das Blut, wenn es aus einer Höhe von 11 Zoll und ei- nem halben herabfällt, eben die Schnelligkeit erlange, mit der es aus dem Herzen herausgetrieben wird. Eben diese Höhe, wenn sie doppelt genommen wird, gibt die Länge von einem Cilinder, dessen Grundfläche die Aor- tenmündung, und dessen Gewicht die Kraft des Herzens ist, die in einem Hunde gewiß nicht grösser ist, als vier Drittheile von einer Unze, und folglich an einem Men- schen auf acht Unzen, in gehöriger Vergleichung mit ei- nem kleineren Thiere, geschäzzet werden kann.
Dieses sind also Keils Verhältnisse. Was nun die leztere Rechnung betrift, so giebt er das rechte Maaß von dem Sprung des Blutes nicht an. Denn es wird das Blut aus der Bekkenschlagader nicht so schnell herausge- trieben, als aus dem Herzen: und es erweisen sowol mei- ne, als andrer ihre Versuche, daß der Sprung sehr viel grösser, und folglich auch die Kraft des Blutes selbst viel ansehnlicher sey. George Martine schäzte den Blut- stral bei einem Hunde, in der Anwendung auf den Men- schen, auf zehn Fuß (q). Jch habe dagegen gesehen, daß aus dem kleinen Ast, der von der Schlagader derer Brü- ste, bei einem kleinen Hunde, nach denen Ribbenmuskeln hingehet, das Blut bald drei Fuß und vier Zolle (r), bald sechs Fuß und sechs Zoll weit herausgesprungen (s). Es scheinet also, daß in vielen Fällen der Schuß des Blutes bei dem Menschen grösser müsse angenommen werden, als es Keil gethan hat (t), der denselben an einer grossen Schlagader kleiner angenommen (u).
Gegen die erstere Berechnung läst sich ebenfalls vie- les mit Grunde erinnern. Jurin (u) behauptet, daß
die
(q)[Spaltenumbruch]De animalib. similib. S. 35.
(r)Second Memoire sur le mou- vem. du sang, Exp. 43.
(s) Ebendas. Exp. 42.
(t) Auch G. Cheselden hat nicht recht gesehen, wenn er sagt, daß [Spaltenumbruch]
das Blut aus der Aorte eines Hun- des nicht einmal einen Fuß weit gesprungen sey, am angef. Ort, S. 197.
(u)Diss. physico-mathem. S. 60.
Die Bewegung des Herzens.
das Blut, wenn es aus einer Hoͤhe von 11 Zoll und ei- nem halben herabfaͤllt, eben die Schnelligkeit erlange, mit der es aus dem Herzen herausgetrieben wird. Eben dieſe Hoͤhe, wenn ſie doppelt genommen wird, gibt die Laͤnge von einem Cilinder, deſſen Grundflaͤche die Aor- tenmuͤndung, und deſſen Gewicht die Kraft des Herzens iſt, die in einem Hunde gewiß nicht groͤſſer iſt, als vier Drittheile von einer Unze, und folglich an einem Men- ſchen auf acht Unzen, in gehoͤriger Vergleichung mit ei- nem kleineren Thiere, geſchaͤzzet werden kann.
Dieſes ſind alſo Keils Verhaͤltniſſe. Was nun die leztere Rechnung betrift, ſo giebt er das rechte Maaß von dem Sprung des Blutes nicht an. Denn es wird das Blut aus der Bekkenſchlagader nicht ſo ſchnell herausge- trieben, als aus dem Herzen: und es erweiſen ſowol mei- ne, als andrer ihre Verſuche, daß der Sprung ſehr viel groͤſſer, und folglich auch die Kraft des Blutes ſelbſt viel anſehnlicher ſey. George Martine ſchaͤzte den Blut- ſtral bei einem Hunde, in der Anwendung auf den Men- ſchen, auf zehn Fuß (q). Jch habe dagegen geſehen, daß aus dem kleinen Aſt, der von der Schlagader derer Bruͤ- ſte, bei einem kleinen Hunde, nach denen Ribbenmuskeln hingehet, das Blut bald drei Fuß und vier Zolle (r), bald ſechs Fuß und ſechs Zoll weit herausgeſprungen (s). Es ſcheinet alſo, daß in vielen Faͤllen der Schuß des Blutes bei dem Menſchen groͤſſer muͤſſe angenommen werden, als es Keil gethan hat (t), der denſelben an einer groſſen Schlagader kleiner angenommen (u).
Gegen die erſtere Berechnung laͤſt ſich ebenfalls vie- les mit Grunde erinnern. Jurin (u) behauptet, daß
die
(q)[Spaltenumbruch]De animalib. ſimilib. S. 35.
(r)Second Memoire ſur le mou- vem. du ſang, Exp. 43.
(s) Ebendaſ. Exp. 42.
(t) Auch G. Cheſelden hat nicht recht geſehen, wenn er ſagt, daß [Spaltenumbruch]
das Blut aus der Aorte eines Hun- des nicht einmal einen Fuß weit geſprungen ſey, am angef. Ort, S. 197.
(u)Diſſ. phyſico-mathem. S. 60.
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nem halben herabfaͤllt, eben die Schnelligkeit erlange,
mit der es aus dem Herzen herausgetrieben wird. Eben
dieſe Hoͤhe, wenn ſie doppelt genommen wird, gibt die
Laͤnge von einem Cilinder, deſſen Grundflaͤche die Aor-
tenmuͤndung, und deſſen Gewicht die Kraft des Herzens
iſt, die in einem Hunde gewiß nicht groͤſſer iſt, als vier
Drittheile von einer Unze, und folglich an einem Men-
ſchen auf acht Unzen, in gehoͤriger Vergleichung mit ei-
nem kleineren Thiere, geſchaͤzzet werden kann.
Dieſes ſind alſo Keils Verhaͤltniſſe. Was nun die
leztere Rechnung betrift, ſo giebt er das rechte Maaß von
dem Sprung des Blutes nicht an. Denn es wird das
Blut aus der Bekkenſchlagader nicht ſo ſchnell herausge-
trieben, als aus dem Herzen: und es erweiſen ſowol mei-
ne, als andrer ihre Verſuche, daß der Sprung ſehr viel
groͤſſer, und folglich auch die Kraft des Blutes ſelbſt viel
anſehnlicher ſey. George Martine ſchaͤzte den Blut-
ſtral bei einem Hunde, in der Anwendung auf den Men-
ſchen, auf zehn Fuß (q). Jch habe dagegen geſehen, daß
aus dem kleinen Aſt, der von der Schlagader derer Bruͤ-
ſte, bei einem kleinen Hunde, nach denen Ribbenmuskeln
hingehet, das Blut bald drei Fuß und vier Zolle (r),
bald ſechs Fuß und ſechs Zoll weit herausgeſprungen (s).
Es ſcheinet alſo, daß in vielen Faͤllen der Schuß des
Blutes bei dem Menſchen groͤſſer muͤſſe angenommen
werden, als es Keil gethan hat (t), der denſelben an
einer groſſen Schlagader kleiner angenommen (u).
Gegen die erſtere Berechnung laͤſt ſich ebenfalls vie-
les mit Grunde erinnern. Jurin (u) behauptet, daß
die
(q)
De animalib. ſimilib. S. 35.
(r) Second Memoire ſur le mou-
vem. du ſang, Exp. 43.
(s) Ebendaſ. Exp. 42.
(t) Auch G. Cheſelden hat nicht
recht geſehen, wenn er ſagt, daß
das Blut aus der Aorte eines Hun-
des nicht einmal einen Fuß weit
geſprungen ſey, am angef. Ort,
S. 197.
(u) Diſſ. phyſico-mathem. S. 60.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 861. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/917>, abgerufen am 23.11.2024.
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