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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Verhältnis der Blutstoffe u. s. f.
Salz auflösen läst, daß sich nicht Luft davon loswikkeln
und herausbegeben sollte. Was nun eben diese Luft in
unsern Säften vor Nuzzen leiste, ob sie deren Flüßigkeit
im Stande erhalte, oder sie zu andern, mit der Fäulnis
einigermaßen verwanten Veränderungen, im Verborg-
nen geneigt und reif mache, das ist eine Sache, welche
man weder an diesem Orte, noch vielleicht irgens jemals
auseinander sezzen kann.

Das Feuer, dieser Quell aller Bewegungen in der
ganzen Natur, und aller Flüßigkeit, bewaret auch ohne
Zweifel unser Geblüte vor dem Gefrieren. Wir tragen
aber wohl mehr Feuer in uns, als zu dieser Absicht nötig
gewesen wäre; denn es friert das Blut nicht einmal in
Fischen, deren Blut nur um einen, zween oder drei Grade
warm ist, so lange sie leben. Was dieser Ueberschus
von Wärme vor Nuzzen stifte, kann man nicht mit Ge-
wisheit sagen. Es laufen nämlich unsre Säfte nicht
flüßiger in den Gefässen umher, als es die Lebenssäfte
in den Fischen thun (l); es erzeugen sich ferner in diesen
nur so mittelmäßig warmen Thieren keine von den unsri-
gen unterschiedne Säfte; ihre Galle ist in nichts träger,
und es erzeugen sich, worüber man sich billig verwundern
muß, in kalten Thieren viel schärfere Salze, wie man
an der Natter, der Biene, der spanischen Fliege sieht.
Fische verdauen indessen ihre Speisen eben so gut, sie be-
wegen sich eben so hurtig; sie besizzen nicht geringere
Stärke, und bringen ihr Leben eben so hoch. Es findet
in der That zwischen der Lunge und zwischen der Wärme

eine
(l) [Spaltenumbruch] Jch füge dieses darum hin-
zu, damit man nicht glaube, Säfte
bekämen ihre Flüßigkeit von der
Wärme her. Es ist wahr, daß
heis Wasser durch thierische Ge-
fässe leichter dringt, und daß es
in 46 und 52 Sekunden denjeni-
gen Weg zurükkelegt, welchen kalt
Wasser in 77 und 80 dergleichen
Sekunden durchwandert. hales
[Spaltenumbruch] Haemastar.
S. 130. Allein unsre
Säfte sind viel zäher, als diejeni-
gen Säfte, welche die Fische be-
seelen. Jst das Wasser wärmer,
so dringt es schwerer hindurch,
und es verengert die Gefässe, wenn
es wärmer, als der sechs und drei-
ßigste Reaumürsche, oder der 104
Fahrenh. Grad ist. sauvages de
inflamm.
S. 237.
Q 3

Verhaͤltnis der Blutſtoffe u. ſ. f.
Salz aufloͤſen laͤſt, daß ſich nicht Luft davon loswikkeln
und herausbegeben ſollte. Was nun eben dieſe Luft in
unſern Saͤften vor Nuzzen leiſte, ob ſie deren Fluͤßigkeit
im Stande erhalte, oder ſie zu andern, mit der Faͤulnis
einigermaßen verwanten Veraͤnderungen, im Verborg-
nen geneigt und reif mache, das iſt eine Sache, welche
man weder an dieſem Orte, noch vielleicht irgens jemals
auseinander ſezzen kann.

Das Feuer, dieſer Quell aller Bewegungen in der
ganzen Natur, und aller Fluͤßigkeit, bewaret auch ohne
Zweifel unſer Gebluͤte vor dem Gefrieren. Wir tragen
aber wohl mehr Feuer in uns, als zu dieſer Abſicht noͤtig
geweſen waͤre; denn es friert das Blut nicht einmal in
Fiſchen, deren Blut nur um einen, zween oder drei Grade
warm iſt, ſo lange ſie leben. Was dieſer Ueberſchus
von Waͤrme vor Nuzzen ſtifte, kann man nicht mit Ge-
wisheit ſagen. Es laufen naͤmlich unſre Saͤfte nicht
fluͤßiger in den Gefaͤſſen umher, als es die Lebensſaͤfte
in den Fiſchen thun (l); es erzeugen ſich ferner in dieſen
nur ſo mittelmaͤßig warmen Thieren keine von den unſri-
gen unterſchiedne Saͤfte; ihre Galle iſt in nichts traͤger,
und es erzeugen ſich, woruͤber man ſich billig verwundern
muß, in kalten Thieren viel ſchaͤrfere Salze, wie man
an der Natter, der Biene, der ſpaniſchen Fliege ſieht.
Fiſche verdauen indeſſen ihre Speiſen eben ſo gut, ſie be-
wegen ſich eben ſo hurtig; ſie beſizzen nicht geringere
Staͤrke, und bringen ihr Leben eben ſo hoch. Es findet
in der That zwiſchen der Lunge und zwiſchen der Waͤrme

eine
(l) [Spaltenumbruch] Jch fuͤge dieſes darum hin-
zu, damit man nicht glaube, Saͤfte
bekaͤmen ihre Fluͤßigkeit von der
Waͤrme her. Es iſt wahr, daß
heis Waſſer durch thieriſche Ge-
faͤſſe leichter dringt, und daß es
in 46 und 52 Sekunden denjeni-
gen Weg zuruͤkkelegt, welchen kalt
Waſſer in 77 und 80 dergleichen
Sekunden durchwandert. haleſ
[Spaltenumbruch] Haemaſtar.
S. 130. Allein unſre
Saͤfte ſind viel zaͤher, als diejeni-
gen Saͤfte, welche die Fiſche be-
ſeelen. Jſt das Waſſer waͤrmer,
ſo dringt es ſchwerer hindurch,
und es verengert die Gefaͤſſe, wenn
es waͤrmer, als der ſechs und drei-
ßigſte Reaumuͤrſche, oder der 104
Fahrenh. Grad iſt. ſauvageſ de
inflamm.
S. 237.
Q 3
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[245/0265] Verhaͤltnis der Blutſtoffe u. ſ. f. Salz aufloͤſen laͤſt, daß ſich nicht Luft davon loswikkeln und herausbegeben ſollte. Was nun eben dieſe Luft in unſern Saͤften vor Nuzzen leiſte, ob ſie deren Fluͤßigkeit im Stande erhalte, oder ſie zu andern, mit der Faͤulnis einigermaßen verwanten Veraͤnderungen, im Verborg- nen geneigt und reif mache, das iſt eine Sache, welche man weder an dieſem Orte, noch vielleicht irgens jemals auseinander ſezzen kann. Das Feuer, dieſer Quell aller Bewegungen in der ganzen Natur, und aller Fluͤßigkeit, bewaret auch ohne Zweifel unſer Gebluͤte vor dem Gefrieren. Wir tragen aber wohl mehr Feuer in uns, als zu dieſer Abſicht noͤtig geweſen waͤre; denn es friert das Blut nicht einmal in Fiſchen, deren Blut nur um einen, zween oder drei Grade warm iſt, ſo lange ſie leben. Was dieſer Ueberſchus von Waͤrme vor Nuzzen ſtifte, kann man nicht mit Ge- wisheit ſagen. Es laufen naͤmlich unſre Saͤfte nicht fluͤßiger in den Gefaͤſſen umher, als es die Lebensſaͤfte in den Fiſchen thun (l); es erzeugen ſich ferner in dieſen nur ſo mittelmaͤßig warmen Thieren keine von den unſri- gen unterſchiedne Saͤfte; ihre Galle iſt in nichts traͤger, und es erzeugen ſich, woruͤber man ſich billig verwundern muß, in kalten Thieren viel ſchaͤrfere Salze, wie man an der Natter, der Biene, der ſpaniſchen Fliege ſieht. Fiſche verdauen indeſſen ihre Speiſen eben ſo gut, ſie be- wegen ſich eben ſo hurtig; ſie beſizzen nicht geringere Staͤrke, und bringen ihr Leben eben ſo hoch. Es findet in der That zwiſchen der Lunge und zwiſchen der Waͤrme eine (l) Jch fuͤge dieſes darum hin- zu, damit man nicht glaube, Saͤfte bekaͤmen ihre Fluͤßigkeit von der Waͤrme her. Es iſt wahr, daß heis Waſſer durch thieriſche Ge- faͤſſe leichter dringt, und daß es in 46 und 52 Sekunden denjeni- gen Weg zuruͤkkelegt, welchen kalt Waſſer in 77 und 80 dergleichen Sekunden durchwandert. haleſ Haemaſtar. S. 130. Allein unſre Saͤfte ſind viel zaͤher, als diejeni- gen Saͤfte, welche die Fiſche be- ſeelen. Jſt das Waſſer waͤrmer, ſo dringt es ſchwerer hindurch, und es verengert die Gefaͤſſe, wenn es waͤrmer, als der ſechs und drei- ßigſte Reaumuͤrſche, oder der 104 Fahrenh. Grad iſt. ſauvageſ de inflamm. S. 237. Q 3

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/265>, abgerufen am 24.11.2024.