Denn es werden im ganzen menschlichen Körper, und in jeglichem Gliede, die Säfte so gleich faul, sobald die Bewegung gehemmt worden, und welches ein noch deutlicheres Beispiel ist, so bleibt ein behahntes Ei ohne Schärfe, und ohne Geruch, in einer Wärme, da alle Säfte zu einem abscheulichen Gestanke werden, entwe- der wenn überhaupt keine männliche Kraft hinzugekom- men (t), oder die Frucht vor der Zeit das Leben verloren hat. Jn einem todten Körper fängt gemeiniglich das Blut am ersten an faul zu werden, wenn man den Un- rat der Gedärme ausnimmt, und im Blute geschichts auch, daß die Luft sich zuerst von ihren Banden losreis- set. Es wird aber auch an lebendigen Körpern das Blut, vermittelst bösartiger Fieber, wenn es unter den ausgetretnen Stellen der Haut (vibex Strieme) stokkt, faul. Doch nimmt auch eben der Lebenssaft, welcher von dem Stillstehn verdirbt, von gar zu heftiger Be- wegung eben solche faule Art an sich (u), so daß über- haupt eine gewisse Mittelmäßigkeit erfodert wird, wenn das Blut seine vollkommne Natur unverändert beibe- halten soll.
Wenn man mit mehr Genauigkeit die Ursache er- forschen will, wie die Bewegung die Fäulnis abwendet, so findet man eine gedoppelte Ursache, wodurch diese Absicht erreicht wird. Es thut nämlich die fortrükkende Bewegung der innerlichen Wiederstand (x), und folglich lässet solche weder eine Fäulnis, noch Gährung überhand nehmen (y). Ferner treibt die Lebenskraft, mittelst des Kreislaufes, und mittelst der Werkzeuge in einem gesun- den Menschen, die zur Fäulnis reifwerdende Säfte so-
gleich
(t)[Spaltenumbruch]reavmvr de l' art de faire eclorre les oiseaux domestiques. T. II. S. 44.
(u) 5. Buch. 2. Absch. §. 29.
(x) 6. Buch. 3. Abschn. §. 7. [Spaltenumbruch]Shebreare S. 57. Auch stehend Wasser wird faul, flissendes ist von diesem Feler frei.
(y)boerhaave Element. Chem. T. II. S. 186.
Sechſtes Buch. Die Wirkung des
Denn es werden im ganzen menſchlichen Koͤrper, und in jeglichem Gliede, die Saͤfte ſo gleich faul, ſobald die Bewegung gehemmt worden, und welches ein noch deutlicheres Beiſpiel iſt, ſo bleibt ein behahntes Ei ohne Schaͤrfe, und ohne Geruch, in einer Waͤrme, da alle Saͤfte zu einem abſcheulichen Geſtanke werden, entwe- der wenn uͤberhaupt keine maͤnnliche Kraft hinzugekom- men (t), oder die Frucht vor der Zeit das Leben verloren hat. Jn einem todten Koͤrper faͤngt gemeiniglich das Blut am erſten an faul zu werden, wenn man den Un- rat der Gedaͤrme ausnimmt, und im Blute geſchichts auch, daß die Luft ſich zuerſt von ihren Banden losreiſ- ſet. Es wird aber auch an lebendigen Koͤrpern das Blut, vermittelſt boͤsartiger Fieber, wenn es unter den ausgetretnen Stellen der Haut (vibex Strieme) ſtokkt, faul. Doch nimmt auch eben der Lebensſaft, welcher von dem Stillſtehn verdirbt, von gar zu heftiger Be- wegung eben ſolche faule Art an ſich (u), ſo daß uͤber- haupt eine gewiſſe Mittelmaͤßigkeit erfodert wird, wenn das Blut ſeine vollkommne Natur unveraͤndert beibe- halten ſoll.
Wenn man mit mehr Genauigkeit die Urſache er- forſchen will, wie die Bewegung die Faͤulnis abwendet, ſo findet man eine gedoppelte Urſache, wodurch dieſe Abſicht erreicht wird. Es thut naͤmlich die fortruͤkkende Bewegung der innerlichen Wiederſtand (x), und folglich laͤſſet ſolche weder eine Faͤulnis, noch Gaͤhrung uͤberhand nehmen (y). Ferner treibt die Lebenskraft, mittelſt des Kreislaufes, und mittelſt der Werkzeuge in einem geſun- den Menſchen, die zur Faͤulnis reifwerdende Saͤfte ſo-
gleich
(t)[Spaltenumbruch]reavmvr de l’ art de faire eclorre les oiſeaux domeſtiques. T. II. S. 44.
(u) 5. Buch. 2. Abſch. §. 29.
(x) 6. Buch. 3. Abſchn. §. 7. [Spaltenumbruch]Shebreare S. 57. Auch ſtehend Waſſer wird faul, fliſſendes iſt von dieſem Feler frei.
(y)boerhaave Element. Chem. T. II. S. 186.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0518"n="498"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Sechſtes Buch. Die Wirkung des</hi></fw><lb/>
Denn es werden im ganzen menſchlichen Koͤrper, und<lb/>
in jeglichem Gliede, die Saͤfte ſo gleich faul, ſobald die<lb/>
Bewegung gehemmt worden, und welches ein noch<lb/>
deutlicheres Beiſpiel iſt, ſo bleibt ein behahntes Ei ohne<lb/>
Schaͤrfe, und ohne Geruch, in einer Waͤrme, da alle<lb/>
Saͤfte zu einem abſcheulichen Geſtanke werden, entwe-<lb/>
der wenn uͤberhaupt keine maͤnnliche Kraft hinzugekom-<lb/>
men <noteplace="foot"n="(t)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#k">reavmvr</hi> de l’ art de faire<lb/>
eclorre les oiſeaux domeſtiques.<lb/>
T. II.</hi> S. 44.</note>, oder die Frucht vor der Zeit das Leben verloren<lb/>
hat. Jn einem todten Koͤrper faͤngt gemeiniglich das<lb/>
Blut am erſten an faul zu werden, wenn man den Un-<lb/>
rat der Gedaͤrme ausnimmt, und im Blute geſchichts<lb/>
auch, daß die Luft ſich zuerſt von ihren Banden losreiſ-<lb/>ſet. Es wird aber auch an lebendigen Koͤrpern das<lb/>
Blut, vermittelſt boͤsartiger Fieber, wenn es unter den<lb/>
ausgetretnen Stellen der Haut (<hirendition="#aq">vibex</hi> Strieme) ſtokkt,<lb/>
faul. Doch nimmt auch eben der Lebensſaft, welcher<lb/>
von dem Stillſtehn verdirbt, von gar zu heftiger Be-<lb/>
wegung eben ſolche faule Art an ſich <noteplace="foot"n="(u)">5. Buch. 2. Abſch. §. 29.</note>, ſo daß uͤber-<lb/>
haupt eine gewiſſe Mittelmaͤßigkeit erfodert wird, wenn<lb/>
das Blut ſeine vollkommne Natur unveraͤndert beibe-<lb/>
halten ſoll.</p><lb/><p>Wenn man mit mehr Genauigkeit die Urſache er-<lb/>
forſchen will, wie die Bewegung die Faͤulnis abwendet,<lb/>ſo findet man eine gedoppelte Urſache, wodurch dieſe<lb/>
Abſicht erreicht wird. Es thut naͤmlich die fortruͤkkende<lb/>
Bewegung der innerlichen Wiederſtand <noteplace="foot"n="(x)">6. Buch. 3. Abſchn. §. 7.<lb/><cb/><hirendition="#fr">Shebreare</hi> S. 57. Auch ſtehend<lb/>
Waſſer wird faul, fliſſendes iſt von<lb/>
dieſem Feler frei.</note>, und folglich<lb/>
laͤſſet ſolche weder eine Faͤulnis, noch Gaͤhrung uͤberhand<lb/>
nehmen <noteplace="foot"n="(y)"><hirendition="#aq"><hirendition="#k">boerhaave</hi> Element. Chem.<lb/>
T. II.</hi> S. 186.</note>. Ferner treibt die Lebenskraft, mittelſt des<lb/>
Kreislaufes, und mittelſt der Werkzeuge in einem geſun-<lb/>
den Menſchen, die zur Faͤulnis reifwerdende Saͤfte ſo-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gleich</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[498/0518]
Sechſtes Buch. Die Wirkung des
Denn es werden im ganzen menſchlichen Koͤrper, und
in jeglichem Gliede, die Saͤfte ſo gleich faul, ſobald die
Bewegung gehemmt worden, und welches ein noch
deutlicheres Beiſpiel iſt, ſo bleibt ein behahntes Ei ohne
Schaͤrfe, und ohne Geruch, in einer Waͤrme, da alle
Saͤfte zu einem abſcheulichen Geſtanke werden, entwe-
der wenn uͤberhaupt keine maͤnnliche Kraft hinzugekom-
men (t), oder die Frucht vor der Zeit das Leben verloren
hat. Jn einem todten Koͤrper faͤngt gemeiniglich das
Blut am erſten an faul zu werden, wenn man den Un-
rat der Gedaͤrme ausnimmt, und im Blute geſchichts
auch, daß die Luft ſich zuerſt von ihren Banden losreiſ-
ſet. Es wird aber auch an lebendigen Koͤrpern das
Blut, vermittelſt boͤsartiger Fieber, wenn es unter den
ausgetretnen Stellen der Haut (vibex Strieme) ſtokkt,
faul. Doch nimmt auch eben der Lebensſaft, welcher
von dem Stillſtehn verdirbt, von gar zu heftiger Be-
wegung eben ſolche faule Art an ſich (u), ſo daß uͤber-
haupt eine gewiſſe Mittelmaͤßigkeit erfodert wird, wenn
das Blut ſeine vollkommne Natur unveraͤndert beibe-
halten ſoll.
Wenn man mit mehr Genauigkeit die Urſache er-
forſchen will, wie die Bewegung die Faͤulnis abwendet,
ſo findet man eine gedoppelte Urſache, wodurch dieſe
Abſicht erreicht wird. Es thut naͤmlich die fortruͤkkende
Bewegung der innerlichen Wiederſtand (x), und folglich
laͤſſet ſolche weder eine Faͤulnis, noch Gaͤhrung uͤberhand
nehmen (y). Ferner treibt die Lebenskraft, mittelſt des
Kreislaufes, und mittelſt der Werkzeuge in einem geſun-
den Menſchen, die zur Faͤulnis reifwerdende Saͤfte ſo-
gleich
(t)
reavmvr de l’ art de faire
eclorre les oiſeaux domeſtiques.
T. II. S. 44.
(u) 5. Buch. 2. Abſch. §. 29.
(x) 6. Buch. 3. Abſchn. §. 7.
Shebreare S. 57. Auch ſtehend
Waſſer wird faul, fliſſendes iſt von
dieſem Feler frei.
(y) boerhaave Element. Chem.
T. II. S. 186.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/518>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.