Endlich zeigen auch meine Versuche ganz deutlich, daß die haarförmige (c) Spalte des kleinsten Schlagäderchen, oder Blutäderchen, die noch enger ist, als die Dikke eines rothen Blutkügelchen, gar nicht verändert noch auch von einer zusammenziehenden Kraft ihrer Lefzen erweitert wer- de. Nun hätte aber auch die allerschwächste zusammen- ziehende Kraft eines gespaltenen Gefässes diese Spalte ganz deutlich vergrössern müssen, und man würde diese Veränderung durch Beihülfe eines Vergrösserungsgla- ses wahrgenommen haben, wenn sie auch gleich viel klei- ner, als ein Blutkügelchen, gewesen wäre. Das Schla- gen und das Zusammenfallen einer erweiterten Schlag- ader ist schon ohne ein Vergrösserungsglaß an einem sol- chen kleinen Gefäschen, dessen Breite nur den sechsten Theil einer Linie beträgt, ganz deutlich zu sehen. Hin- gegen erscheinet die vorgemeldete Spalte, wenn man ein Vergrösserungsglaß zu Hülfe nimmt, viel grösser, als der- gleichen Gefäschen.
Ferner scheinet auch die Unbeweglichkeit derer grossen oder kleinen Gefässe, welche auch bei den schärfsten Rei- zen (d) durch unsere Versuche bestätiget ist, nicht zuzulas- sen, daß die gelinde Reizung, welche das angetriebene Blut erreget, die Schlagadern zur Bewegung veranlas- sen könne, da die Luft, das Wasser, der höchst rectificirte Weingeist, und die chimische Gifte nichts dergleichen zu- wegebringen.
Die Entzündungen, welche dieser berühmte Mann anführt, scheinen seiner Meinung nicht zu statten zu kom- men. Gesezt, es erfolge bei dieser Krankheit eine abwech- selnde, aber schnellere und stärkere Zusammenziehung de- rer Schlagäderchen, so darf darum das Blut eben nicht in den kleinsten Gefässen zurükbehalten werden; wofern
die-
(c)Exp. 180. 200.
(d)Exp. sur les parties irritables &c. n. 277. 278. 283. u. f.
Viertes Buch. Das Herz.
Endlich zeigen auch meine Verſuche ganz deutlich, daß die haarfoͤrmige (c) Spalte des kleinſten Schlagaͤderchen, oder Blutaͤderchen, die noch enger iſt, als die Dikke eines rothen Blutkuͤgelchen, gar nicht veraͤndert noch auch von einer zuſammenziehenden Kraft ihrer Lefzen erweitert wer- de. Nun haͤtte aber auch die allerſchwaͤchſte zuſammen- ziehende Kraft eines geſpaltenen Gefaͤſſes dieſe Spalte ganz deutlich vergroͤſſern muͤſſen, und man wuͤrde dieſe Veraͤnderung durch Beihuͤlfe eines Vergroͤſſerungsgla- ſes wahrgenommen haben, wenn ſie auch gleich viel klei- ner, als ein Blutkuͤgelchen, geweſen waͤre. Das Schla- gen und das Zuſammenfallen einer erweiterten Schlag- ader iſt ſchon ohne ein Vergroͤſſerungsglaß an einem ſol- chen kleinen Gefaͤschen, deſſen Breite nur den ſechsten Theil einer Linie betraͤgt, ganz deutlich zu ſehen. Hin- gegen erſcheinet die vorgemeldete Spalte, wenn man ein Vergroͤſſerungsglaß zu Huͤlfe nimmt, viel groͤſſer, als der- gleichen Gefaͤschen.
Ferner ſcheinet auch die Unbeweglichkeit derer groſſen oder kleinen Gefaͤſſe, welche auch bei den ſchaͤrfſten Rei- zen (d) durch unſere Verſuche beſtaͤtiget iſt, nicht zuzulaſ- ſen, daß die gelinde Reizung, welche das angetriebene Blut erreget, die Schlagadern zur Bewegung veranlaſ- ſen koͤnne, da die Luft, das Waſſer, der hoͤchſt rectificirte Weingeiſt, und die chimiſche Gifte nichts dergleichen zu- wegebringen.
Die Entzuͤndungen, welche dieſer beruͤhmte Mann anfuͤhrt, ſcheinen ſeiner Meinung nicht zu ſtatten zu kom- men. Geſezt, es erfolge bei dieſer Krankheit eine abwech- ſelnde, aber ſchnellere und ſtaͤrkere Zuſammenziehung de- rer Schlagaͤderchen, ſo darf darum das Blut eben nicht in den kleinſten Gefaͤſſen zuruͤkbehalten werden; wofern
die-
(c)Exp. 180. 200.
(d)Exp. ſur les parties irritables &c. n. 277. 278. 283. u. f.
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[848/0904]
Viertes Buch. Das Herz.
Endlich zeigen auch meine Verſuche ganz deutlich, daß
die haarfoͤrmige (c) Spalte des kleinſten Schlagaͤderchen,
oder Blutaͤderchen, die noch enger iſt, als die Dikke eines
rothen Blutkuͤgelchen, gar nicht veraͤndert noch auch von
einer zuſammenziehenden Kraft ihrer Lefzen erweitert wer-
de. Nun haͤtte aber auch die allerſchwaͤchſte zuſammen-
ziehende Kraft eines geſpaltenen Gefaͤſſes dieſe Spalte
ganz deutlich vergroͤſſern muͤſſen, und man wuͤrde dieſe
Veraͤnderung durch Beihuͤlfe eines Vergroͤſſerungsgla-
ſes wahrgenommen haben, wenn ſie auch gleich viel klei-
ner, als ein Blutkuͤgelchen, geweſen waͤre. Das Schla-
gen und das Zuſammenfallen einer erweiterten Schlag-
ader iſt ſchon ohne ein Vergroͤſſerungsglaß an einem ſol-
chen kleinen Gefaͤschen, deſſen Breite nur den ſechsten
Theil einer Linie betraͤgt, ganz deutlich zu ſehen. Hin-
gegen erſcheinet die vorgemeldete Spalte, wenn man ein
Vergroͤſſerungsglaß zu Huͤlfe nimmt, viel groͤſſer, als der-
gleichen Gefaͤschen.
Ferner ſcheinet auch die Unbeweglichkeit derer groſſen
oder kleinen Gefaͤſſe, welche auch bei den ſchaͤrfſten Rei-
zen (d) durch unſere Verſuche beſtaͤtiget iſt, nicht zuzulaſ-
ſen, daß die gelinde Reizung, welche das angetriebene
Blut erreget, die Schlagadern zur Bewegung veranlaſ-
ſen koͤnne, da die Luft, das Waſſer, der hoͤchſt rectificirte
Weingeiſt, und die chimiſche Gifte nichts dergleichen zu-
wegebringen.
Die Entzuͤndungen, welche dieſer beruͤhmte Mann
anfuͤhrt, ſcheinen ſeiner Meinung nicht zu ſtatten zu kom-
men. Geſezt, es erfolge bei dieſer Krankheit eine abwech-
ſelnde, aber ſchnellere und ſtaͤrkere Zuſammenziehung de-
rer Schlagaͤderchen, ſo darf darum das Blut eben nicht
in den kleinſten Gefaͤſſen zuruͤkbehalten werden; wofern
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 848. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/904>, abgerufen am 23.11.2024.
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