Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Das Fortrükken
in die Blutadern des Gehirns, folglich schwellen diese
im Ausatmen auf, und zu gleicher Zeit das gesammte
Gehirn mit. Wenn also die Brust gedrükkt wird, wie
ich sie drükkte (l), und die Holader diesen Drukk erfärt (m),
so hebt sich das Gehirn ebenfalls empor.

Wollte ich weniger grosmütig verfaren, so könnte
ich zeigen, daß J. Adrian Slevogt (n) schon vorlängst
die Gehirnadergänge im Husten aufschwellen gesehen,
und daß andre berümte Männer die Erfarung gemacht,
daß Brechmittel (o), die ein gewaltsames Ausatmen er-
zwingen, das Geblüte nach dem Kopfe hinziehen. Doch
es hat dieses alles überhaupt Franz Lamure mit Ver-
suchen durchflochten, und es sezzen so gar meine eigene
Versuche ausser allen Zweifel, daß er nicht die ware Ur-
sache von diesen Begebenheiten getroffen haben sollte (p).
Es scheinet dieses von dem berümten von Bordeu weit-
leuftiger ausgefürt zu seyn, indem selbiger so gar berich-
tet (q), daß sich ein vom Arme rükklaufender Schlag-
aderpuls mit dem Einatmen, und gleichsam eine ausge-
triebne Welle mit dem Husten oder dem Ausatmen zu
gleicher Zeit vereinige.

Man sieht leicht, wohin mein Vortrag eigentlich zielet,
daß nämlich zur Zeit das Ausatmen dem rükkerenden
Blutaderblute im Wege steht, und unter die Ursachen der
Verzögerung mit aufgefürt werden kann. Allein wir müssen
uns auch dabei erinnern, daß auch notwendig vor einem
heftigen Ausatmen ein starkes Einatmen vorhergehe, daß
dieses dem Blute den Weg durch die Lunge erleichtern hel-
fen, und daß folglich dieser Schade, den die Bewegung
des Blutaderblutes vom Ausatmen leidet, in so fern
wieder vom Einatmen vergütet werde: und dieses um
so mehr, da das Ausatmen die Lunge ausleert, und folg-

lich
(l) [Spaltenumbruch] S. 548.
(m) S. 551. 552.
(n) Disput. de dura matre.
(o) [Spaltenumbruch] G. v. swieten Comment.
T. III.
S. 266.
(p) Second memoi. Exp. 116. 117.
(q) du pouls. S. 324.

Sechſtes Buch. Das Fortruͤkken
in die Blutadern des Gehirns, folglich ſchwellen dieſe
im Ausatmen auf, und zu gleicher Zeit das geſammte
Gehirn mit. Wenn alſo die Bruſt gedruͤkkt wird, wie
ich ſie druͤkkte (l), und die Holader dieſen Drukk erfaͤrt (m),
ſo hebt ſich das Gehirn ebenfalls empor.

Wollte ich weniger grosmuͤtig verfaren, ſo koͤnnte
ich zeigen, daß J. Adrian Slevogt (n) ſchon vorlaͤngſt
die Gehirnadergaͤnge im Huſten aufſchwellen geſehen,
und daß andre beruͤmte Maͤnner die Erfarung gemacht,
daß Brechmittel (o), die ein gewaltſames Ausatmen er-
zwingen, das Gebluͤte nach dem Kopfe hinziehen. Doch
es hat dieſes alles uͤberhaupt Franz Lamure mit Ver-
ſuchen durchflochten, und es ſezzen ſo gar meine eigene
Verſuche auſſer allen Zweifel, daß er nicht die ware Ur-
ſache von dieſen Begebenheiten getroffen haben ſollte (p).
Es ſcheinet dieſes von dem beruͤmten von Bordeu weit-
leuftiger ausgefuͤrt zu ſeyn, indem ſelbiger ſo gar berich-
tet (q), daß ſich ein vom Arme ruͤkklaufender Schlag-
aderpuls mit dem Einatmen, und gleichſam eine ausge-
triebne Welle mit dem Huſten oder dem Ausatmen zu
gleicher Zeit vereinige.

Man ſieht leicht, wohin mein Vortrag eigentlich zielet,
daß naͤmlich zur Zeit das Ausatmen dem ruͤkkerenden
Blutaderblute im Wege ſteht, und unter die Urſachen der
Verzoͤgerung mit aufgefuͤrt werden kann. Allein wir muͤſſen
uns auch dabei erinnern, daß auch notwendig vor einem
heftigen Ausatmen ein ſtarkes Einatmen vorhergehe, daß
dieſes dem Blute den Weg durch die Lunge erleichtern hel-
fen, und daß folglich dieſer Schade, den die Bewegung
des Blutaderblutes vom Ausatmen leidet, in ſo fern
wieder vom Einatmen verguͤtet werde: und dieſes um
ſo mehr, da das Ausatmen die Lunge ausleert, und folg-

lich
(l) [Spaltenumbruch] S. 548.
(m) S. 551. 552.
(n) Diſput. de dura matre.
(o) [Spaltenumbruch] G. v. ſwieten Comment.
T. III.
S. 266.
(p) Second memoi. Exp. 116. 117.
(q) du pouls. S. 324.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0562" n="542"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch. Das Fortru&#x0364;kken</hi></fw><lb/>
in die Blutadern des Gehirns, folglich &#x017F;chwellen die&#x017F;e<lb/>
im Ausatmen auf, und zu gleicher Zeit das ge&#x017F;ammte<lb/>
Gehirn mit. Wenn al&#x017F;o die Bru&#x017F;t gedru&#x0364;kkt wird, wie<lb/>
ich &#x017F;ie dru&#x0364;kkte <note place="foot" n="(l)"><cb/>
S. 548.</note>, und die Holader die&#x017F;en Drukk erfa&#x0364;rt <note place="foot" n="(m)">S. 551. 552.</note>,<lb/>
&#x017F;o hebt &#x017F;ich das Gehirn ebenfalls empor.</p><lb/>
            <p>Wollte ich weniger grosmu&#x0364;tig verfaren, &#x017F;o ko&#x0364;nnte<lb/>
ich zeigen, daß J. Adrian <hi rendition="#fr">Slevogt</hi> <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq">Di&#x017F;put. de dura matre.</hi></note> &#x017F;chon vorla&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
die Gehirnaderga&#x0364;nge im Hu&#x017F;ten auf&#x017F;chwellen ge&#x017F;ehen,<lb/>
und daß andre beru&#x0364;mte Ma&#x0364;nner die Erfarung gemacht,<lb/>
daß Brechmittel <note place="foot" n="(o)"><cb/><hi rendition="#aq">G. v. <hi rendition="#k">&#x017F;wieten</hi> Comment.<lb/>
T. III.</hi> S. 266.</note>, die ein gewalt&#x017F;ames Ausatmen er-<lb/>
zwingen, das Geblu&#x0364;te nach dem Kopfe hinziehen. Doch<lb/>
es hat die&#x017F;es alles u&#x0364;berhaupt Franz <hi rendition="#fr">Lamure</hi> mit Ver-<lb/>
&#x017F;uchen durchflochten, und es &#x017F;ezzen &#x017F;o gar meine eigene<lb/>
Ver&#x017F;uche au&#x017F;&#x017F;er allen Zweifel, daß er nicht die ware Ur-<lb/>
&#x017F;ache von die&#x017F;en Begebenheiten getroffen haben &#x017F;ollte <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">Second memoi. Exp.</hi> 116. 117.</note>.<lb/>
Es &#x017F;cheinet die&#x017F;es von dem beru&#x0364;mten von <hi rendition="#fr">Bordeu</hi> weit-<lb/>
leuftiger ausgefu&#x0364;rt zu &#x017F;eyn, indem &#x017F;elbiger &#x017F;o gar berich-<lb/>
tet <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq">du pouls.</hi> S. 324.</note>, daß &#x017F;ich ein vom Arme ru&#x0364;kklaufender Schlag-<lb/>
aderpuls mit dem Einatmen, und gleich&#x017F;am eine ausge-<lb/>
triebne Welle mit dem Hu&#x017F;ten oder dem Ausatmen zu<lb/>
gleicher Zeit vereinige.</p><lb/>
            <p>Man &#x017F;ieht leicht, wohin mein Vortrag eigentlich zielet,<lb/>
daß na&#x0364;mlich zur Zeit das Ausatmen dem ru&#x0364;kkerenden<lb/>
Blutaderblute im Wege &#x017F;teht, und unter die Ur&#x017F;achen der<lb/>
Verzo&#x0364;gerung mit aufgefu&#x0364;rt werden kann. Allein wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
uns auch dabei erinnern, daß auch notwendig vor einem<lb/>
heftigen Ausatmen ein &#x017F;tarkes Einatmen vorhergehe, daß<lb/>
die&#x017F;es dem Blute den Weg durch die Lunge erleichtern hel-<lb/>
fen, und daß folglich die&#x017F;er Schade, den die Bewegung<lb/>
des Blutaderblutes vom Ausatmen leidet, in &#x017F;o fern<lb/>
wieder vom Einatmen vergu&#x0364;tet werde: und die&#x017F;es um<lb/>
&#x017F;o mehr, da das Ausatmen die Lunge ausleert, und folg-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[542/0562] Sechſtes Buch. Das Fortruͤkken in die Blutadern des Gehirns, folglich ſchwellen dieſe im Ausatmen auf, und zu gleicher Zeit das geſammte Gehirn mit. Wenn alſo die Bruſt gedruͤkkt wird, wie ich ſie druͤkkte (l), und die Holader dieſen Drukk erfaͤrt (m), ſo hebt ſich das Gehirn ebenfalls empor. Wollte ich weniger grosmuͤtig verfaren, ſo koͤnnte ich zeigen, daß J. Adrian Slevogt (n) ſchon vorlaͤngſt die Gehirnadergaͤnge im Huſten aufſchwellen geſehen, und daß andre beruͤmte Maͤnner die Erfarung gemacht, daß Brechmittel (o), die ein gewaltſames Ausatmen er- zwingen, das Gebluͤte nach dem Kopfe hinziehen. Doch es hat dieſes alles uͤberhaupt Franz Lamure mit Ver- ſuchen durchflochten, und es ſezzen ſo gar meine eigene Verſuche auſſer allen Zweifel, daß er nicht die ware Ur- ſache von dieſen Begebenheiten getroffen haben ſollte (p). Es ſcheinet dieſes von dem beruͤmten von Bordeu weit- leuftiger ausgefuͤrt zu ſeyn, indem ſelbiger ſo gar berich- tet (q), daß ſich ein vom Arme ruͤkklaufender Schlag- aderpuls mit dem Einatmen, und gleichſam eine ausge- triebne Welle mit dem Huſten oder dem Ausatmen zu gleicher Zeit vereinige. Man ſieht leicht, wohin mein Vortrag eigentlich zielet, daß naͤmlich zur Zeit das Ausatmen dem ruͤkkerenden Blutaderblute im Wege ſteht, und unter die Urſachen der Verzoͤgerung mit aufgefuͤrt werden kann. Allein wir muͤſſen uns auch dabei erinnern, daß auch notwendig vor einem heftigen Ausatmen ein ſtarkes Einatmen vorhergehe, daß dieſes dem Blute den Weg durch die Lunge erleichtern hel- fen, und daß folglich dieſer Schade, den die Bewegung des Blutaderblutes vom Ausatmen leidet, in ſo fern wieder vom Einatmen verguͤtet werde: und dieſes um ſo mehr, da das Ausatmen die Lunge ausleert, und folg- lich (l) S. 548. (m) S. 551. 552. (n) Diſput. de dura matre. (o) G. v. ſwieten Comment. T. III. S. 266. (p) Second memoi. Exp. 116. 117. (q) du pouls. S. 324.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/562
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/562>, abgerufen am 25.11.2024.