Um mich aber hierinnen kurz zu fassen, so hat gedach- ter Gelehrte bei seiner Berechnung etwas zum Grunde geleget, das offenbar falsch ist. Er hat nämlich ange- nommen, daß die Kräfte der Muskeln, wenn sie gegen einander verglichen würden, in eben dem Verhältniß stün- den, darinnen sich ihre Schwere befände. Es können aber in der That an verschiedenen Muskeln die Theile der Fasern von verschiedener Grösse seyn, und ein Muskel mehr wirkliches Fleisch als der andere, hingegen aber weniger an Sehnen, Fett oder Gefässen haben, welche Nebenstükke des Muskels in der That zu seiner zusam- menziehenden Kraft nichts beitragen, und indessen den- noch das Gewichte vergrössern helfen. Jn so fern aber hat gleichwol dieser berühmte Mann recht, wenn er for- dert, daß man ihm die höchsten Kräfte angeben solle, die nur irgend ein Muskel in seiner Gewalt hat, weil die reizbare Natur des Herzens derer meisten, oder gar aller übrigen Muskeln ihre Reizbarkeit übertrift. Daß aber verschiedene Muskeln auch gleichsam einen verschiedenen Grad von Empfindlichkeit haben können, das erhellet daher offenbar, weil einige vom Lichte, andre von der Luft, etliche vom Wasser, und endlich noch andre erstlich von stärkern reizenden Ursachen zur Bewegung ermuntert werden. Uebrigens hat auch Borellus(d) sein Abse- hen auf den Widerstand gerichtet, welcher dem Geschäf- te des Herzens hinderlich ist, und nimmt diesen sechzig- mal vergrösserten Widerstand für das Maaß der Kräfte des Herzens an. Man kann inzwischen nachsehen, was Jurin(e), und andere (f), ingleichen Carl Malouin(g)
wider
(d)[Spaltenumbruch]
Siehe den Borellus am an- gef. Ort, Prop. 71. 72. 73.
(e)Physico-mathemat. Dissert. S. 67.
(f)LeyserPrim. lin. nov. Sy- stem. med. n. 7. I. Godfr. de hahn de aeris inspirati effectu, S. 84.
(g)[Spaltenumbruch]Traite des corps solides & fluides, ou l'on examine le mou- vement du coeur. Er wirft ihm vor, daß dasjenige unter die Wi- derstände gesezzet werde, was er in der That unter die Kräfte hätte rechnen sollen, S. 57.
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Die Bewegung des Herzens.
Um mich aber hierinnen kurz zu faſſen, ſo hat gedach- ter Gelehrte bei ſeiner Berechnung etwas zum Grunde geleget, das offenbar falſch iſt. Er hat naͤmlich ange- nommen, daß die Kraͤfte der Muskeln, wenn ſie gegen einander verglichen wuͤrden, in eben dem Verhaͤltniß ſtuͤn- den, darinnen ſich ihre Schwere befaͤnde. Es koͤnnen aber in der That an verſchiedenen Muskeln die Theile der Faſern von verſchiedener Groͤſſe ſeyn, und ein Muskel mehr wirkliches Fleiſch als der andere, hingegen aber weniger an Sehnen, Fett oder Gefaͤſſen haben, welche Nebenſtuͤkke des Muskels in der That zu ſeiner zuſam- menziehenden Kraft nichts beitragen, und indeſſen den- noch das Gewichte vergroͤſſern helfen. Jn ſo fern aber hat gleichwol dieſer beruͤhmte Mann recht, wenn er for- dert, daß man ihm die hoͤchſten Kraͤfte angeben ſolle, die nur irgend ein Muskel in ſeiner Gewalt hat, weil die reizbare Natur des Herzens derer meiſten, oder gar aller uͤbrigen Muskeln ihre Reizbarkeit uͤbertrift. Daß aber verſchiedene Muskeln auch gleichſam einen verſchiedenen Grad von Empfindlichkeit haben koͤnnen, das erhellet daher offenbar, weil einige vom Lichte, andre von der Luft, etliche vom Waſſer, und endlich noch andre erſtlich von ſtaͤrkern reizenden Urſachen zur Bewegung ermuntert werden. Uebrigens hat auch Borellus(d) ſein Abſe- hen auf den Widerſtand gerichtet, welcher dem Geſchaͤf- te des Herzens hinderlich iſt, und nimmt dieſen ſechzig- mal vergroͤſſerten Widerſtand fuͤr das Maaß der Kraͤfte des Herzens an. Man kann inzwiſchen nachſehen, was Jurin(e), und andere (f), ingleichen Carl Malouin(g)
wider
(d)[Spaltenumbruch]
Siehe den Borellus am an- gef. Ort, Prop. 71. 72. 73.
(e)Phyſico-mathemat. Diſſert. S. 67.
(f)LeyſerPrim. lin. nov. Sy- ſtem. med. n. 7. I. Godfr. de hahn de aëris inſpirati effectu, S. 84.
(g)[Spaltenumbruch]Traité des corps ſolides & fluides, ou l’on examine le mou- vement du coeur. Er wirft ihm vor, daß dasjenige unter die Wi- derſtaͤnde geſezzet werde, was er in der That unter die Kraͤfte haͤtte rechnen ſollen, S. 57.
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Die Bewegung des Herzens.
Um mich aber hierinnen kurz zu faſſen, ſo hat gedach-
ter Gelehrte bei ſeiner Berechnung etwas zum Grunde
geleget, das offenbar falſch iſt. Er hat naͤmlich ange-
nommen, daß die Kraͤfte der Muskeln, wenn ſie gegen
einander verglichen wuͤrden, in eben dem Verhaͤltniß ſtuͤn-
den, darinnen ſich ihre Schwere befaͤnde. Es koͤnnen
aber in der That an verſchiedenen Muskeln die Theile der
Faſern von verſchiedener Groͤſſe ſeyn, und ein Muskel
mehr wirkliches Fleiſch als der andere, hingegen aber
weniger an Sehnen, Fett oder Gefaͤſſen haben, welche
Nebenſtuͤkke des Muskels in der That zu ſeiner zuſam-
menziehenden Kraft nichts beitragen, und indeſſen den-
noch das Gewichte vergroͤſſern helfen. Jn ſo fern aber
hat gleichwol dieſer beruͤhmte Mann recht, wenn er for-
dert, daß man ihm die hoͤchſten Kraͤfte angeben ſolle, die
nur irgend ein Muskel in ſeiner Gewalt hat, weil die
reizbare Natur des Herzens derer meiſten, oder gar aller
uͤbrigen Muskeln ihre Reizbarkeit uͤbertrift. Daß aber
verſchiedene Muskeln auch gleichſam einen verſchiedenen
Grad von Empfindlichkeit haben koͤnnen, das erhellet
daher offenbar, weil einige vom Lichte, andre von der
Luft, etliche vom Waſſer, und endlich noch andre erſtlich
von ſtaͤrkern reizenden Urſachen zur Bewegung ermuntert
werden. Uebrigens hat auch Borellus (d) ſein Abſe-
hen auf den Widerſtand gerichtet, welcher dem Geſchaͤf-
te des Herzens hinderlich iſt, und nimmt dieſen ſechzig-
mal vergroͤſſerten Widerſtand fuͤr das Maaß der Kraͤfte
des Herzens an. Man kann inzwiſchen nachſehen, was
Jurin (e), und andere (f), ingleichen Carl Malouin (g)
wider
(d)
Siehe den Borellus am an-
gef. Ort, Prop. 71. 72. 73.
(e) Phyſico-mathemat. Diſſert.
S. 67.
(f) Leyſer Prim. lin. nov. Sy-
ſtem. med. n. 7. I. Godfr. de hahn
de aëris inſpirati effectu, S. 84.
(g)
Traité des corps ſolides &
fluides, ou l’on examine le mou-
vement du coeur. Er wirft ihm
vor, daß dasjenige unter die Wi-
derſtaͤnde geſezzet werde, was er in
der That unter die Kraͤfte haͤtte
rechnen ſollen, S. 57.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 857. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/913>, abgerufen am 23.11.2024.
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