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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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des Blutes, durch die Schlagadern.
nehmen wollten. Gewis, sie werdens, wie ich, sehen,
daß sich das Herz ebenfals noch wieder die Hindernis
sträubet, ob gleich keine Absicht und Ueberlegung der
Seele mehr statt finden kann.

Die Kraftlosigkeit hat beinahe eben dasselbe Schik-
sal, mit einem Hindernisse gemein. Denn wenn die
Kräfte am ganzen Körper schwach werden, und nun dem
Kreislaufe nicht ferner gewachsen sind, sondern der Last
des zu bewegenden Blutes unterliegen, so wikkelt sich in
der That das matte Herz nicht gehörig von seinem Blut-
aderblute los, folglich zieht sich das Herz, um dieses
Blut von sich zu geben, mehrmalen zusammen; doch es
kann dieses Blut, da es nur matt wirkt, wenig mehr aus
der Stelle fortbewegen. Daher stieg an einem kraftlo-
sen Mutterpferde die Anzal der Pulsirungen von 40 bis
100 in einer Minute (a). Daher haben sterbende Thiere
einen kleinen, aber schnellen Puls (b), und es erreicht
derselbe fast eben die Zal als am Herzen einer Frucht,
so daß die Aufmerksamkeit eines Arztes sie schwerlich zä-
len kann, und man in einer Minute gegen 140 (c)
Schläge angeben darf.

Eine andre Ursache, daß sich das Herz schneller und
öfterer zusammenzieht, liegt im Reize, es mögen die
Nerven von erst welcher Ursache sehr gereizt werden, oder
es mag die Kraft zunehmen, mit der das Herz das Blut
in Bewegung sezzt. Folglich wird der Pulsschlag von
den Gemütsbewegungen (d), vom Zorne, Schrekken, der
Schaam, und verschiednen Leidenschaften beschleunigt,
so daß auch so gar die Gegenwart des Arztes zärtliche
Frauenzimmer öfters zur schnellern Pulsirung veranlas-
(z)

set
(a) [Spaltenumbruch] hales angef. Ort. S. 17.
(b) Formicans (krichend un-
gleich). floyer T. I. S. 311.
(c) Floyer ebendas.
(d) Floyer S. 91.
(z) [Spaltenumbruch] robinson Essays on animal
oecon. T. II.
S. 381. 383. Der
Pulsschlag wird von schwächenden
Arzneimitteln beschleunigt.
schwenke S. 77. qvesnai de la
saignee.
Neue Ausgabe. S. 68. 69.
ehedem schon Galen.
C c 4

des Blutes, durch die Schlagadern.
nehmen wollten. Gewis, ſie werdens, wie ich, ſehen,
daß ſich das Herz ebenfals noch wieder die Hindernis
ſtraͤubet, ob gleich keine Abſicht und Ueberlegung der
Seele mehr ſtatt finden kann.

Die Kraftloſigkeit hat beinahe eben daſſelbe Schik-
ſal, mit einem Hinderniſſe gemein. Denn wenn die
Kraͤfte am ganzen Koͤrper ſchwach werden, und nun dem
Kreislaufe nicht ferner gewachſen ſind, ſondern der Laſt
des zu bewegenden Blutes unterliegen, ſo wikkelt ſich in
der That das matte Herz nicht gehoͤrig von ſeinem Blut-
aderblute los, folglich zieht ſich das Herz, um dieſes
Blut von ſich zu geben, mehrmalen zuſammen; doch es
kann dieſes Blut, da es nur matt wirkt, wenig mehr aus
der Stelle fortbewegen. Daher ſtieg an einem kraftlo-
ſen Mutterpferde die Anzal der Pulſirungen von 40 bis
100 in einer Minute (a). Daher haben ſterbende Thiere
einen kleinen, aber ſchnellen Puls (b), und es erreicht
derſelbe faſt eben die Zal als am Herzen einer Frucht,
ſo daß die Aufmerkſamkeit eines Arztes ſie ſchwerlich zaͤ-
len kann, und man in einer Minute gegen 140 (c)
Schlaͤge angeben darf.

Eine andre Urſache, daß ſich das Herz ſchneller und
oͤfterer zuſammenzieht, liegt im Reize, es moͤgen die
Nerven von erſt welcher Urſache ſehr gereizt werden, oder
es mag die Kraft zunehmen, mit der das Herz das Blut
in Bewegung ſezzt. Folglich wird der Pulsſchlag von
den Gemuͤtsbewegungen (d), vom Zorne, Schrekken, der
Schaam, und verſchiednen Leidenſchaften beſchleunigt,
ſo daß auch ſo gar die Gegenwart des Arztes zaͤrtliche
Frauenzimmer oͤfters zur ſchnellern Pulſirung veranlaſ-
(z)

ſet
(a) [Spaltenumbruch] haleſ angef. Ort. S. 17.
(b) Formicans (krichend un-
gleich). floyer T. I. S. 311.
(c) Floyer ebendaſ.
(d) Floyer S. 91.
(z) [Spaltenumbruch] robinſon Eſſays on animal
oecon. T. II.
S. 381. 383. Der
Pulsſchlag wird von ſchwaͤchenden
Arzneimitteln beſchleunigt.
ſchwenke S. 77. qveſnai de la
ſaignée.
Neue Ausgabe. S. 68. 69.
ehedem ſchon Galen.
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[407/0427] des Blutes, durch die Schlagadern. nehmen wollten. Gewis, ſie werdens, wie ich, ſehen, daß ſich das Herz ebenfals noch wieder die Hindernis ſtraͤubet, ob gleich keine Abſicht und Ueberlegung der Seele mehr ſtatt finden kann. Die Kraftloſigkeit hat beinahe eben daſſelbe Schik- ſal, mit einem Hinderniſſe gemein. Denn wenn die Kraͤfte am ganzen Koͤrper ſchwach werden, und nun dem Kreislaufe nicht ferner gewachſen ſind, ſondern der Laſt des zu bewegenden Blutes unterliegen, ſo wikkelt ſich in der That das matte Herz nicht gehoͤrig von ſeinem Blut- aderblute los, folglich zieht ſich das Herz, um dieſes Blut von ſich zu geben, mehrmalen zuſammen; doch es kann dieſes Blut, da es nur matt wirkt, wenig mehr aus der Stelle fortbewegen. Daher ſtieg an einem kraftlo- ſen Mutterpferde die Anzal der Pulſirungen von 40 bis 100 in einer Minute (a). Daher haben ſterbende Thiere einen kleinen, aber ſchnellen Puls (b), und es erreicht derſelbe faſt eben die Zal als am Herzen einer Frucht, ſo daß die Aufmerkſamkeit eines Arztes ſie ſchwerlich zaͤ- len kann, und man in einer Minute gegen 140 (c) Schlaͤge angeben darf. Eine andre Urſache, daß ſich das Herz ſchneller und oͤfterer zuſammenzieht, liegt im Reize, es moͤgen die Nerven von erſt welcher Urſache ſehr gereizt werden, oder es mag die Kraft zunehmen, mit der das Herz das Blut in Bewegung ſezzt. Folglich wird der Pulsſchlag von den Gemuͤtsbewegungen (d), vom Zorne, Schrekken, der Schaam, und verſchiednen Leidenſchaften beſchleunigt, ſo daß auch ſo gar die Gegenwart des Arztes zaͤrtliche Frauenzimmer oͤfters zur ſchnellern Pulſirung veranlaſ- ſet (z) (a) haleſ angef. Ort. S. 17. (b) Formicans (krichend un- gleich). floyer T. I. S. 311. (c) Floyer ebendaſ. (d) Floyer S. 91. (z) robinſon Eſſays on animal oecon. T. II. S. 381. 383. Der Pulsſchlag wird von ſchwaͤchenden Arzneimitteln beſchleunigt. ſchwenke S. 77. qveſnai de la ſaignée. Neue Ausgabe. S. 68. 69. ehedem ſchon Galen. C c 4

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/427>, abgerufen am 22.11.2024.