Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Bewegung des Herzens.
der Aorte war verhärtet worden (d). Bei einem, der an
der Pest darnieder lag, zerriß das Herz von der Menge
des darinnen zusammengetriebenen Blutes (e). Der-
gleichen Erscheinungen, die wir aber lieber anderswo bei-
bringen wollen, eräugnen sich, so oft das Blut verhin-
dert wird, daß es keinen freien Durchgang durch die Lun-
ge erhalten kann.

Solchemnach dringet also das Blut mit Gewalt aus
der rechten Herzkammer in die Lungenschlagader, treibet
dieselbe heraus, entfernet sie von dem Herzen, und macht
sie länger; es öfnet sich zwischen den Sigmaförmigen
Klappen einen Weg; es treibet diese biegsame zarte Mem-
branen mit seinem Drukke, welcher von der Achse allent-
halben senkrecht auf den Umfang der Schlagader herab-
gehet, an die Wände der Schlagader an, es leeret ihre
Seegelförmigen Hölen dergestalt aus, daß, ausser ihrer
ganz geringen Dikke, nichts weiter übrig bleibt, das der
Mündung der Schlagader nur einiger massen im Wege
stünde; diese ganz kleine Dikke aber nehmen die Sinus
der Schlagader auf (f), daß solchergestalt auch noch die-
se schwache Hinderniß völlig verschwindet. Warum aber
eigentlich bald darauf das Blut, aus der zusammengezo-
genen Schlagader, nicht in das Herz wieder zurükkegetrie-
ben werde, davon wird viel bequemer in der gleichmäßi-
gen Geschichte der Aorte können gehandelt werden.

Wenn nun auf diese Weise die rechte Herzkammer das
Blut zum Theil in ihr Ohr, zum Theil in die Lungen-
schlagader getrieben hat, so wird sie davon leer, oder doch
beinahe ausgeleert, ihre Spannung lässet nach, und sie
gelanget in den Zustand der Erweiterung. Und so ha-
ben wir nunmehr an den kalten Thieren den ganzen Um-
lauf des Blutes hinlänglich beschrieben, nämlich sowol

den
(d) Breslauer Sammlungen 1723. Mon. May, S. 560.
(e) qvesney des fievres T. II. S. 448.
(f) Jm 4ten Buch, 3ten Abschn. §. 6.
C c c 4

Die Bewegung des Herzens.
der Aorte war verhaͤrtet worden (d). Bei einem, der an
der Peſt darnieder lag, zerriß das Herz von der Menge
des darinnen zuſammengetriebenen Blutes (e). Der-
gleichen Erſcheinungen, die wir aber lieber anderswo bei-
bringen wollen, eraͤugnen ſich, ſo oft das Blut verhin-
dert wird, daß es keinen freien Durchgang durch die Lun-
ge erhalten kann.

Solchemnach dringet alſo das Blut mit Gewalt aus
der rechten Herzkammer in die Lungenſchlagader, treibet
dieſelbe heraus, entfernet ſie von dem Herzen, und macht
ſie laͤnger; es oͤfnet ſich zwiſchen den Sigmafoͤrmigen
Klappen einen Weg; es treibet dieſe biegſame zarte Mem-
branen mit ſeinem Drukke, welcher von der Achſe allent-
halben ſenkrecht auf den Umfang der Schlagader herab-
gehet, an die Waͤnde der Schlagader an, es leeret ihre
Seegelfoͤrmigen Hoͤlen dergeſtalt aus, daß, auſſer ihrer
ganz geringen Dikke, nichts weiter uͤbrig bleibt, das der
Muͤndung der Schlagader nur einiger maſſen im Wege
ſtuͤnde; dieſe ganz kleine Dikke aber nehmen die Sinus
der Schlagader auf (f), daß ſolchergeſtalt auch noch die-
ſe ſchwache Hinderniß voͤllig verſchwindet. Warum aber
eigentlich bald darauf das Blut, aus der zuſammengezo-
genen Schlagader, nicht in das Herz wieder zuruͤkkegetrie-
ben werde, davon wird viel bequemer in der gleichmaͤßi-
gen Geſchichte der Aorte koͤnnen gehandelt werden.

Wenn nun auf dieſe Weiſe die rechte Herzkammer das
Blut zum Theil in ihr Ohr, zum Theil in die Lungen-
ſchlagader getrieben hat, ſo wird ſie davon leer, oder doch
beinahe ausgeleert, ihre Spannung laͤſſet nach, und ſie
gelanget in den Zuſtand der Erweiterung. Und ſo ha-
ben wir nunmehr an den kalten Thieren den ganzen Um-
lauf des Blutes hinlaͤnglich beſchrieben, naͤmlich ſowol

den
(d) Breslauer Sammlungen 1723. Mon. May, S. 560.
(e) qvesney des fievres T. II. S. 448.
(f) Jm 4ten Buch, 3ten Abſchn. §. 6.
C c c 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0831" n="775"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Bewegung des Herzens.</hi></fw><lb/>
der Aorte war verha&#x0364;rtet worden <note place="foot" n="(d)">Breslauer Sammlungen 1723. Mon. May, S. 560.</note>. Bei einem, der an<lb/>
der Pe&#x017F;t darnieder lag, zerriß das Herz von der Menge<lb/>
des darinnen zu&#x017F;ammengetriebenen Blutes <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">qvesney</hi> des fievres T. II.</hi> S. 448.</note>. Der-<lb/>
gleichen Er&#x017F;cheinungen, die wir aber lieber anderswo bei-<lb/>
bringen wollen, era&#x0364;ugnen &#x017F;ich, &#x017F;o oft das Blut verhin-<lb/>
dert wird, daß es keinen freien Durchgang durch die Lun-<lb/>
ge erhalten kann.</p><lb/>
            <p>Solchemnach dringet al&#x017F;o das Blut mit Gewalt aus<lb/>
der rechten Herzkammer in die Lungen&#x017F;chlagader, treibet<lb/>
die&#x017F;elbe heraus, entfernet &#x017F;ie von dem Herzen, und macht<lb/>
&#x017F;ie la&#x0364;nger; es o&#x0364;fnet &#x017F;ich zwi&#x017F;chen den Sigmafo&#x0364;rmigen<lb/>
Klappen einen Weg; es treibet die&#x017F;e bieg&#x017F;ame zarte Mem-<lb/>
branen mit &#x017F;einem Drukke, welcher von der Ach&#x017F;e allent-<lb/>
halben &#x017F;enkrecht auf den Umfang der Schlagader herab-<lb/>
gehet, an die Wa&#x0364;nde der Schlagader an, es leeret ihre<lb/>
Seegelfo&#x0364;rmigen Ho&#x0364;len derge&#x017F;talt aus, daß, au&#x017F;&#x017F;er ihrer<lb/>
ganz geringen Dikke, nichts weiter u&#x0364;brig bleibt, das der<lb/>
Mu&#x0364;ndung der Schlagader nur einiger ma&#x017F;&#x017F;en im Wege<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde; die&#x017F;e ganz kleine Dikke aber nehmen die Sinus<lb/>
der Schlagader auf <note place="foot" n="(f)">Jm 4ten Buch, 3ten Ab&#x017F;chn. §. 6.</note>, daß &#x017F;olcherge&#x017F;talt auch noch die-<lb/>
&#x017F;e &#x017F;chwache Hinderniß vo&#x0364;llig ver&#x017F;chwindet. Warum aber<lb/>
eigentlich bald darauf das Blut, aus der zu&#x017F;ammengezo-<lb/>
genen Schlagader, nicht in das Herz wieder zuru&#x0364;kkegetrie-<lb/>
ben werde, davon wird viel bequemer in der gleichma&#x0364;ßi-<lb/>
gen Ge&#x017F;chichte der Aorte ko&#x0364;nnen gehandelt werden.</p><lb/>
            <p>Wenn nun auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e die rechte Herzkammer das<lb/>
Blut zum Theil in ihr Ohr, zum Theil in die Lungen-<lb/>
&#x017F;chlagader getrieben hat, &#x017F;o wird &#x017F;ie davon leer, oder doch<lb/>
beinahe ausgeleert, ihre Spannung la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et nach, und &#x017F;ie<lb/>
gelanget in den Zu&#x017F;tand der Erweiterung. Und &#x017F;o ha-<lb/>
ben wir nunmehr an den kalten Thieren den ganzen Um-<lb/>
lauf des Blutes hinla&#x0364;nglich be&#x017F;chrieben, na&#x0364;mlich &#x017F;owol<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c c 4</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[775/0831] Die Bewegung des Herzens. der Aorte war verhaͤrtet worden (d). Bei einem, der an der Peſt darnieder lag, zerriß das Herz von der Menge des darinnen zuſammengetriebenen Blutes (e). Der- gleichen Erſcheinungen, die wir aber lieber anderswo bei- bringen wollen, eraͤugnen ſich, ſo oft das Blut verhin- dert wird, daß es keinen freien Durchgang durch die Lun- ge erhalten kann. Solchemnach dringet alſo das Blut mit Gewalt aus der rechten Herzkammer in die Lungenſchlagader, treibet dieſelbe heraus, entfernet ſie von dem Herzen, und macht ſie laͤnger; es oͤfnet ſich zwiſchen den Sigmafoͤrmigen Klappen einen Weg; es treibet dieſe biegſame zarte Mem- branen mit ſeinem Drukke, welcher von der Achſe allent- halben ſenkrecht auf den Umfang der Schlagader herab- gehet, an die Waͤnde der Schlagader an, es leeret ihre Seegelfoͤrmigen Hoͤlen dergeſtalt aus, daß, auſſer ihrer ganz geringen Dikke, nichts weiter uͤbrig bleibt, das der Muͤndung der Schlagader nur einiger maſſen im Wege ſtuͤnde; dieſe ganz kleine Dikke aber nehmen die Sinus der Schlagader auf (f), daß ſolchergeſtalt auch noch die- ſe ſchwache Hinderniß voͤllig verſchwindet. Warum aber eigentlich bald darauf das Blut, aus der zuſammengezo- genen Schlagader, nicht in das Herz wieder zuruͤkkegetrie- ben werde, davon wird viel bequemer in der gleichmaͤßi- gen Geſchichte der Aorte koͤnnen gehandelt werden. Wenn nun auf dieſe Weiſe die rechte Herzkammer das Blut zum Theil in ihr Ohr, zum Theil in die Lungen- ſchlagader getrieben hat, ſo wird ſie davon leer, oder doch beinahe ausgeleert, ihre Spannung laͤſſet nach, und ſie gelanget in den Zuſtand der Erweiterung. Und ſo ha- ben wir nunmehr an den kalten Thieren den ganzen Um- lauf des Blutes hinlaͤnglich beſchrieben, naͤmlich ſowol den (d) Breslauer Sammlungen 1723. Mon. May, S. 560. (e) qvesney des fievres T. II. S. 448. (f) Jm 4ten Buch, 3ten Abſchn. §. 6. C c c 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/831
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 775. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/831>, abgerufen am 22.11.2024.