Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Ursachen des Herzschlages.
vom Gehirne, und vom mittleren und untern Theile des
eyförmigen Mittelpunktes, von dem in die Queer lau-
fenden markichten Striche (tractus medullaris transver-
sus
), von denen am Trichter befindlichen Erhöhungen,
und endlich von den oliven-und piramidenförmigen Kör-
pern, seinen Ursprung bekäme. Da er aber indessen doch
ein Freund von den Sistemen war, so hatte er keine Lust,
die Theorie des Willisius zu verlassen, und sonderte
ausser diesen zum Leben erforderlichen Nerven noch ande-
re aus, die zu den willkührlichen Verrichtungen bestimmt
wären, und dazu rechnet er diejenigen, welche von der
obern Gegend des eyförmigen Mittelpunktes, und von
dem gedoppelten halbmondenförmigen Mittelpunkte her-
kämen.

Eben so wenig entfernte sich auch Ridley von der
Theorie seines Landsmannes, da er behauptete, daß die
Werkzeuge derer natürlichen Bewegungen, dergleichen
das Herz ist, ihre Nerven blos vom kleinen Gehirne er-
hielten (c), die willkührlichen Muskeln aber ihre Nerven
sowol vom grossen als kleinen Gehirne bekämen (d).

Es hat schon ehedem der ruhmwürdige Leibarzt, Jo-
hann Maria Lancisius, die Erscheinungen am Herzen,
welches die willkührlichen Muskeln an dauerhafter Be-
wegung übertrift, auch durch die Verschiedenheit, die
bei den Nerven statt fände, zu erklären gesucht. Er sez-
te gleichsam zwischen die Leibwache derer Bewegungen,
die dem Befehle des Willens untergeben wäre, die Ner-
venknoten: er stellte sich also vor, daß aus diesen Kno-
ten die Lebensgeister bald schneller, bald langsamer nach
ihren bestimmten Muskeln abgiengen, nachdem es
die Angelegenheiten der gebietenden Seele erforder-
ten (e). Gegen diese Meinung hat ohnlängst ein an-

derer
(c) [Spaltenumbruch] Am angef. Ort, S. 162.
(d) Am angef. S. 163.
(e) [Spaltenumbruch] De gangliis S. 410. neue
Ausgabe zu Rom.

Urſachen des Herzſchlages.
vom Gehirne, und vom mittleren und untern Theile des
eyfoͤrmigen Mittelpunktes, von dem in die Queer lau-
fenden markichten Striche (tractus medullaris transver-
ſus
), von denen am Trichter befindlichen Erhoͤhungen,
und endlich von den oliven-und piramidenfoͤrmigen Koͤr-
pern, ſeinen Urſprung bekaͤme. Da er aber indeſſen doch
ein Freund von den Siſtemen war, ſo hatte er keine Luſt,
die Theorie des Williſius zu verlaſſen, und ſonderte
auſſer dieſen zum Leben erforderlichen Nerven noch ande-
re aus, die zu den willkuͤhrlichen Verrichtungen beſtimmt
waͤren, und dazu rechnet er diejenigen, welche von der
obern Gegend des eyfoͤrmigen Mittelpunktes, und von
dem gedoppelten halbmondenfoͤrmigen Mittelpunkte her-
kaͤmen.

Eben ſo wenig entfernte ſich auch Ridley von der
Theorie ſeines Landsmannes, da er behauptete, daß die
Werkzeuge derer natuͤrlichen Bewegungen, dergleichen
das Herz iſt, ihre Nerven blos vom kleinen Gehirne er-
hielten (c), die willkuͤhrlichen Muskeln aber ihre Nerven
ſowol vom groſſen als kleinen Gehirne bekaͤmen (d).

Es hat ſchon ehedem der ruhmwuͤrdige Leibarzt, Jo-
hann Maria Lanciſius, die Erſcheinungen am Herzen,
welches die willkuͤhrlichen Muskeln an dauerhafter Be-
wegung uͤbertrift, auch durch die Verſchiedenheit, die
bei den Nerven ſtatt faͤnde, zu erklaͤren geſucht. Er ſez-
te gleichſam zwiſchen die Leibwache derer Bewegungen,
die dem Befehle des Willens untergeben waͤre, die Ner-
venknoten: er ſtellte ſich alſo vor, daß aus dieſen Kno-
ten die Lebensgeiſter bald ſchneller, bald langſamer nach
ihren beſtimmten Muskeln abgiengen, nachdem es
die Angelegenheiten der gebietenden Seele erforder-
ten (e). Gegen dieſe Meinung hat ohnlaͤngſt ein an-

derer
(c) [Spaltenumbruch] Am angef. Ort, S. 162.
(d) Am angef. S. 163.
(e) [Spaltenumbruch] De gangliis S. 410. neue
Ausgabe zu Rom.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0965" n="909"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ur&#x017F;achen des Herz&#x017F;chlages.</hi></fw><lb/>
vom Gehirne, und vom mittleren und untern Theile des<lb/>
eyfo&#x0364;rmigen Mittelpunktes, von dem in die Queer lau-<lb/>
fenden markichten Striche (<hi rendition="#aq">tractus medullaris transver-<lb/>
&#x017F;us</hi>), von denen am Trichter befindlichen Erho&#x0364;hungen,<lb/>
und endlich von den oliven-und piramidenfo&#x0364;rmigen Ko&#x0364;r-<lb/>
pern, &#x017F;einen Ur&#x017F;prung beka&#x0364;me. Da er aber inde&#x017F;&#x017F;en doch<lb/>
ein Freund von den Si&#x017F;temen war, &#x017F;o hatte er keine Lu&#x017F;t,<lb/>
die Theorie des <hi rendition="#fr">Willi&#x017F;ius</hi> zu verla&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;onderte<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;en zum Leben erforderlichen Nerven noch ande-<lb/>
re aus, die zu den willku&#x0364;hrlichen Verrichtungen be&#x017F;timmt<lb/>
wa&#x0364;ren, und dazu rechnet er diejenigen, welche von der<lb/>
obern Gegend des eyfo&#x0364;rmigen Mittelpunktes, und von<lb/>
dem gedoppelten halbmondenfo&#x0364;rmigen Mittelpunkte her-<lb/>
ka&#x0364;men.</p><lb/>
            <p>Eben &#x017F;o wenig entfernte &#x017F;ich auch <hi rendition="#fr">Ridley</hi> von der<lb/>
Theorie &#x017F;eines Landsmannes, da er behauptete, daß die<lb/>
Werkzeuge derer natu&#x0364;rlichen Bewegungen, dergleichen<lb/>
das Herz i&#x017F;t, ihre Nerven blos vom kleinen Gehirne er-<lb/>
hielten <note place="foot" n="(c)"><cb/>
Am angef. Ort, S. 162.</note>, die willku&#x0364;hrlichen Muskeln aber ihre Nerven<lb/>
&#x017F;owol vom gro&#x017F;&#x017F;en als kleinen Gehirne beka&#x0364;men <note place="foot" n="(d)">Am angef. S. 163.</note>.</p><lb/>
            <p>Es hat &#x017F;chon ehedem der ruhmwu&#x0364;rdige Leibarzt, Jo-<lb/>
hann Maria <hi rendition="#fr">Lanci&#x017F;ius,</hi> die Er&#x017F;cheinungen am Herzen,<lb/>
welches die willku&#x0364;hrlichen Muskeln an dauerhafter Be-<lb/>
wegung u&#x0364;bertrift, auch durch die Ver&#x017F;chiedenheit, die<lb/>
bei den Nerven &#x017F;tatt fa&#x0364;nde, zu erkla&#x0364;ren ge&#x017F;ucht. Er &#x017F;ez-<lb/>
te gleich&#x017F;am zwi&#x017F;chen die Leibwache derer Bewegungen,<lb/>
die dem Befehle des Willens untergeben wa&#x0364;re, die Ner-<lb/>
venknoten: er &#x017F;tellte &#x017F;ich al&#x017F;o vor, daß aus die&#x017F;en Kno-<lb/>
ten die Lebensgei&#x017F;ter bald &#x017F;chneller, bald lang&#x017F;amer nach<lb/>
ihren be&#x017F;timmten Muskeln abgiengen, nachdem es<lb/>
die Angelegenheiten der gebietenden Seele erforder-<lb/>
ten <note place="foot" n="(e)"><cb/><hi rendition="#aq">De gangliis</hi> S. 410. neue<lb/>
Ausgabe zu Rom.</note>. Gegen die&#x017F;e Meinung hat ohnla&#x0364;ng&#x017F;t ein an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">derer</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[909/0965] Urſachen des Herzſchlages. vom Gehirne, und vom mittleren und untern Theile des eyfoͤrmigen Mittelpunktes, von dem in die Queer lau- fenden markichten Striche (tractus medullaris transver- ſus), von denen am Trichter befindlichen Erhoͤhungen, und endlich von den oliven-und piramidenfoͤrmigen Koͤr- pern, ſeinen Urſprung bekaͤme. Da er aber indeſſen doch ein Freund von den Siſtemen war, ſo hatte er keine Luſt, die Theorie des Williſius zu verlaſſen, und ſonderte auſſer dieſen zum Leben erforderlichen Nerven noch ande- re aus, die zu den willkuͤhrlichen Verrichtungen beſtimmt waͤren, und dazu rechnet er diejenigen, welche von der obern Gegend des eyfoͤrmigen Mittelpunktes, und von dem gedoppelten halbmondenfoͤrmigen Mittelpunkte her- kaͤmen. Eben ſo wenig entfernte ſich auch Ridley von der Theorie ſeines Landsmannes, da er behauptete, daß die Werkzeuge derer natuͤrlichen Bewegungen, dergleichen das Herz iſt, ihre Nerven blos vom kleinen Gehirne er- hielten (c), die willkuͤhrlichen Muskeln aber ihre Nerven ſowol vom groſſen als kleinen Gehirne bekaͤmen (d). Es hat ſchon ehedem der ruhmwuͤrdige Leibarzt, Jo- hann Maria Lanciſius, die Erſcheinungen am Herzen, welches die willkuͤhrlichen Muskeln an dauerhafter Be- wegung uͤbertrift, auch durch die Verſchiedenheit, die bei den Nerven ſtatt faͤnde, zu erklaͤren geſucht. Er ſez- te gleichſam zwiſchen die Leibwache derer Bewegungen, die dem Befehle des Willens untergeben waͤre, die Ner- venknoten: er ſtellte ſich alſo vor, daß aus dieſen Kno- ten die Lebensgeiſter bald ſchneller, bald langſamer nach ihren beſtimmten Muskeln abgiengen, nachdem es die Angelegenheiten der gebietenden Seele erforder- ten (e). Gegen dieſe Meinung hat ohnlaͤngſt ein an- derer (c) Am angef. Ort, S. 162. (d) Am angef. S. 163. (e) De gangliis S. 410. neue Ausgabe zu Rom.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/965
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 909. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/965>, abgerufen am 23.11.2024.