haave(r), bestimmen die Bedeutung des Ohrs ein we- nig genauer, und begreifen nur allein unter diesem Na- men diejenige Höle, deren innere Fläche von fleischigen Muskelbüscheln (carnei lacerti) durchkreuzet, und durch die eingekerbten Ränder abgetheilet wird. Eben diesel- ben verstehen unter dem Namen der Hölung (sinus) den- jenigen Theil der Vorkammer des Herzens (atrium), wel- cher nicht nur von aussen ungekerbt und glatt, sondern auch inwendig ungegittert ist. Jch habe diesen Unter- schied derer Wörter, in Ansehung dessen, was man dar- unter verstehet, hier nicht mit Stillschweigen übergehen können, weil daraus in der Theorie des Blutumlaufes ein wichtiger Jrrthum entstanden ist.
Jch finde daß sich die Herrschaft derer Vorgemächer des Herzens eben so weit erstrekke, als des ganzen Si- stems derer Blutadern ihre, also daß in der That kein einziges Thier, das mit Blutadern versehen ist, ein Herz ohne Ohren hat, da ich hingegen in denenjenigen keine Ohren antreffe, deren Herz lang ist, und zugleich die vornehmste Schlagader abgibt, und wo man bis auf diese Stunde noch keine Blutadergefässe, die von denen schlagaderhaften offenbar unterschieden wären, deutlich gezeiget hat. Denn die Herz-Ohren sind offenbar nur darum gebildet, daß sie das in denen Blutadern befind- liche Blut aufnehmen sollen, theils damit dasselbe ver- mittelst der muskelhaften Kraft in das Herz getrieben werde, und dasselbe mit einem grössern Strome ausdeh- nen (s), anbei auch diesen Muskel zu einer desto stärkern Zusammenziehung reizen könne; theils und vornämlich, damit sie für das Geblüte der Blutadern ein Bchältnis abgeben mögen, so oft entweder das Herz unter seiner
Zusammen-
(r)[Spaltenumbruch]Instit. rei med. n. 148. Eben so gebrauchen diese Wörter Ioh. Jac. rav in app. ad amphitheatr. [Spaltenumbruch]
zootom. und Sim. Petr. rovhavlt Osservaz. anat. fisiche S. 63.
(s)senac an angeführtem Ort, S. 343.
O o 3
Die Herzohren.
haave(r), beſtimmen die Bedeutung des Ohrs ein we- nig genauer, und begreifen nur allein unter dieſem Na- men diejenige Hoͤle, deren innere Flaͤche von fleiſchigen Muskelbuͤſcheln (carnei lacerti) durchkreuzet, und durch die eingekerbten Raͤnder abgetheilet wird. Eben dieſel- ben verſtehen unter dem Namen der Hoͤlung (ſinus) den- jenigen Theil der Vorkammer des Herzens (atrium), wel- cher nicht nur von auſſen ungekerbt und glatt, ſondern auch inwendig ungegittert iſt. Jch habe dieſen Unter- ſchied derer Woͤrter, in Anſehung deſſen, was man dar- unter verſtehet, hier nicht mit Stillſchweigen uͤbergehen koͤnnen, weil daraus in der Theorie des Blutumlaufes ein wichtiger Jrrthum entſtanden iſt.
Jch finde daß ſich die Herrſchaft derer Vorgemaͤcher des Herzens eben ſo weit erſtrekke, als des ganzen Si- ſtems derer Blutadern ihre, alſo daß in der That kein einziges Thier, das mit Blutadern verſehen iſt, ein Herz ohne Ohren hat, da ich hingegen in denenjenigen keine Ohren antreffe, deren Herz lang iſt, und zugleich die vornehmſte Schlagader abgibt, und wo man bis auf dieſe Stunde noch keine Blutadergefaͤſſe, die von denen ſchlagaderhaften offenbar unterſchieden waͤren, deutlich gezeiget hat. Denn die Herz-Ohren ſind offenbar nur darum gebildet, daß ſie das in denen Blutadern befind- liche Blut aufnehmen ſollen, theils damit daſſelbe ver- mittelſt der muskelhaften Kraft in das Herz getrieben werde, und daſſelbe mit einem groͤſſern Strome ausdeh- nen (s), anbei auch dieſen Muskel zu einer deſto ſtaͤrkern Zuſammenziehung reizen koͤnne; theils und vornaͤmlich, damit ſie fuͤr das Gebluͤte der Blutadern ein Bchaͤltnis abgeben moͤgen, ſo oft entweder das Herz unter ſeiner
Zuſammen-
(r)[Spaltenumbruch]Inſtit. rei med. n. 148. Eben ſo gebrauchen dieſe Woͤrter Ioh. Jac. rav in app. ad amphitheatr. [Spaltenumbruch]
zootom. und Sim. Petr. rovhavlt Oſſervaz. anat. fiſiche S. 63.
(s)senac an angefuͤhrtem Ort, S. 343.
O o 3
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Die Herzohren.
haave (r), beſtimmen die Bedeutung des Ohrs ein we-
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men diejenige Hoͤle, deren innere Flaͤche von fleiſchigen
Muskelbuͤſcheln (carnei lacerti) durchkreuzet, und durch
die eingekerbten Raͤnder abgetheilet wird. Eben dieſel-
ben verſtehen unter dem Namen der Hoͤlung (ſinus) den-
jenigen Theil der Vorkammer des Herzens (atrium), wel-
cher nicht nur von auſſen ungekerbt und glatt, ſondern
auch inwendig ungegittert iſt. Jch habe dieſen Unter-
ſchied derer Woͤrter, in Anſehung deſſen, was man dar-
unter verſtehet, hier nicht mit Stillſchweigen uͤbergehen
koͤnnen, weil daraus in der Theorie des Blutumlaufes
ein wichtiger Jrrthum entſtanden iſt.
Jch finde daß ſich die Herrſchaft derer Vorgemaͤcher
des Herzens eben ſo weit erſtrekke, als des ganzen Si-
ſtems derer Blutadern ihre, alſo daß in der That kein
einziges Thier, das mit Blutadern verſehen iſt, ein Herz
ohne Ohren hat, da ich hingegen in denenjenigen keine
Ohren antreffe, deren Herz lang iſt, und zugleich die
vornehmſte Schlagader abgibt, und wo man bis auf
dieſe Stunde noch keine Blutadergefaͤſſe, die von denen
ſchlagaderhaften offenbar unterſchieden waͤren, deutlich
gezeiget hat. Denn die Herz-Ohren ſind offenbar nur
darum gebildet, daß ſie das in denen Blutadern befind-
liche Blut aufnehmen ſollen, theils damit daſſelbe ver-
mittelſt der muskelhaften Kraft in das Herz getrieben
werde, und daſſelbe mit einem groͤſſern Strome ausdeh-
nen (s), anbei auch dieſen Muskel zu einer deſto ſtaͤrkern
Zuſammenziehung reizen koͤnne; theils und vornaͤmlich,
damit ſie fuͤr das Gebluͤte der Blutadern ein Bchaͤltnis
abgeben moͤgen, ſo oft entweder das Herz unter ſeiner
Zuſammen-
(r)
Inſtit. rei med. n. 148. Eben
ſo gebrauchen dieſe Woͤrter Ioh.
Jac. rav in app. ad amphitheatr.
zootom. und Sim. Petr. rovhavlt
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(s) senac an angefuͤhrtem Ort,
S. 343.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/637>, abgerufen am 22.11.2024.
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