Aorte entstehen kann. Da ich nun diese Sache in öftere Ueberlegung gezogen, so habe ich einige Ursachen gefun- den, welche dieses Verspäten in etwas mindern, aber ich finde keine, die dieses Verspäten ganz und gar aufhüben. Da die ersten Aeste der Aorte, die vom Bogen derselben entspringen, grösser, als die Aorte sind (t); da ein jeder dieser Aeste, man nehme welchen man will, und zum Exempel, die Halsschlagader, wieder kleiner, als ihre beiden Aeste ist (u); die äussere Halsschlagader aber wie- der eine Oefnung hat, die kleiner, als die Oefnungen al- ler Aeste zusammengenommen, ist (x); so sieht man, daß man lange zuvor, ehe die Zerästelung bis zu den engsten Kanälen fortgeht, bereits einen engern Kanal hat, wel- ches die Aorte ist, und der in einen weitern Kanal einge- fügt worden, welches die Summe aller Aortenäste ist. Daß hier das Verhältnis nicht wie 3 zu 2 (y), sondern in der That viel grösser sei, erhellt auch schon aus den Aesten der drei ersten Aestelungen der Aorte, als welche sich zu ihrem Stamme jederzeit, wie anderthalb und drü- ber verhalten (z).
Das einzige, welches das Verhältnis aller Aeste zu- sammengenommen, zu ihrem Stamme mindert, ist die- ses, daß dieses Verhältnis in den kleinsten und haarfei- nen Gefässen um ein vieles kleiner ist. Und wir haben auch schon überhaupt gezeigt (a), daß der vorlezte Stamm sehr merklich grösser sei, als die kleinsten Aeste. Hier findet also ein dem erstern Gesezze wiedriges Gesezze statt, und hier sind die Aeste kleiner, als der Stamm.
Es laufen nämlich in den Adernezzen, wenn sich der Stamm in zween Aeste theilt, ungemein oft auch zween Aeste, nach Art der Blutadern, in einem einzigen Stamm
zusam-
(t)[Spaltenumbruch]
2. Buch.
(u) Ebendas.
(x) Ebendas.
(y)[Spaltenumbruch]sauvages, Memoir. de Ber- lin angef. Ort S. 45.
(z) 2. Buch.
(a) 2. Buch, und 6. Buch. 1. Abschnitt. §. 14.
Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
Aorte entſtehen kann. Da ich nun dieſe Sache in oͤftere Ueberlegung gezogen, ſo habe ich einige Urſachen gefun- den, welche dieſes Verſpaͤten in etwas mindern, aber ich finde keine, die dieſes Verſpaͤten ganz und gar aufhuͤben. Da die erſten Aeſte der Aorte, die vom Bogen derſelben entſpringen, groͤſſer, als die Aorte ſind (t); da ein jeder dieſer Aeſte, man nehme welchen man will, und zum Exempel, die Halsſchlagader, wieder kleiner, als ihre beiden Aeſte iſt (u); die aͤuſſere Halsſchlagader aber wie- der eine Oefnung hat, die kleiner, als die Oefnungen al- ler Aeſte zuſammengenommen, iſt (x); ſo ſieht man, daß man lange zuvor, ehe die Zeraͤſtelung bis zu den engſten Kanaͤlen fortgeht, bereits einen engern Kanal hat, wel- ches die Aorte iſt, und der in einen weitern Kanal einge- fuͤgt worden, welches die Summe aller Aortenaͤſte iſt. Daß hier das Verhaͤltnis nicht wie 3 zu 2 (y), ſondern in der That viel groͤſſer ſei, erhellt auch ſchon aus den Aeſten der drei erſten Aeſtelungen der Aorte, als welche ſich zu ihrem Stamme jederzeit, wie anderthalb und druͤ- ber verhalten (z).
Das einzige, welches das Verhaͤltnis aller Aeſte zu- ſammengenommen, zu ihrem Stamme mindert, iſt die- ſes, daß dieſes Verhaͤltnis in den kleinſten und haarfei- nen Gefaͤſſen um ein vieles kleiner iſt. Und wir haben auch ſchon uͤberhaupt gezeigt (a), daß der vorlezte Stamm ſehr merklich groͤſſer ſei, als die kleinſten Aeſte. Hier findet alſo ein dem erſtern Geſezze wiedriges Geſezze ſtatt, und hier ſind die Aeſte kleiner, als der Stamm.
Es laufen naͤmlich in den Adernezzen, wenn ſich der Stamm in zween Aeſte theilt, ungemein oft auch zween Aeſte, nach Art der Blutadern, in einem einzigen Stamm
zuſam-
(t)[Spaltenumbruch]
2. Buch.
(u) Ebendaſ.
(x) Ebendaſ.
(y)[Spaltenumbruch]ſauvageſ, Memoir. de Ber- lin angef. Ort S. 45.
(z) 2. Buch.
(a) 2. Buch, und 6. Buch. 1. Abſchnitt. §. 14.
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Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
Aorte entſtehen kann. Da ich nun dieſe Sache in oͤftere
Ueberlegung gezogen, ſo habe ich einige Urſachen gefun-
den, welche dieſes Verſpaͤten in etwas mindern, aber ich
finde keine, die dieſes Verſpaͤten ganz und gar aufhuͤben.
Da die erſten Aeſte der Aorte, die vom Bogen derſelben
entſpringen, groͤſſer, als die Aorte ſind (t); da ein jeder
dieſer Aeſte, man nehme welchen man will, und zum
Exempel, die Halsſchlagader, wieder kleiner, als ihre
beiden Aeſte iſt (u); die aͤuſſere Halsſchlagader aber wie-
der eine Oefnung hat, die kleiner, als die Oefnungen al-
ler Aeſte zuſammengenommen, iſt (x); ſo ſieht man, daß
man lange zuvor, ehe die Zeraͤſtelung bis zu den engſten
Kanaͤlen fortgeht, bereits einen engern Kanal hat, wel-
ches die Aorte iſt, und der in einen weitern Kanal einge-
fuͤgt worden, welches die Summe aller Aortenaͤſte iſt.
Daß hier das Verhaͤltnis nicht wie 3 zu 2 (y), ſondern
in der That viel groͤſſer ſei, erhellt auch ſchon aus den
Aeſten der drei erſten Aeſtelungen der Aorte, als welche
ſich zu ihrem Stamme jederzeit, wie anderthalb und druͤ-
ber verhalten (z).
Das einzige, welches das Verhaͤltnis aller Aeſte zu-
ſammengenommen, zu ihrem Stamme mindert, iſt die-
ſes, daß dieſes Verhaͤltnis in den kleinſten und haarfei-
nen Gefaͤſſen um ein vieles kleiner iſt. Und wir haben
auch ſchon uͤberhaupt gezeigt (a), daß der vorlezte Stamm
ſehr merklich groͤſſer ſei, als die kleinſten Aeſte. Hier
findet alſo ein dem erſtern Geſezze wiedriges Geſezze ſtatt,
und hier ſind die Aeſte kleiner, als der Stamm.
Es laufen naͤmlich in den Adernezzen, wenn ſich der
Stamm in zween Aeſte theilt, ungemein oft auch zween
Aeſte, nach Art der Blutadern, in einem einzigen Stamm
zuſam-
(t)
2. Buch.
(u) Ebendaſ.
(x) Ebendaſ.
(y)
ſauvageſ, Memoir. de Ber-
lin angef. Ort S. 45.
(z) 2. Buch.
(a) 2. Buch, und 6. Buch. 1.
Abſchnitt. §. 14.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/334>, abgerufen am 16.07.2024.
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