eine Zeit lang die Thätigkeit der Blutüberleitung wirk- sam: denn wenn man eine Schlagader (a) oder Blut- ader öffnet (b), so läuft das Blut gegen den Ort mit reissenden Strome zusammen, wo man die Wunde ge- macht hat. Jch habe auf diese Art das Blut noch sie- ben und zwanzig und dreißig Minuten lang, nachdem man bereits das Herz aus dem Leibe herausgerissen hatte, eben so gut gegen die Wunde herbeiströmen gesehen, als es in vollkomnem Zustande zu thun pflegte. Jch habe auch gesehen, daß das Geblüte in den kleinsten einkügli- gen Gefäschen, zehn Minuten nach zerschnittner Aorte, seinen Lauf noch fortsezzte (c).
Es ist auch nach dem Tode noch die Kraft der Schwe- re übrig, und diese ist es, welche, wenn gleich alle übrige Ursachen aufhören, dennoch ganz allein die Lebenssäfte beherrscht (d). Es fand der berümte Andreas Pasta(e), an Hunden, denen man verschiedne Lagen gegeben hatte, daß sich beständig das Blut nach der Seite des Körpers hinzog, welche am tiefsten lag, und die es Kraft der Schwere einzunehmen suchte. Es ist leicht, dergleichen auch an menschlichen Leichnamen in Augenschein zu neh- men, deren Rükken gemeiniglich mit Blut unterlaufen zu seyn pflegt, davon die kleinen Gefässe ausgedehnt wer- den, und die ganze Haut eine starke Röthe an sich zu neh- men pflegt. Es sinken aber auch die übrigen Theile ei- nes thierischen Körpers mit ihrer Schwere auf die Ge- fässe hinab, und pressen das Geblüte in die grossen Stäm- me zurükk.
Fast eben dergleichen thut auch die Kälte, welche auf den äussern Umfang des thierischen Körpers drükkt, daß die ganze Haut an den Gliedmaßen und der Nase
eine Zeit lang die Thaͤtigkeit der Blutuͤberleitung wirk- ſam: denn wenn man eine Schlagader (a) oder Blut- ader oͤffnet (b), ſo laͤuft das Blut gegen den Ort mit reiſſenden Strome zuſammen, wo man die Wunde ge- macht hat. Jch habe auf dieſe Art das Blut noch ſie- ben und zwanzig und dreißig Minuten lang, nachdem man bereits das Herz aus dem Leibe herausgeriſſen hatte, eben ſo gut gegen die Wunde herbeiſtroͤmen geſehen, als es in vollkomnem Zuſtande zu thun pflegte. Jch habe auch geſehen, daß das Gebluͤte in den kleinſten einkuͤgli- gen Gefaͤschen, zehn Minuten nach zerſchnittner Aorte, ſeinen Lauf noch fortſezzte (c).
Es iſt auch nach dem Tode noch die Kraft der Schwe- re uͤbrig, und dieſe iſt es, welche, wenn gleich alle uͤbrige Urſachen aufhoͤren, dennoch ganz allein die Lebensſaͤfte beherrſcht (d). Es fand der beruͤmte Andreas Paſta(e), an Hunden, denen man verſchiedne Lagen gegeben hatte, daß ſich beſtaͤndig das Blut nach der Seite des Koͤrpers hinzog, welche am tiefſten lag, und die es Kraft der Schwere einzunehmen ſuchte. Es iſt leicht, dergleichen auch an menſchlichen Leichnamen in Augenſchein zu neh- men, deren Ruͤkken gemeiniglich mit Blut unterlaufen zu ſeyn pflegt, davon die kleinen Gefaͤſſe ausgedehnt wer- den, und die ganze Haut eine ſtarke Roͤthe an ſich zu neh- men pflegt. Es ſinken aber auch die uͤbrigen Theile ei- nes thieriſchen Koͤrpers mit ihrer Schwere auf die Ge- faͤſſe hinab, und preſſen das Gebluͤte in die groſſen Staͤm- me zuruͤkk.
Faſt eben dergleichen thut auch die Kaͤlte, welche auf den aͤuſſern Umfang des thieriſchen Koͤrpers druͤkkt, daß die ganze Haut an den Gliedmaßen und der Naſe
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Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
eine Zeit lang die Thaͤtigkeit der Blutuͤberleitung wirk-
ſam: denn wenn man eine Schlagader (a) oder Blut-
ader oͤffnet (b), ſo laͤuft das Blut gegen den Ort mit
reiſſenden Strome zuſammen, wo man die Wunde ge-
macht hat. Jch habe auf dieſe Art das Blut noch ſie-
ben und zwanzig und dreißig Minuten lang, nachdem
man bereits das Herz aus dem Leibe herausgeriſſen hatte,
eben ſo gut gegen die Wunde herbeiſtroͤmen geſehen, als
es in vollkomnem Zuſtande zu thun pflegte. Jch habe
auch geſehen, daß das Gebluͤte in den kleinſten einkuͤgli-
gen Gefaͤschen, zehn Minuten nach zerſchnittner Aorte,
ſeinen Lauf noch fortſezzte (c).
Es iſt auch nach dem Tode noch die Kraft der Schwe-
re uͤbrig, und dieſe iſt es, welche, wenn gleich alle uͤbrige
Urſachen aufhoͤren, dennoch ganz allein die Lebensſaͤfte
beherrſcht (d). Es fand der beruͤmte Andreas Paſta (e),
an Hunden, denen man verſchiedne Lagen gegeben hatte,
daß ſich beſtaͤndig das Blut nach der Seite des Koͤrpers
hinzog, welche am tiefſten lag, und die es Kraft der
Schwere einzunehmen ſuchte. Es iſt leicht, dergleichen
auch an menſchlichen Leichnamen in Augenſchein zu neh-
men, deren Ruͤkken gemeiniglich mit Blut unterlaufen
zu ſeyn pflegt, davon die kleinen Gefaͤſſe ausgedehnt wer-
den, und die ganze Haut eine ſtarke Roͤthe an ſich zu neh-
men pflegt. Es ſinken aber auch die uͤbrigen Theile ei-
nes thieriſchen Koͤrpers mit ihrer Schwere auf die Ge-
faͤſſe hinab, und preſſen das Gebluͤte in die groſſen Staͤm-
me zuruͤkk.
Faſt eben dergleichen thut auch die Kaͤlte, welche
auf den aͤuſſern Umfang des thieriſchen Koͤrpers druͤkkt,
daß die ganze Haut an den Gliedmaßen und der Naſe
davon
(a)
Exp. 198. 212. 220. 221. 222.
225. 228.
(b) Exp. 204. 205. 206. 208.
210. 216. 218. 223. 225. 226. 229.
230. 231. 232. 234.
(c)
Exp. 233.
(d) Exp. 206. 216. 218. 222. 224.
(e) Angef. Ort.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/376>, abgerufen am 24.11.2024.
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