kannt gemacht: ich mus demnach anzeigen, daß es weder völlig neu gewesen, noch daß ich das geringste ohne den Erweis von grossen Männern vorgetragen habe. Hart- soeker hat bereits (c) das thierische Gebäude vor eine Zusammensezzung von Gefässen und zellförmiger Mate- rie angesehen. Nach ihm lehrte Cowper(d), daß alle Membranen offenbar bläsig wären, und sich durch Ein- blasungen in ein zellartiges Geflechte verwandeln liessen. Man weis, was man diesem Manne in der Zergliede- rungskunst vor ein Ansehn zugestehen mus. Ferner schrieb Morgan(e), ein wunderlicher Kopf, und der sich zu Gefallen alles glaubte, daß die Gefässe selbst aus derglei- chen Gewebe bestünden. Allein Boerhaavens bewun- dernswürdige Beredsamkeit brachte die hie und da zer- streute Stimmen einiger wenigen bald zum Schweigen; und erst damals laß ich die jezo angezognen Stellen der grossen Männer zum erstenmale, oder mit Aufmerksam- keit durch, da mich meine Versuche längst schon veran- lasset hatten, meinen vorigen Meinungen zu entsagen. Eben diese Theorie hat auch Thierry(f), und ohnlängst ei- ner unter einem falschen Nahmen (g), nebst andern, nach der Zeit, da ich meine Schriften herausgegeben, behauptet (h).
Es ist noch übrig, daß ich die jetzt erzälte Theorie noch mit einem Stükke von ihrer Geschichte verbinde, da man siehet, daß sie von den meisten Aerzten in Europa fast durchgängig angenommen wird. Man erfuhr aus Ruyschens Versuchen, daß die weisse und blutlose Saa- menmembranen sich über und über roth färben liessen, so
bald
(c)[Spaltenumbruch]Suite des conject. phys. S. 93. Nikol. Hartsöker.
(d) Beim Keilof anim. secret. S. 129. Willh. Cowper.
(e)Mechanic. pract. of physik. S. 338. Thom. Morgan.
(f) Franz. Thierry Streitschr. Derowegen entstehen die häufig- sten Krankheiten in dem Zellge- [Spaltenumbruch]
webe, und folglich hat auch die Heilungskunst hierauf ihr Absehen zu richten. Paris, 1749. 4.
(g) Der ein Buch unter dem Titel Archangeluspiccolho- minevs geschrieben.
(h) Unter andern Joh. Dou- glasde Hydrocele, Lond. 1755. 8 S. 46.
Erſtes Buch. Elementartheile
kannt gemacht: ich mus demnach anzeigen, daß es weder voͤllig neu geweſen, noch daß ich das geringſte ohne den Erweis von groſſen Maͤnnern vorgetragen habe. Hart- ſoeker hat bereits (c) das thieriſche Gebaͤude vor eine Zuſammenſezzung von Gefaͤſſen und zellfoͤrmiger Mate- rie angeſehen. Nach ihm lehrte Cowper(d), daß alle Membranen offenbar blaͤſig waͤren, und ſich durch Ein- blaſungen in ein zellartiges Geflechte verwandeln lieſſen. Man weis, was man dieſem Manne in der Zergliede- rungskunſt vor ein Anſehn zugeſtehen mus. Ferner ſchrieb Morgan(e), ein wunderlicher Kopf, und der ſich zu Gefallen alles glaubte, daß die Gefaͤſſe ſelbſt aus derglei- chen Gewebe beſtuͤnden. Allein Boerhaavens bewun- dernswuͤrdige Beredſamkeit brachte die hie und da zer- ſtreute Stimmen einiger wenigen bald zum Schweigen; und erſt damals laß ich die jezo angezognen Stellen der groſſen Maͤnner zum erſtenmale, oder mit Aufmerkſam- keit durch, da mich meine Verſuche laͤngſt ſchon veran- laſſet hatten, meinen vorigen Meinungen zu entſagen. Eben dieſe Theorie hat auch Thierry(f), und ohnlaͤngſt ei- ner unter einem falſchen Nahmen (g), nebſt andern, nach der Zeit, da ich meine Schriften herausgegeben, behauptet (h).
Es iſt noch uͤbrig, daß ich die jetzt erzaͤlte Theorie noch mit einem Stuͤkke von ihrer Geſchichte verbinde, da man ſiehet, daß ſie von den meiſten Aerzten in Europa faſt durchgaͤngig angenommen wird. Man erfuhr aus Ruyſchens Verſuchen, daß die weiſſe und blutloſe Saa- menmembranen ſich uͤber und uͤber roth faͤrben lieſſen, ſo
bald
(c)[Spaltenumbruch]Suite des conject. phyſ. S. 93. Nikol. Hartſöker.
(d) Beim Keilof anim. ſecret. S. 129. Willh. Cowper.
(e)Mechanic. pract. of phyſik. S. 338. Thom. Morgan.
(f) Franz. Thierry Streitſchr. Derowegen entſtehen die haͤufig- ſten Krankheiten in dem Zellge- [Spaltenumbruch]
webe, und folglich hat auch die Heilungskunſt hierauf ihr Abſehen zu richten. Paris, 1749. 4.
(g) Der ein Buch unter dem Titel Archangeluspiccolho- minevs geſchrieben.
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Erſtes Buch. Elementartheile
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voͤllig neu geweſen, noch daß ich das geringſte ohne den
Erweis von groſſen Maͤnnern vorgetragen habe. Hart-
ſoeker hat bereits (c) das thieriſche Gebaͤude vor eine
Zuſammenſezzung von Gefaͤſſen und zellfoͤrmiger Mate-
rie angeſehen. Nach ihm lehrte Cowper (d), daß alle
Membranen offenbar blaͤſig waͤren, und ſich durch Ein-
blaſungen in ein zellartiges Geflechte verwandeln lieſſen.
Man weis, was man dieſem Manne in der Zergliede-
rungskunſt vor ein Anſehn zugeſtehen mus. Ferner ſchrieb
Morgan (e), ein wunderlicher Kopf, und der ſich zu
Gefallen alles glaubte, daß die Gefaͤſſe ſelbſt aus derglei-
chen Gewebe beſtuͤnden. Allein Boerhaavens bewun-
dernswuͤrdige Beredſamkeit brachte die hie und da zer-
ſtreute Stimmen einiger wenigen bald zum Schweigen;
und erſt damals laß ich die jezo angezognen Stellen der
groſſen Maͤnner zum erſtenmale, oder mit Aufmerkſam-
keit durch, da mich meine Verſuche laͤngſt ſchon veran-
laſſet hatten, meinen vorigen Meinungen zu entſagen.
Eben dieſe Theorie hat auch Thierry (f), und ohnlaͤngſt ei-
ner unter einem falſchen Nahmen (g), nebſt andern, nach der
Zeit, da ich meine Schriften herausgegeben, behauptet (h).
Es iſt noch uͤbrig, daß ich die jetzt erzaͤlte Theorie
noch mit einem Stuͤkke von ihrer Geſchichte verbinde, da
man ſiehet, daß ſie von den meiſten Aerzten in Europa
faſt durchgaͤngig angenommen wird. Man erfuhr aus
Ruyſchens Verſuchen, daß die weiſſe und blutloſe Saa-
menmembranen ſich uͤber und uͤber roth faͤrben lieſſen, ſo
bald
(c)
Suite des conject. phyſ.
S. 93. Nikol. Hartſöker.
(d) Beim Keil of anim. ſecret.
S. 129. Willh. Cowper.
(e) Mechanic. pract. of phyſik.
S. 338. Thom. Morgan.
(f) Franz. Thierry Streitſchr.
Derowegen entſtehen die haͤufig-
ſten Krankheiten in dem Zellge-
webe, und folglich hat auch die
Heilungskunſt hierauf ihr Abſehen
zu richten. Paris, 1749. 4.
(g) Der ein Buch unter dem
Titel Archangelus piccolho-
minevs geſchrieben.
(h) Unter andern Joh. Dou-
glas de Hydrocele, Lond. 1755.
8 S. 46.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/98>, abgerufen am 16.02.2025.
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