Kälte (z*). Bei einem kalten Atemholen schien man eine Kälte, wie von gefrornem Eise, zu empfinden, und es war kein Pulsschlag zu finden (z**). Jch habe ofter- mals an mir selbst, wenn ich das Fieber hatte, mehr als zu gut wargenommen, daß sich das Blut, wie ein glü- hender Strom längst den Schlagadern des Arms, zur Hand, in der ersten Hizze des Anfalls fortbewegte. Nach einem starken Blutverluste hat ein Kranker, da sich der Vorrat des Blutes bereits wieder ergänzt hatte, gleichsam ein Gefül von innerlichem Brande emfun- den (a). Mit der grössern Röthe verbindet sich gemei- niglich jederzeit Wärme, mit der Blässe eine Kälte. Und es besizzen die Theile des menschlichen Körpers eine grössere Wärme, welche blutreicher sind, kälter sind hin- gegen die, die weniger Blut enthalten. Zum Exempel dient das Auge nebst den Hoden, und die Vergleichung des Fleischigen, mit den weissen Theilen des menschlichen Körpers. Es ist in Leichnamen der äusserste Rükken laulich anzufülen, weil das Blut mit seiner Schwere dahin sinkt.
Nun folgt noch, daß wir untersuchen, wo das Blut seine Wärme her hat. Die Alten verfuren kurz damit, wenn sie in das Herz selbst eine ihm angeborne Wär- me, von welcherlei Natur dieselbe immer seyn mochte, hineinpflanzten; und deren Wirksamkeit war es, die das Blut erwärmte. Es befinden sich unter den hippo- kratischen Sachen Schriften (b), welche diese Hipotese vortragen. Es lehrte aber auch Aretaeus(c), das Herz überliefere der Schlagader die Wärme; gleicher Meinung war mit ihm Galen, und ein jeder von der Schule der Arzeneigelehrten. Bei dieser durchgängigen
Mei-
(z*)[Spaltenumbruch]Anton de haen Rat. med. T. III. S. 146. 147.
(z**)Journ. de Medec. 1758. Nov. woodward eases. S. 321.
(a)[Spaltenumbruch]viridet du bon chyle S. 26.
(b)L. I. peri diaites und per[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]kardies.
(c)Curat. acut. L. II. c. 7.
Sechſtes Buch. Die Wirkung des
Kaͤlte (z*). Bei einem kalten Atemholen ſchien man eine Kaͤlte, wie von gefrornem Eiſe, zu empfinden, und es war kein Pulsſchlag zu finden (z**). Jch habe ofter- mals an mir ſelbſt, wenn ich das Fieber hatte, mehr als zu gut wargenommen, daß ſich das Blut, wie ein gluͤ- hender Strom laͤngſt den Schlagadern des Arms, zur Hand, in der erſten Hizze des Anfalls fortbewegte. Nach einem ſtarken Blutverluſte hat ein Kranker, da ſich der Vorrat des Blutes bereits wieder ergaͤnzt hatte, gleichſam ein Gefuͤl von innerlichem Brande emfun- den (a). Mit der groͤſſern Roͤthe verbindet ſich gemei- niglich jederzeit Waͤrme, mit der Blaͤſſe eine Kaͤlte. Und es beſizzen die Theile des menſchlichen Koͤrpers eine groͤſſere Waͤrme, welche blutreicher ſind, kaͤlter ſind hin- gegen die, die weniger Blut enthalten. Zum Exempel dient das Auge nebſt den Hoden, und die Vergleichung des Fleiſchigen, mit den weiſſen Theilen des menſchlichen Koͤrpers. Es iſt in Leichnamen der aͤuſſerſte Ruͤkken laulich anzufuͤlen, weil das Blut mit ſeiner Schwere dahin ſinkt.
Nun folgt noch, daß wir unterſuchen, wo das Blut ſeine Waͤrme her hat. Die Alten verfuren kurz damit, wenn ſie in das Herz ſelbſt eine ihm angeborne Waͤr- me, von welcherlei Natur dieſelbe immer ſeyn mochte, hineinpflanzten; und deren Wirkſamkeit war es, die das Blut erwaͤrmte. Es befinden ſich unter den hippo- kratiſchen Sachen Schriften (b), welche dieſe Hipoteſe vortragen. Es lehrte aber auch Aretaeus(c), das Herz uͤberliefere der Schlagader die Waͤrme; gleicher Meinung war mit ihm Galen, und ein jeder von der Schule der Arzeneigelehrten. Bei dieſer durchgaͤngigen
Mei-
(z*)[Spaltenumbruch]Anton de haen Rat. med. T. III. S. 146. 147.
(z**)Journ. de Medec. 1758. Nov. woodward eaſes. S. 321.
(a)[Spaltenumbruch]viridet du bon chyle S. 26.
(b)L. I. πεϱι διαιτης und πεϱ[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]ϰαϱδιης.
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Sechſtes Buch. Die Wirkung des
Kaͤlte (z*). Bei einem kalten Atemholen ſchien man
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es war kein Pulsſchlag zu finden (z**). Jch habe ofter-
mals an mir ſelbſt, wenn ich das Fieber hatte, mehr als
zu gut wargenommen, daß ſich das Blut, wie ein gluͤ-
hender Strom laͤngſt den Schlagadern des Arms, zur
Hand, in der erſten Hizze des Anfalls fortbewegte.
Nach einem ſtarken Blutverluſte hat ein Kranker, da
ſich der Vorrat des Blutes bereits wieder ergaͤnzt hatte,
gleichſam ein Gefuͤl von innerlichem Brande emfun-
den (a). Mit der groͤſſern Roͤthe verbindet ſich gemei-
niglich jederzeit Waͤrme, mit der Blaͤſſe eine Kaͤlte.
Und es beſizzen die Theile des menſchlichen Koͤrpers eine
groͤſſere Waͤrme, welche blutreicher ſind, kaͤlter ſind hin-
gegen die, die weniger Blut enthalten. Zum Exempel
dient das Auge nebſt den Hoden, und die Vergleichung
des Fleiſchigen, mit den weiſſen Theilen des menſchlichen
Koͤrpers. Es iſt in Leichnamen der aͤuſſerſte Ruͤkken
laulich anzufuͤlen, weil das Blut mit ſeiner Schwere
dahin ſinkt.
Nun folgt noch, daß wir unterſuchen, wo das Blut
ſeine Waͤrme her hat. Die Alten verfuren kurz damit,
wenn ſie in das Herz ſelbſt eine ihm angeborne Waͤr-
me, von welcherlei Natur dieſelbe immer ſeyn mochte,
hineinpflanzten; und deren Wirkſamkeit war es, die das
Blut erwaͤrmte. Es befinden ſich unter den hippo-
kratiſchen Sachen Schriften (b), welche dieſe Hipoteſe
vortragen. Es lehrte aber auch Aretaeus (c), das
Herz uͤberliefere der Schlagader die Waͤrme; gleicher
Meinung war mit ihm Galen, und ein jeder von der
Schule der Arzeneigelehrten. Bei dieſer durchgaͤngigen
Mei-
(z*)
Anton de haen Rat. med.
T. III. S. 146. 147.
(z**) Journ. de Medec. 1758.
Nov. woodward eaſes. S. 321.
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viridet du bon chyle S. 26.
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(c) Curat. acut. L. II. c. 7.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/484>, abgerufen am 16.07.2024.
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