den. Diese Erklärung ist auch von Archibald Pit- cairn(f) und Johann Freind angenommen worden (g).
Die Zergliederungskunst zeiget hier abermals, daß dieses nicht richtig sey. Denn es haben einige zum Le- ben gehörige Muskeln gewisse Lasten, oder ihnen entge- gen gesezte Schnellkräfte zu heben und zu überwältigen, wie zum Exempel das Herz, oder die Jntercostalmuskeln, woferne diese zum Leben mit gehören: andere haben al- lerdings eigentliche gegenwirkende Muskeln bekommen, wie die ringförmige und gerade Fasern a[n] den Gedär- men. Es gibt aber auch unter denen zu den thierischen Verrichtungen gehörigen Muskeln einige, denen kein anderer Muskel Widerstand thut. Diejenigen, welche man Aufrichter der Mannsruthe nennt, und die gewiß unter der Herrschaft der Empfindung stehen, haben kei- nen erhebenden Gegenmuskel: es ist der Steigbügelmus- kel der einzige, der aber doch keinen allzu starken Geg- ner hat.
Auf eine andere Weise hat wiederum der vormals gelehrte J. Gottfried von Berger(h), da er in den Werkzeugen des Lebens schnekkenförmig gewundene und an einander hangende Fasern fand, dieselben mit Maschi- nen verglichen, darinnen viele mit Zähnen versehene Rä- der in einander greifen: er dachte aber hierbei nicht an die Muskeln, welche zum Athemholen, und vornämlich zum Zwerchfelle gehören, und an denen man nicht das mindeste wahrnimmt, welches vom gemeinen Baue de- rer dem Willen untergebenen Muskeln abwiche. Et- was subtiler war die Meinung des vortreflichen Russischen Leibarztes, Johann von Gorter(i), da er behauptete, daß sich in allen Fasern derer Gefässe (k), derer Eingewei-
de
(f)[Spaltenumbruch]De circulat. sangu. in anim. genit. & non genitis, S. 128. Edimburger Ausgabe.
(g)Histor. medic. ad Guiliel- [Spaltenumbruch]
mum de saliceto, S. 311. Pa- riser Ausgabe vom Jahr 1735.
(h)De natura humana, S. 305.
(i)In Exercit. de motu vitali.
(k)N. 60. 65. 66. 67. 73.
M m m 3
Urſachen des Herzſchlages.
den. Dieſe Erklaͤrung iſt auch von Archibald Pit- cairn(f) und Johann Freind angenommen worden (g).
Die Zergliederungskunſt zeiget hier abermals, daß dieſes nicht richtig ſey. Denn es haben einige zum Le- ben gehoͤrige Muskeln gewiſſe Laſten, oder ihnen entge- gen geſezte Schnellkraͤfte zu heben und zu uͤberwaͤltigen, wie zum Exempel das Herz, oder die Jntercoſtalmuskeln, woferne dieſe zum Leben mit gehoͤren: andere haben al- lerdings eigentliche gegenwirkende Muskeln bekommen, wie die ringfoͤrmige und gerade Faſern a[n] den Gedaͤr- men. Es gibt aber auch unter denen zu den thieriſchen Verrichtungen gehoͤrigen Muskeln einige, denen kein anderer Muskel Widerſtand thut. Diejenigen, welche man Aufrichter der Mannsruthe nennt, und die gewiß unter der Herrſchaft der Empfindung ſtehen, haben kei- nen erhebenden Gegenmuskel: es iſt der Steigbuͤgelmus- kel der einzige, der aber doch keinen allzu ſtarken Geg- ner hat.
Auf eine andere Weiſe hat wiederum der vormals gelehrte J. Gottfried von Berger(h), da er in den Werkzeugen des Lebens ſchnekkenfoͤrmig gewundene und an einander hangende Faſern fand, dieſelben mit Maſchi- nen verglichen, darinnen viele mit Zaͤhnen verſehene Raͤ- der in einander greifen: er dachte aber hierbei nicht an die Muskeln, welche zum Athemholen, und vornaͤmlich zum Zwerchfelle gehoͤren, und an denen man nicht das mindeſte wahrnimmt, welches vom gemeinen Baue de- rer dem Willen untergebenen Muskeln abwiche. Et- was ſubtiler war die Meinung des vortreflichen Ruſſiſchen Leibarztes, Johann von Gorter(i), da er behauptete, daß ſich in allen Faſern derer Gefaͤſſe (k), derer Eingewei-
de
(f)[Spaltenumbruch]De circulat. ſangu. in anim. genit. & non genitis, S. 128. Edimburger Ausgabe.
(g)Hiſtor. medic. ad Guiliel- [Spaltenumbruch]
mum de saliceto, S. 311. Pa- riſer Ausgabe vom Jahr 1735.
(h)De natura humana, S. 305.
(i)In Exercit. de motu vitali.
(k)N. 60. 65. 66. 67. 73.
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Urſachen des Herzſchlages.
den. Dieſe Erklaͤrung iſt auch von Archibald Pit-
cairn (f) und Johann Freind angenommen worden (g).
Die Zergliederungskunſt zeiget hier abermals, daß
dieſes nicht richtig ſey. Denn es haben einige zum Le-
ben gehoͤrige Muskeln gewiſſe Laſten, oder ihnen entge-
gen geſezte Schnellkraͤfte zu heben und zu uͤberwaͤltigen,
wie zum Exempel das Herz, oder die Jntercoſtalmuskeln,
woferne dieſe zum Leben mit gehoͤren: andere haben al-
lerdings eigentliche gegenwirkende Muskeln bekommen,
wie die ringfoͤrmige und gerade Faſern an den Gedaͤr-
men. Es gibt aber auch unter denen zu den thieriſchen
Verrichtungen gehoͤrigen Muskeln einige, denen kein
anderer Muskel Widerſtand thut. Diejenigen, welche
man Aufrichter der Mannsruthe nennt, und die gewiß
unter der Herrſchaft der Empfindung ſtehen, haben kei-
nen erhebenden Gegenmuskel: es iſt der Steigbuͤgelmus-
kel der einzige, der aber doch keinen allzu ſtarken Geg-
ner hat.
Auf eine andere Weiſe hat wiederum der vormals
gelehrte J. Gottfried von Berger (h), da er in den
Werkzeugen des Lebens ſchnekkenfoͤrmig gewundene und
an einander hangende Faſern fand, dieſelben mit Maſchi-
nen verglichen, darinnen viele mit Zaͤhnen verſehene Raͤ-
der in einander greifen: er dachte aber hierbei nicht an
die Muskeln, welche zum Athemholen, und vornaͤmlich
zum Zwerchfelle gehoͤren, und an denen man nicht das
mindeſte wahrnimmt, welches vom gemeinen Baue de-
rer dem Willen untergebenen Muskeln abwiche. Et-
was ſubtiler war die Meinung des vortreflichen Ruſſiſchen
Leibarztes, Johann von Gorter (i), da er behauptete,
daß ſich in allen Faſern derer Gefaͤſſe (k), derer Eingewei-
de
(f)
De circulat. ſangu. in anim.
genit. & non genitis, S. 128.
Edimburger Ausgabe.
(g) Hiſtor. medic. ad Guiliel-
mum de saliceto, S. 311. Pa-
riſer Ausgabe vom Jahr 1735.
(h) De natura humana, S. 305.
(i) In Exercit. de motu vitali.
(k) N. 60. 65. 66. 67. 73.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 917. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/973>, abgerufen am 23.11.2024.
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