Minuten und vierzig Secunden (y) fortgeschlagen. Der berühmte Johann Osterdyk Schacht hat gefunden, daß es sogar noch dreißig Minuten lang sich beweget (z). Eben dergleichen Beobachtungen sind auch vom Raben (a) und vom Hünchen (b) in Schriften angemerket. Selbst am Menschen, der doch unter allen Thieren am zärtlich- sten ist, sprang das Herz, welches man einem Verräther aus der Brust gerissen, und ins Feuer geworfen hatte, bei dem ersten Aufhüpfen auf anderthalb Zoll in die Hö- he, nachhero aber immer niedriger, und doch behielt es acht Minuten lang beständig einige Bewegung, wie sol- ches der berühmte Franz Bacon(c) selbst mit angese- hen hat.
Endlich ist die Reizbarkeit so genau mit der Natur des Herzens verbunden, daß sich auch die einzelne Thei- le von diesem Muskel, wenn man ihn zerschneidet, beson- ders bewegen, und sich wechselsweise zusammenziehen und erweitern. Vom Aaale (d) bezeugen es sehr viele Schrift- steller (e), ingleichen auch vom Krampffische (f), der Kazze (g), und von andern Thieren, und ich selbst habe es an dem Warzenmuskel der rechten Herzkammer, und an andern Theilen des Herzens beobachtet.
Es erhellet aus diesen Erscheinungen abermal, daß das Herz seine natürliche abwechselnde Bewegung, die aus der Zusammenziehung und Erweiterung zusammen- gesezt ist, noch übrig behalte, wenn gleich die Lebensgei- ster aus dem Gehirne nicht mehr frei nach dem Herzen kommen können, und wenn keine Empsindung mehr im Herzen zu vermuthen ist; dazu kommt noch, daß bei de-
nen-
(y)[Spaltenumbruch]Lettera II. esper. 16.
(z)Diss. de motu muscul. S. 54.
(a)PeyerObs. S. 47.
(b)Whytt S. 352.
(c)Histor. vitae & mort. S. 390.
(d)Harvey S. 27. 41. Lower S. 46. WaläusEpist. I. S. 403. [Spaltenumbruch]DrelincourtCanicid. S. 7. Ba- gliviusde fibra motr. S. 7.
(e)Harvey S. 41. Morland on the force of the heart. S. 67.
(f)LorenziniCrampsish S. 58.
(g)TosettiLetter. II. esper. 22.
Viertes Buch. Das Herz.
Minuten und vierzig Secunden (y) fortgeſchlagen. Der beruͤhmte Johann Oſterdyk Schacht hat gefunden, daß es ſogar noch dreißig Minuten lang ſich beweget (z). Eben dergleichen Beobachtungen ſind auch vom Raben (a) und vom Huͤnchen (b) in Schriften angemerket. Selbſt am Menſchen, der doch unter allen Thieren am zaͤrtlich- ſten iſt, ſprang das Herz, welches man einem Verraͤther aus der Bruſt geriſſen, und ins Feuer geworfen hatte, bei dem erſten Aufhuͤpfen auf anderthalb Zoll in die Hoͤ- he, nachhero aber immer niedriger, und doch behielt es acht Minuten lang beſtaͤndig einige Bewegung, wie ſol- ches der beruͤhmte Franz Bacon(c) ſelbſt mit angeſe- hen hat.
Endlich iſt die Reizbarkeit ſo genau mit der Natur des Herzens verbunden, daß ſich auch die einzelne Thei- le von dieſem Muskel, wenn man ihn zerſchneidet, beſon- ders bewegen, und ſich wechſelsweiſe zuſammenziehen und erweitern. Vom Aaale (d) bezeugen es ſehr viele Schrift- ſteller (e), ingleichen auch vom Krampffiſche (f), der Kazze (g), und von andern Thieren, und ich ſelbſt habe es an dem Warzenmuskel der rechten Herzkammer, und an andern Theilen des Herzens beobachtet.
Es erhellet aus dieſen Erſcheinungen abermal, daß das Herz ſeine natuͤrliche abwechſelnde Bewegung, die aus der Zuſammenziehung und Erweiterung zuſammen- geſezt iſt, noch uͤbrig behalte, wenn gleich die Lebensgei- ſter aus dem Gehirne nicht mehr frei nach dem Herzen kommen koͤnnen, und wenn keine Empſindung mehr im Herzen zu vermuthen iſt; dazu kommt noch, daß bei de-
nen-
(y)[Spaltenumbruch]Lettera II. eſper. 16.
(z)Diſſ. de motu muſcul. S. 54.
(a)PeyerObſ. S. 47.
(b)Whytt S. 352.
(c)Hiſtor. vitae & mort. S. 390.
(d)Harvey S. 27. 41. Lower S. 46. WaläusEpiſt. I. S. 403. [Spaltenumbruch]DrelincourtCanicid. S. 7. Ba- gliviusde fibra motr. S. 7.
(e)Harvey S. 41. Morland on the force of the heart. S. 67.
(f)LorenziniCrampſish S. 58.
(g)ToſettiLetter. II. eſper. 22.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0958"n="902"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
Minuten und vierzig Secunden <noteplace="foot"n="(y)"><cb/><hirendition="#aq">Lettera II. eſper.</hi> 16.</note> fortgeſchlagen. Der<lb/>
beruͤhmte Johann Oſterdyk <hirendition="#fr">Schacht</hi> hat gefunden, daß<lb/>
es ſogar noch dreißig Minuten lang ſich beweget <noteplace="foot"n="(z)"><hirendition="#aq">Diſſ. de motu muſcul.</hi> S. 54.</note>.<lb/>
Eben dergleichen Beobachtungen ſind auch vom Raben <noteplace="foot"n="(a)"><hirendition="#fr">Peyer</hi><hirendition="#aq">Obſ.</hi> S. 47.</note><lb/>
und vom Huͤnchen <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#fr">Whytt</hi> S. 352.</note> in Schriften angemerket. Selbſt<lb/>
am Menſchen, der doch unter allen Thieren am zaͤrtlich-<lb/>ſten iſt, ſprang das Herz, welches man einem Verraͤther<lb/>
aus der Bruſt geriſſen, und ins Feuer geworfen hatte,<lb/>
bei dem erſten Aufhuͤpfen auf anderthalb Zoll in die Hoͤ-<lb/>
he, nachhero aber immer niedriger, und doch behielt es<lb/>
acht Minuten lang beſtaͤndig einige Bewegung, wie ſol-<lb/>
ches der beruͤhmte Franz <hirendition="#fr">Bacon</hi><noteplace="foot"n="(c)"><hirendition="#aq">Hiſtor. vitae & mort.</hi> S. 390.</note>ſelbſt mit angeſe-<lb/>
hen hat.</p><lb/><p>Endlich iſt die Reizbarkeit ſo genau mit der Natur<lb/>
des Herzens verbunden, daß ſich auch die einzelne Thei-<lb/>
le von dieſem Muskel, wenn man ihn zerſchneidet, beſon-<lb/>
ders bewegen, und ſich wechſelsweiſe zuſammenziehen und<lb/>
erweitern. Vom Aaale <noteplace="foot"n="(d)"><hirendition="#fr">Harvey</hi> S. 27. 41. <hirendition="#fr">Lower</hi><lb/>
S. 46. <hirendition="#fr">Waläus</hi><hirendition="#aq">Epiſt. I.</hi> S. 403.<lb/><cb/><hirendition="#fr">Drelincourt</hi><hirendition="#aq">Canicid.</hi> S. 7. <hirendition="#fr">Ba-<lb/>
glivius</hi><hirendition="#aq">de fibra motr.</hi> S. 7.</note> bezeugen es ſehr viele Schrift-<lb/>ſteller <noteplace="foot"n="(e)"><hirendition="#fr">Harvey</hi> S. 41. <hirendition="#fr">Morland</hi><lb/><hirendition="#aq">on the force of the heart.</hi> S. 67.</note>, ingleichen auch vom Krampffiſche <noteplace="foot"n="(f)"><hirendition="#fr">Lorenzini</hi><hirendition="#aq">Crampſish</hi> S. 58.</note>, der<lb/>
Kazze <noteplace="foot"n="(g)"><hirendition="#fr">Toſetti</hi><hirendition="#aq">Letter. II. eſper.</hi> 22.</note>, und von andern Thieren, und ich ſelbſt habe es<lb/>
an dem Warzenmuskel der rechten Herzkammer, und an<lb/>
andern Theilen des Herzens beobachtet.</p><lb/><p>Es erhellet aus dieſen Erſcheinungen abermal, daß<lb/>
das Herz ſeine natuͤrliche abwechſelnde Bewegung, die<lb/>
aus der Zuſammenziehung und Erweiterung zuſammen-<lb/>
geſezt iſt, noch uͤbrig behalte, wenn gleich die Lebensgei-<lb/>ſter aus dem Gehirne nicht mehr frei nach dem Herzen<lb/>
kommen koͤnnen, und wenn keine Empſindung mehr im<lb/>
Herzen zu vermuthen iſt; dazu kommt noch, daß bei de-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nen-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[902/0958]
Viertes Buch. Das Herz.
Minuten und vierzig Secunden (y) fortgeſchlagen. Der
beruͤhmte Johann Oſterdyk Schacht hat gefunden, daß
es ſogar noch dreißig Minuten lang ſich beweget (z).
Eben dergleichen Beobachtungen ſind auch vom Raben (a)
und vom Huͤnchen (b) in Schriften angemerket. Selbſt
am Menſchen, der doch unter allen Thieren am zaͤrtlich-
ſten iſt, ſprang das Herz, welches man einem Verraͤther
aus der Bruſt geriſſen, und ins Feuer geworfen hatte,
bei dem erſten Aufhuͤpfen auf anderthalb Zoll in die Hoͤ-
he, nachhero aber immer niedriger, und doch behielt es
acht Minuten lang beſtaͤndig einige Bewegung, wie ſol-
ches der beruͤhmte Franz Bacon (c) ſelbſt mit angeſe-
hen hat.
Endlich iſt die Reizbarkeit ſo genau mit der Natur
des Herzens verbunden, daß ſich auch die einzelne Thei-
le von dieſem Muskel, wenn man ihn zerſchneidet, beſon-
ders bewegen, und ſich wechſelsweiſe zuſammenziehen und
erweitern. Vom Aaale (d) bezeugen es ſehr viele Schrift-
ſteller (e), ingleichen auch vom Krampffiſche (f), der
Kazze (g), und von andern Thieren, und ich ſelbſt habe es
an dem Warzenmuskel der rechten Herzkammer, und an
andern Theilen des Herzens beobachtet.
Es erhellet aus dieſen Erſcheinungen abermal, daß
das Herz ſeine natuͤrliche abwechſelnde Bewegung, die
aus der Zuſammenziehung und Erweiterung zuſammen-
geſezt iſt, noch uͤbrig behalte, wenn gleich die Lebensgei-
ſter aus dem Gehirne nicht mehr frei nach dem Herzen
kommen koͤnnen, und wenn keine Empſindung mehr im
Herzen zu vermuthen iſt; dazu kommt noch, daß bei de-
nen-
(y)
Lettera II. eſper. 16.
(z) Diſſ. de motu muſcul. S. 54.
(a) Peyer Obſ. S. 47.
(b) Whytt S. 352.
(c) Hiſtor. vitae & mort. S. 390.
(d) Harvey S. 27. 41. Lower
S. 46. Waläus Epiſt. I. S. 403.
Drelincourt Canicid. S. 7. Ba-
glivius de fibra motr. S. 7.
(e) Harvey S. 41. Morland
on the force of the heart. S. 67.
(f) Lorenzini Crampſish S. 58.
(g) Toſetti Letter. II. eſper. 22.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 902. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/958>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.