Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Der Lauf des Blutes
mit leblosen Röhren gemein; einige sind dem thierischen
Körper allein wesentlich. Es macht demnach in Thieren
eine oftmalige Zerästelung eine Art von Verzögrung
aus, davon die Beispiele ausser dem Thiere selten sind.
Es ist nämlich gar kein Zweifel, daß nicht das Reiben
der Aeste diejenige Geschwindigkeit mindern sollte, mit
welcher sich das Blut des Stammes ausleert; denn es
thun hier die Falten der Aeste das, was ein verstopfter
Theil von der Mündung thun würde (l). Denn um es
noch einmal zu sagen, um so viel die Geschwindigkeit des
Stammes von den Aesten aufgehalten wird, einen so
grossen Theil von der Mündung kann man als verstopft
ansehen. Nun hemmt aber gleichsam diese Verstopfung
das Fortrükken, und dieses Fortrükken wird dadurch in
einen Seitendrukk verwandelt. Ein Schlagaderstamm
gab, da man einen Ast öfnete, 29 und eine halbe Unze
Wasser von sich; da man alle Aeste öfnete 30 5/8 Unzen (l*).

§. 26.
Die Zusammenleitungen der Adern (anastomoses).

Die Zusammenleitungen der Schlagadern befördern
in so weit die Bewegung des Blutes, daß sie die Gefar
der Verstopfungen mindern, übrigens können sie in der
That unter die Ursachen mitgezält werden, die vermögend
sind, die Geschwindigkeit des Blutes zu entkräften. Es
geschicht nämlich sehr oft, daß sich so gar grosse Schlag-
adern mit vollkommen widrigem Gerinne einander be-
gegnen, und sich in einen einzigen Kanal verwandeln,
der nunmehr zwo Säulen von Blute trägt, die alle beide
von dem Herzen herbeigetrieben worden, und welche sich
nun in der Mitte des Bogens, nach entgegengesezzten
Richtungen gegen einander stemmen. So geschichts an
der Schlagader des Gekröses, des dem dikken Gedärme

zuge-
(l) [Spaltenumbruch] Vergl. Fr. sauvages de in-
flammatio. n. 15. bernoulli Hy-
[Spaltenumbruch] drodynam.
am leztgedachten Orte.
(l*) robinson angef. Ort. S. 66.

Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
mit lebloſen Roͤhren gemein; einige ſind dem thieriſchen
Koͤrper allein weſentlich. Es macht demnach in Thieren
eine oftmalige Zeraͤſtelung eine Art von Verzoͤgrung
aus, davon die Beiſpiele auſſer dem Thiere ſelten ſind.
Es iſt naͤmlich gar kein Zweifel, daß nicht das Reiben
der Aeſte diejenige Geſchwindigkeit mindern ſollte, mit
welcher ſich das Blut des Stammes ausleert; denn es
thun hier die Falten der Aeſte das, was ein verſtopfter
Theil von der Muͤndung thun wuͤrde (l). Denn um es
noch einmal zu ſagen, um ſo viel die Geſchwindigkeit des
Stammes von den Aeſten aufgehalten wird, einen ſo
groſſen Theil von der Muͤndung kann man als verſtopft
anſehen. Nun hemmt aber gleichſam dieſe Verſtopfung
das Fortruͤkken, und dieſes Fortruͤkken wird dadurch in
einen Seitendrukk verwandelt. Ein Schlagaderſtamm
gab, da man einen Aſt oͤfnete, 29 und eine halbe Unze
Waſſer von ſich; da man alle Aeſte oͤfnete 30⅝ Unzen (l*).

§. 26.
Die Zuſammenleitungen der Adern (anaſtomoſes).

Die Zuſammenleitungen der Schlagadern befoͤrdern
in ſo weit die Bewegung des Blutes, daß ſie die Gefar
der Verſtopfungen mindern, uͤbrigens koͤnnen ſie in der
That unter die Urſachen mitgezaͤlt werden, die vermoͤgend
ſind, die Geſchwindigkeit des Blutes zu entkraͤften. Es
geſchicht naͤmlich ſehr oft, daß ſich ſo gar groſſe Schlag-
adern mit vollkommen widrigem Gerinne einander be-
gegnen, und ſich in einen einzigen Kanal verwandeln,
der nunmehr zwo Saͤulen von Blute traͤgt, die alle beide
von dem Herzen herbeigetrieben worden, und welche ſich
nun in der Mitte des Bogens, nach entgegengeſezzten
Richtungen gegen einander ſtemmen. So geſchichts an
der Schlagader des Gekroͤſes, des dem dikken Gedaͤrme

zuge-
(l) [Spaltenumbruch] Vergl. Fr. ſauvageſ de in-
flammatio. n. 15. bernoulli Hy-
[Spaltenumbruch] drodynam.
am leztgedachten Orte.
(l*) robinſon angef. Ort. S. 66.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0320" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch. Der Lauf des Blutes</hi></fw><lb/>
mit leblo&#x017F;en Ro&#x0364;hren gemein; einige &#x017F;ind dem thieri&#x017F;chen<lb/>
Ko&#x0364;rper allein we&#x017F;entlich. Es macht demnach in Thieren<lb/>
eine oftmalige Zera&#x0364;&#x017F;telung eine Art von Verzo&#x0364;grung<lb/>
aus, davon die Bei&#x017F;piele au&#x017F;&#x017F;er dem Thiere &#x017F;elten &#x017F;ind.<lb/>
Es i&#x017F;t na&#x0364;mlich gar kein Zweifel, daß nicht das Reiben<lb/>
der Ae&#x017F;te diejenige Ge&#x017F;chwindigkeit mindern &#x017F;ollte, mit<lb/>
welcher &#x017F;ich das Blut des Stammes ausleert; denn es<lb/>
thun hier die Falten der Ae&#x017F;te das, was ein ver&#x017F;topfter<lb/>
Theil von der Mu&#x0364;ndung thun wu&#x0364;rde <note place="foot" n="(l)"><cb/>
Vergl. <hi rendition="#aq">Fr. <hi rendition="#k">&#x017F;auvage&#x017F;</hi> de in-<lb/>
flammatio. n. 15. <hi rendition="#k">bernoulli</hi> Hy-<lb/><cb/>
drodynam.</hi> am leztgedachten Orte.</note>. Denn um es<lb/>
noch einmal zu &#x017F;agen, um &#x017F;o viel die Ge&#x017F;chwindigkeit des<lb/>
Stammes von den Ae&#x017F;ten aufgehalten wird, einen &#x017F;o<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Theil von der Mu&#x0364;ndung kann man als ver&#x017F;topft<lb/>
an&#x017F;ehen. Nun hemmt aber gleich&#x017F;am die&#x017F;e Ver&#x017F;topfung<lb/>
das Fortru&#x0364;kken, und die&#x017F;es Fortru&#x0364;kken wird dadurch in<lb/>
einen Seitendrukk verwandelt. Ein Schlagader&#x017F;tamm<lb/>
gab, da man einen A&#x017F;t o&#x0364;fnete, 29 und eine halbe Unze<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er von &#x017F;ich; da man alle Ae&#x017F;te o&#x0364;fnete 30&#x215D; Unzen <note place="foot" n="(l*)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">robin&#x017F;on</hi></hi> angef. Ort. S. 66.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 26.<lb/>
Die Zu&#x017F;ammenleitungen der Adern (<hi rendition="#aq">ana&#x017F;tomo&#x017F;es</hi>).</head><lb/>
            <p>Die Zu&#x017F;ammenleitungen der Schlagadern befo&#x0364;rdern<lb/>
in &#x017F;o weit die Bewegung des Blutes, daß &#x017F;ie die Gefar<lb/>
der Ver&#x017F;topfungen mindern, u&#x0364;brigens ko&#x0364;nnen &#x017F;ie in der<lb/>
That unter die Ur&#x017F;achen mitgeza&#x0364;lt werden, die vermo&#x0364;gend<lb/>
&#x017F;ind, die Ge&#x017F;chwindigkeit des Blutes zu entkra&#x0364;ften. Es<lb/>
ge&#x017F;chicht na&#x0364;mlich &#x017F;ehr oft, daß &#x017F;ich &#x017F;o gar gro&#x017F;&#x017F;e Schlag-<lb/>
adern mit vollkommen widrigem Gerinne einander be-<lb/>
gegnen, und &#x017F;ich in einen einzigen Kanal verwandeln,<lb/>
der nunmehr zwo Sa&#x0364;ulen von Blute tra&#x0364;gt, die alle beide<lb/>
von dem Herzen herbeigetrieben worden, und welche &#x017F;ich<lb/>
nun in der Mitte des Bogens, nach entgegenge&#x017F;ezzten<lb/>
Richtungen gegen einander &#x017F;temmen. So ge&#x017F;chichts an<lb/>
der Schlagader des Gekro&#x0364;&#x017F;es, des dem dikken Geda&#x0364;rme<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zuge-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0320] Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes mit lebloſen Roͤhren gemein; einige ſind dem thieriſchen Koͤrper allein weſentlich. Es macht demnach in Thieren eine oftmalige Zeraͤſtelung eine Art von Verzoͤgrung aus, davon die Beiſpiele auſſer dem Thiere ſelten ſind. Es iſt naͤmlich gar kein Zweifel, daß nicht das Reiben der Aeſte diejenige Geſchwindigkeit mindern ſollte, mit welcher ſich das Blut des Stammes ausleert; denn es thun hier die Falten der Aeſte das, was ein verſtopfter Theil von der Muͤndung thun wuͤrde (l). Denn um es noch einmal zu ſagen, um ſo viel die Geſchwindigkeit des Stammes von den Aeſten aufgehalten wird, einen ſo groſſen Theil von der Muͤndung kann man als verſtopft anſehen. Nun hemmt aber gleichſam dieſe Verſtopfung das Fortruͤkken, und dieſes Fortruͤkken wird dadurch in einen Seitendrukk verwandelt. Ein Schlagaderſtamm gab, da man einen Aſt oͤfnete, 29 und eine halbe Unze Waſſer von ſich; da man alle Aeſte oͤfnete 30⅝ Unzen (l*). §. 26. Die Zuſammenleitungen der Adern (anaſtomoſes). Die Zuſammenleitungen der Schlagadern befoͤrdern in ſo weit die Bewegung des Blutes, daß ſie die Gefar der Verſtopfungen mindern, uͤbrigens koͤnnen ſie in der That unter die Urſachen mitgezaͤlt werden, die vermoͤgend ſind, die Geſchwindigkeit des Blutes zu entkraͤften. Es geſchicht naͤmlich ſehr oft, daß ſich ſo gar groſſe Schlag- adern mit vollkommen widrigem Gerinne einander be- gegnen, und ſich in einen einzigen Kanal verwandeln, der nunmehr zwo Saͤulen von Blute traͤgt, die alle beide von dem Herzen herbeigetrieben worden, und welche ſich nun in der Mitte des Bogens, nach entgegengeſezzten Richtungen gegen einander ſtemmen. So geſchichts an der Schlagader des Gekroͤſes, des dem dikken Gedaͤrme zuge- (l) Vergl. Fr. ſauvageſ de in- flammatio. n. 15. bernoulli Hy- drodynam. am leztgedachten Orte. (l*) robinſon angef. Ort. S. 66.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/320
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/320>, abgerufen am 20.11.2024.