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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Erstes Buch. Elementartheile
lassen, mit Geschwindigkeit in die gesamte Oberfläche ei-
nes Thieres; sie dehnet und sondert dieselbe allenthalben
von den Muskeln ab. Sie ruhet dabei nicht, sondern
sie schleicht sich in alle Zwischenräume der Muskeln ein,
wodurch das Thier, wie es das Ansehn gewinnt, schein-
barer weise ein gut ausgefülltes Ansehn bekömt, das sich
aber nach etlichen Tagen wieder verliert, wenn die Haut
von der durch die beständige Ausdünstungen verdorbenen
Luft, die ihre Federkraft dadurch eingebüßt, wieder nie-
dersinkt. Diesen handgreiflichen Versuch wenden die
Fleischer oftmals an, um das Fell, wenn es von seinen
Bändern befreit worden, desto genauer von den fleischi-
gen Theilen abzulösen (g). Ein andrer etwas zärterer
Versuch an den Pferden (h) ist in meinem Vaterlande
nicht ganz ungewöhnlich, den man in England an den
Kälbern (i), wie auch in Deutschland, und an den un-
geheuren Kameelen in den Morgenländern anbringt (k).
Einige verlangen gar, durch dergleichen Aufblasung das
Thier fetter zu machen (l), wie weit dieses aber wahr sey,
weis ich nicht, ob uns gleich die Folgen selbst eigentlich
hier nichts angehen. Eben durch diesen Handgrif, der
aber an sich unschuldiger war, pflegte Ruysch denen
aufgetrokneten Menschenfrüchten, um ihnen das Unge-
stalte zu benehmen, ihre rundliche Gestalt dadurch wieder-
herzustellen, daß er ihre Haut aufblies (m). So gar hat
man von einem unreinlichen Menschen Nachricht, der
seinen eigenen Töchtern den Körper, wie einen Schlauch,
aufzutreiben pflegte (n), einen künstlichen Wasserkopf

nach-
(g) [Spaltenumbruch] vesal. corp. hum. fabr.
p. 281. riolanvs
über den
bartholinvs p. 762. an.
pnev. p. 167. enchir. path. p.
439.
(h) gieson an. equi. p. 57.
(i) lister humor. c. 19.
cowper ad bidloo. T. IV.
ad. f. 615.
an den Ochsen, siehe
casavbonvm. Lib. V. com-
ment. in athenaevm.
(k) [Spaltenumbruch] tavernier voy. de
Perse, Lib. VII. c.
9.
(l) plin. L. VIII. c. 45. mav-
chartvs
der ältere in ephem.
nat. cur. cent. 1-2. obs. 12. ari-
stoteles
in hist. anim. L. VIII.
c.
7.
(m) Aduers. anat. III. n. 10.
(n) P. borellvs hist. 30.
cent. 3. rosen anat. p.
129.

Erſtes Buch. Elementartheile
laſſen, mit Geſchwindigkeit in die geſamte Oberflaͤche ei-
nes Thieres; ſie dehnet und ſondert dieſelbe allenthalben
von den Muskeln ab. Sie ruhet dabei nicht, ſondern
ſie ſchleicht ſich in alle Zwiſchenraͤume der Muskeln ein,
wodurch das Thier, wie es das Anſehn gewinnt, ſchein-
barer weiſe ein gut ausgefuͤlltes Anſehn bekoͤmt, das ſich
aber nach etlichen Tagen wieder verliert, wenn die Haut
von der durch die beſtaͤndige Ausduͤnſtungen verdorbenen
Luft, die ihre Federkraft dadurch eingebuͤßt, wieder nie-
derſinkt. Dieſen handgreiflichen Verſuch wenden die
Fleiſcher oftmals an, um das Fell, wenn es von ſeinen
Baͤndern befreit worden, deſto genauer von den fleiſchi-
gen Theilen abzuloͤſen (g). Ein andrer etwas zaͤrterer
Verſuch an den Pferden (h) iſt in meinem Vaterlande
nicht ganz ungewoͤhnlich, den man in England an den
Kaͤlbern (i), wie auch in Deutſchland, und an den un-
geheuren Kameelen in den Morgenlaͤndern anbringt (k).
Einige verlangen gar, durch dergleichen Aufblaſung das
Thier fetter zu machen (l), wie weit dieſes aber wahr ſey,
weis ich nicht, ob uns gleich die Folgen ſelbſt eigentlich
hier nichts angehen. Eben durch dieſen Handgrif, der
aber an ſich unſchuldiger war, pflegte Ruyſch denen
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ſtalte zu benehmen, ihre rundliche Geſtalt dadurch wieder-
herzuſtellen, daß er ihre Haut aufblies (m). So gar hat
man von einem unreinlichen Menſchen Nachricht, der
ſeinen eigenen Toͤchtern den Koͤrper, wie einen Schlauch,
aufzutreiben pflegte (n), einen kuͤnſtlichen Waſſerkopf

nach-
(g) [Spaltenumbruch] vesal. corp. hum. fabr.
p. 281. riolanvs
uͤber den
bartholinvs p. 762. an.
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439.
(h) gieson an. equi. p. 57.
(i) lister humor. c. 19.
cowper ad bidloo. T. IV.
ad. f. 615.
an den Ochſen, ſiehe
casavbonvm. Lib. V. com-
ment. in athenaevm.
(k) [Spaltenumbruch] tavernier voy. de
Perſe, Lib. VII. c.
9.
(l) plin. L. VIII. c. 45. mav-
chartvs
der aͤltere in ephem.
nat. cur. cent. 1-2. obſ. 12. ari-
stoteles
in hiſt. anim. L. VIII.
c.
7.
(m) Aduerſ. anat. III. n. 10.
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[22/0078] Erſtes Buch. Elementartheile laſſen, mit Geſchwindigkeit in die geſamte Oberflaͤche ei- nes Thieres; ſie dehnet und ſondert dieſelbe allenthalben von den Muskeln ab. Sie ruhet dabei nicht, ſondern ſie ſchleicht ſich in alle Zwiſchenraͤume der Muskeln ein, wodurch das Thier, wie es das Anſehn gewinnt, ſchein- barer weiſe ein gut ausgefuͤlltes Anſehn bekoͤmt, das ſich aber nach etlichen Tagen wieder verliert, wenn die Haut von der durch die beſtaͤndige Ausduͤnſtungen verdorbenen Luft, die ihre Federkraft dadurch eingebuͤßt, wieder nie- derſinkt. Dieſen handgreiflichen Verſuch wenden die Fleiſcher oftmals an, um das Fell, wenn es von ſeinen Baͤndern befreit worden, deſto genauer von den fleiſchi- gen Theilen abzuloͤſen (g). Ein andrer etwas zaͤrterer Verſuch an den Pferden (h) iſt in meinem Vaterlande nicht ganz ungewoͤhnlich, den man in England an den Kaͤlbern (i), wie auch in Deutſchland, und an den un- geheuren Kameelen in den Morgenlaͤndern anbringt (k). Einige verlangen gar, durch dergleichen Aufblaſung das Thier fetter zu machen (l), wie weit dieſes aber wahr ſey, weis ich nicht, ob uns gleich die Folgen ſelbſt eigentlich hier nichts angehen. Eben durch dieſen Handgrif, der aber an ſich unſchuldiger war, pflegte Ruyſch denen aufgetrokneten Menſchenfruͤchten, um ihnen das Unge- ſtalte zu benehmen, ihre rundliche Geſtalt dadurch wieder- herzuſtellen, daß er ihre Haut aufblies (m). So gar hat man von einem unreinlichen Menſchen Nachricht, der ſeinen eigenen Toͤchtern den Koͤrper, wie einen Schlauch, aufzutreiben pflegte (n), einen kuͤnſtlichen Waſſerkopf nach- (g) vesal. corp. hum. fabr. p. 281. riolanvs uͤber den bartholinvs p. 762. an. pnev. p. 167. enchir. path. p. 439. (h) gieson an. equi. p. 57. (i) lister humor. c. 19. cowper ad bidloo. T. IV. ad. f. 615. an den Ochſen, ſiehe casavbonvm. Lib. V. com- ment. in athenaevm. (k) tavernier voy. de Perſe, Lib. VII. c. 9. (l) plin. L. VIII. c. 45. mav- chartvs der aͤltere in ephem. nat. cur. cent. 1-2. obſ. 12. ari- stoteles in hiſt. anim. L. VIII. c. 7. (m) Aduerſ. anat. III. n. 10. (n) P. borellvs hiſt. 30. cent. 3. rosen anat. p. 129.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/78>, abgerufen am 24.11.2024.