le nach ihrem Gutbefinden das Herz bald ruhen, bald wieder schlagen lasse (y).
Man kann aber leicht erachten, daß die Patronen der mechanischen Secte allerdings gegenseitige und sehr be- kannte Versuche dagegen anführen werden; daß z. E. der Pulsschlag durch die eigene Macht der Seele weder beschleunigt, noch aufgehalten werden könne; daß sich das menschliche Gemüthe gar keiner Herrschaft über das Herze bewust sey, da es doch von seiner Gewalt über die Glieder sehr wohl unterrichtet ist; daß die Seele nicht einmal von dem Schlagen des eigenen Herzens etwas wis- se, wofern solches nicht durch die auf die Brust gelegte Hand empfunden würde, oder wenn man nicht von an- dern unterrichtet würde, daß das Herz ein Muskel sey, der unter der Brustwarze klopft. Es fehlet inzwischen bei diesen Einwürfen nicht an mancherlei Entschuldigun- gen, die von berühmten Männern zur Vertheidigung dieser Hipothese angeführet werden. Sie sagen nämlich, es wären im ersten Anfange alle Bewegungen eines be- seelten Körpers blos willkührlich gewesen: es hätten ei- nige darunter, weil sie beständig wiederholet worden, vermöge der Gewohnheit, die mit einer Ueberlegung ver- knüpfte Handlung verlohren (z), welche man das Be- wustseyn nennet. Aus der Ursache wären auch an an- dern Orten die Muskelbewegungen, nach dem einhelli- gen Geständniß aller Gelehrten, dem Willen gänzlich unterworfen, wovon das Nikken der Augenlieder ein deutliches Beispiel abgäbe. Sie bringen auch andere noch subtilere Sachen bei, theils von der Erkenntniß der Seele, da sie sich von ihrem Eingeweide, und ihrem
eige-
(y)[Spaltenumbruch]Lister am angef. Ort S. 13. u. f. Whytton vital motions S. 266. Eben diese Erscheinung wird auch am Räderthierchen bemerkt, BakerEmployment for the mi- croscope S. 280.
(z)[Spaltenumbruch]Ridleyof the brain S. 163. Porterfields am angef. Ort S. 214. 215. 216. Bondof the nigth- mare, S. 70. u. f.
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Urſachen des Herzſchlages.
le nach ihrem Gutbefinden das Herz bald ruhen, bald wieder ſchlagen laſſe (y).
Man kann aber leicht erachten, daß die Patronen der mechaniſchen Secte allerdings gegenſeitige und ſehr be- kannte Verſuche dagegen anfuͤhren werden; daß z. E. der Pulsſchlag durch die eigene Macht der Seele weder beſchleunigt, noch aufgehalten werden koͤnne; daß ſich das menſchliche Gemuͤthe gar keiner Herrſchaft uͤber das Herze bewuſt ſey, da es doch von ſeiner Gewalt uͤber die Glieder ſehr wohl unterrichtet iſt; daß die Seele nicht einmal von dem Schlagen des eigenen Herzens etwas wiſ- ſe, wofern ſolches nicht durch die auf die Bruſt gelegte Hand empfunden wuͤrde, oder wenn man nicht von an- dern unterrichtet wuͤrde, daß das Herz ein Muskel ſey, der unter der Bruſtwarze klopft. Es fehlet inzwiſchen bei dieſen Einwuͤrfen nicht an mancherlei Entſchuldigun- gen, die von beruͤhmten Maͤnnern zur Vertheidigung dieſer Hipotheſe angefuͤhret werden. Sie ſagen naͤmlich, es waͤren im erſten Anfange alle Bewegungen eines be- ſeelten Koͤrpers blos willkuͤhrlich geweſen: es haͤtten ei- nige darunter, weil ſie beſtaͤndig wiederholet worden, vermoͤge der Gewohnheit, die mit einer Ueberlegung ver- knuͤpfte Handlung verlohren (z), welche man das Be- wuſtſeyn nennet. Aus der Urſache waͤren auch an an- dern Orten die Muskelbewegungen, nach dem einhelli- gen Geſtaͤndniß aller Gelehrten, dem Willen gaͤnzlich unterworfen, wovon das Nikken der Augenlieder ein deutliches Beiſpiel abgaͤbe. Sie bringen auch andere noch ſubtilere Sachen bei, theils von der Erkenntniß der Seele, da ſie ſich von ihrem Eingeweide, und ihrem
eige-
(y)[Spaltenumbruch]Liſter am angef. Ort S. 13. u. f. Whytton vital motions S. 266. Eben dieſe Erſcheinung wird auch am Raͤderthierchen bemerkt, BakerEmployment for the mi- croſcope S. 280.
(z)[Spaltenumbruch]Ridleyof the brain S. 163. Porterfields am angef. Ort S. 214. 215. 216. Bondof the nigth- mare, S. 70. u. f.
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Urſachen des Herzſchlages.
le nach ihrem Gutbefinden das Herz bald ruhen, bald
wieder ſchlagen laſſe (y).
Man kann aber leicht erachten, daß die Patronen der
mechaniſchen Secte allerdings gegenſeitige und ſehr be-
kannte Verſuche dagegen anfuͤhren werden; daß z. E.
der Pulsſchlag durch die eigene Macht der Seele weder
beſchleunigt, noch aufgehalten werden koͤnne; daß ſich
das menſchliche Gemuͤthe gar keiner Herrſchaft uͤber das
Herze bewuſt ſey, da es doch von ſeiner Gewalt uͤber die
Glieder ſehr wohl unterrichtet iſt; daß die Seele nicht
einmal von dem Schlagen des eigenen Herzens etwas wiſ-
ſe, wofern ſolches nicht durch die auf die Bruſt gelegte
Hand empfunden wuͤrde, oder wenn man nicht von an-
dern unterrichtet wuͤrde, daß das Herz ein Muskel ſey,
der unter der Bruſtwarze klopft. Es fehlet inzwiſchen
bei dieſen Einwuͤrfen nicht an mancherlei Entſchuldigun-
gen, die von beruͤhmten Maͤnnern zur Vertheidigung
dieſer Hipotheſe angefuͤhret werden. Sie ſagen naͤmlich,
es waͤren im erſten Anfange alle Bewegungen eines be-
ſeelten Koͤrpers blos willkuͤhrlich geweſen: es haͤtten ei-
nige darunter, weil ſie beſtaͤndig wiederholet worden,
vermoͤge der Gewohnheit, die mit einer Ueberlegung ver-
knuͤpfte Handlung verlohren (z), welche man das Be-
wuſtſeyn nennet. Aus der Urſache waͤren auch an an-
dern Orten die Muskelbewegungen, nach dem einhelli-
gen Geſtaͤndniß aller Gelehrten, dem Willen gaͤnzlich
unterworfen, wovon das Nikken der Augenlieder ein
deutliches Beiſpiel abgaͤbe. Sie bringen auch andere
noch ſubtilere Sachen bei, theils von der Erkenntniß
der Seele, da ſie ſich von ihrem Eingeweide, und ihrem
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Liſter am angef. Ort S. 13.
u. f. Whytt on vital motions S.
266. Eben dieſe Erſcheinung wird
auch am Raͤderthierchen bemerkt,
Baker Employment for the mi-
croſcope S. 280.
(z)
Ridley of the brain S. 163.
Porterfields am angef. Ort S.
214. 215. 216. Bond of the nigth-
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 921. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/977>, abgerufen am 23.11.2024.
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