (i), aufbehalten hat. Sein Gewichte iſt
wie das Gewichte des Waſſers, oder um etwas gerin-

ger
(g) [Spaltenumbruch] Memoir. de l’ Academ. de
chirurg. T. I.
S. 105.
(h) ſenac Tr. du coeur. T. II.
S. 101. Quesnai angef. Ort.
(i) [Spaltenumbruch] Comment. Academ. Scienti.
Petropolit. v. XIV.
S. 209.
O o 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0605" n="585"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Lebens&#x017F;a&#x0364;fte.</hi></fw><lb/>
die Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umchen der Fa&#x017F;ern legt, aus denen eben<lb/>
gedachte Lin&#x017F;e be&#x017F;teht; es ergi&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich auch ein &#x017F;olches in<lb/>
die Fa&#x0364;cherchen der gla&#x0364;&#x017F;ernen Feuchtigkeit, und eben der-<lb/>
gleichen bewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert auch die Pla&#x0364;ttchen der Hornhaut.<lb/>
Es i&#x017F;t auch war&#x017F;cheinlich, daß es noch andre, aber der-<lb/>
gleichen unemfindliche und durch&#x017F;ichtige Flu&#x0364;ßigkeiten<lb/>
gebe, welche hie und da im Ko&#x0364;rper verborgen &#x017F;ind: und<lb/>
mein An&#x017F;ehn wu&#x0364;rde nicht geringe &#x017F;eyn, wenn ich auch<lb/>
den &#x017F;o beru&#x0364;mten Nerven&#x017F;aft hieher rechnen wollte.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4.<lb/>
Die &#x017F;chleimigen Sa&#x0364;fte.</head><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#fr">Schleim</hi> (<hi rendition="#aq">mucus</hi>) unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich ein wenig<lb/>
von fri&#x017F;chem Wa&#x017F;&#x017F;er, und es nimmt das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
wenn &#x017F;olches &#x017F;till&#x017F;tehend ausartet, zugleich eine za&#x0364;he,<lb/>
und &#x017F;chleima&#x0364;nliche Natur an &#x017F;ich, und es amt gemeinig-<lb/>
lich den Be&#x017F;chaffenheiten des Schleims in den Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Pflanzen nach. Der Schleim i&#x017F;t in &#x017F;o fern vom<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er unter&#x017F;chieden, weil er &#x017F;ich mit einer kleineren<lb/>
Flu&#x0364;ßigkeit fortbewegt, &#x017F;ich zu Fa&#x0364;den ziehen la&#x0364;&#x017F;t, und<lb/>
&#x017F;ich an fe&#x017F;te Ko&#x0364;rper eigen&#x017F;innig anha&#x0364;ngt. Jm u&#x0364;brigen<lb/>
vermi&#x017F;cht er &#x017F;ich leicht mit dem Wa&#x017F;&#x017F;er <note place="foot" n="(g)"><cb/><hi rendition="#aq">Memoir. de l&#x2019; Academ. de<lb/>
chirurg. T. I.</hi> S. 105.</note>, er verdu&#x0364;nnet<lb/>
&#x017F;ich darinnen ohne An&#x017F;tand, er i&#x017F;t eben&#x017F;o ohne Geruch,<lb/>
ohne Ge&#x017F;chmakk, und ohne Farbe, wofern er nicht me-<lb/>
renteils ein wenig in das bla&#x0364;uliche fa&#x0364;llt. Es gerinnet<lb/>
&#x017F;elbiger ebenfalls weder am Feuer, noch von der Scha&#x0364;rfe<lb/>
der aller&#x017F;auer&#x017F;ten u&#x0364;bergetriebnen Flu&#x0364;ßigkeiten, und er<lb/>
geht durchaus in kein eiweisartiges We&#x017F;en u&#x0364;ber. So<lb/>
gar i&#x017F;t die Natur des Schleims einer Fa&#x0364;ulnis zuwie-<lb/>
der <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">&#x017F;enac</hi> Tr. du coeur. T. II.</hi><lb/>
S. 101. <hi rendition="#fr">Quesnai</hi> angef. Ort.</note>, daß man ihn ein ganzes Jar lang, ohne &#x017F;tin-<lb/>
kend zu werden <note place="foot" n="(i)"><cb/><hi rendition="#aq">Comment. Academ. Scienti.<lb/>
Petropolit. v. XIV.</hi> S. 209.</note>, aufbehalten hat. Sein Gewichte i&#x017F;t<lb/>
wie das Gewichte des Wa&#x017F;&#x017F;ers, oder um etwas gerin-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O o 5</fw><fw place="bottom" type="catch">ger</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[585/0605] Die Lebensſaͤfte. die Zwiſchenraͤumchen der Faſern legt, aus denen eben gedachte Linſe beſteht; es ergiſſet ſich auch ein ſolches in die Faͤcherchen der glaͤſernen Feuchtigkeit, und eben der- gleichen bewaͤſſert auch die Plaͤttchen der Hornhaut. Es iſt auch warſcheinlich, daß es noch andre, aber der- gleichen unemfindliche und durchſichtige Fluͤßigkeiten gebe, welche hie und da im Koͤrper verborgen ſind: und mein Anſehn wuͤrde nicht geringe ſeyn, wenn ich auch den ſo beruͤmten Nervenſaft hieher rechnen wollte. §. 4. Die ſchleimigen Saͤfte. Der Schleim (mucus) unterſcheidet ſich ein wenig von friſchem Waſſer, und es nimmt das Waſſer ſelbſt, wenn ſolches ſtillſtehend ausartet, zugleich eine zaͤhe, und ſchleimaͤnliche Natur an ſich, und es amt gemeinig- lich den Beſchaffenheiten des Schleims in den Gefaͤſſen der Pflanzen nach. Der Schleim iſt in ſo fern vom Waſſer unterſchieden, weil er ſich mit einer kleineren Fluͤßigkeit fortbewegt, ſich zu Faͤden ziehen laͤſt, und ſich an feſte Koͤrper eigenſinnig anhaͤngt. Jm uͤbrigen vermiſcht er ſich leicht mit dem Waſſer (g), er verduͤnnet ſich darinnen ohne Anſtand, er iſt ebenſo ohne Geruch, ohne Geſchmakk, und ohne Farbe, wofern er nicht me- renteils ein wenig in das blaͤuliche faͤllt. Es gerinnet ſelbiger ebenfalls weder am Feuer, noch von der Schaͤrfe der allerſauerſten uͤbergetriebnen Fluͤßigkeiten, und er geht durchaus in kein eiweisartiges Weſen uͤber. So gar iſt die Natur des Schleims einer Faͤulnis zuwie- der (h), daß man ihn ein ganzes Jar lang, ohne ſtin- kend zu werden (i), aufbehalten hat. Sein Gewichte iſt wie das Gewichte des Waſſers, oder um etwas gerin- ger (g) Memoir. de l’ Academ. de chirurg. T. I. S. 105. (h) ſenac Tr. du coeur. T. II. S. 101. Quesnai angef. Ort. (i) Comment. Academ. Scienti. Petropolit. v. XIV. S. 209. O o 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/605
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/605>, abgerufen am 20.11.2024.