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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes

Fortunius Licetus, der durch das Aufschneiden so
vieler Thiere noch kein so grosser Zergliederer war, daß
er mit Recht einigen Antheil an dem Ruhm des Har-
vey
hätte nehmen können, hat selbst einen besondern
Umlauf beschrieben, und zwar so, daß das nährende
Blut, wie es auch die Alten glaubten, durch die Blut-
adern nach den äussersten Enden zu laufe, allwo ein
Theil desselben zur Nahrung angewendet, das übrige
aber wieder in das Herz zurükgeführet würde. Eben
dieses sey auch der Weg, den der Lebensgeist durch die
Schlagadern nehme, und wo ein Ab- und Zufluß eigent-
lich statt fände (k).

Der lezte von den Gegnern dieser Erfindung war (l)
Homobonus Pisoni, ein wohlbekannter Arzt zu Pa-
dua, der auf eine ganz vernünftige Art sich der War-
heit widersezte, und so viel Muth hatte, daß er mit dem
Morgagni den Streit durch Versuche zu entscheiden
trachtete (m). Er nahm daher seine Beweise von der
Quantität des Blutes her, welche in einigen menschli-
chen Körpern in der That mit derjenigen grossen Ge-
schwindigkeit in keinen Verhältnis stehet, die nach des
Harvey Meinung erfordert wird (n). Er wandte fer-
ner ein, man könne alsdenn keine Erklärung von der Er-
nährung geben, wenn man annehmen wollte, daß das
Blut sogleich unmittelbar aus den Schlagadern in die
Blutadern übergienge (o). Das Blut, welches man
aus einer einzigen Blutader in verschiedne Gefässe auf-
gefangen, sey von verschiedner Farbe gewesen, mithin
könne das Blut nicht aus einer Blutader in alle übrige
laufen, noch auch dasselbe aus der einzigen Blutader

allein
(k) [Spaltenumbruch] Epist. 37. Centur. I. ad bar-
tholinvm.
(l) Vltio antiquitatis. Cremae
1690. 8. Disquisit. de circuitu
sanguinis. Patav.
1726. 4.
(m) [Spaltenumbruch] Disquisit. S. 417. u. folg.
(n) Ebendas. Cap. 1.
(o) Cap. 2.
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes

Fortunius Licetus, der durch das Aufſchneiden ſo
vieler Thiere noch kein ſo groſſer Zergliederer war, daß
er mit Recht einigen Antheil an dem Ruhm des Har-
vey
haͤtte nehmen koͤnnen, hat ſelbſt einen beſondern
Umlauf beſchrieben, und zwar ſo, daß das naͤhrende
Blut, wie es auch die Alten glaubten, durch die Blut-
adern nach den aͤuſſerſten Enden zu laufe, allwo ein
Theil deſſelben zur Nahrung angewendet, das uͤbrige
aber wieder in das Herz zuruͤkgefuͤhret wuͤrde. Eben
dieſes ſey auch der Weg, den der Lebensgeiſt durch die
Schlagadern nehme, und wo ein Ab- und Zufluß eigent-
lich ſtatt faͤnde (k).

Der lezte von den Gegnern dieſer Erfindung war (l)
Homobonus Piſoni, ein wohlbekannter Arzt zu Pa-
dua, der auf eine ganz vernuͤnftige Art ſich der War-
heit widerſezte, und ſo viel Muth hatte, daß er mit dem
Morgagni den Streit durch Verſuche zu entſcheiden
trachtete (m). Er nahm daher ſeine Beweiſe von der
Quantitaͤt des Blutes her, welche in einigen menſchli-
chen Koͤrpern in der That mit derjenigen groſſen Ge-
ſchwindigkeit in keinen Verhaͤltnis ſtehet, die nach des
Harvey Meinung erfordert wird (n). Er wandte fer-
ner ein, man koͤnne alsdenn keine Erklaͤrung von der Er-
naͤhrung geben, wenn man annehmen wollte, daß das
Blut ſogleich unmittelbar aus den Schlagadern in die
Blutadern uͤbergienge (o). Das Blut, welches man
aus einer einzigen Blutader in verſchiedne Gefaͤſſe auf-
gefangen, ſey von verſchiedner Farbe geweſen, mithin
koͤnne das Blut nicht aus einer Blutader in alle uͤbrige
laufen, noch auch daſſelbe aus der einzigen Blutader

allein
(k) [Spaltenumbruch] Epiſt. 37. Centur. I. ad bar-
tholinvm.
(l) Vltio antiquitatis. Cremæ
1690. 8. Diſquiſit. de circuitu
ſanguinis. Patav.
1726. 4.
(m) [Spaltenumbruch] Diſquiſit. S. 417. u. folg.
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[472/0528] Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes Fortunius Licetus, der durch das Aufſchneiden ſo vieler Thiere noch kein ſo groſſer Zergliederer war, daß er mit Recht einigen Antheil an dem Ruhm des Har- vey haͤtte nehmen koͤnnen, hat ſelbſt einen beſondern Umlauf beſchrieben, und zwar ſo, daß das naͤhrende Blut, wie es auch die Alten glaubten, durch die Blut- adern nach den aͤuſſerſten Enden zu laufe, allwo ein Theil deſſelben zur Nahrung angewendet, das uͤbrige aber wieder in das Herz zuruͤkgefuͤhret wuͤrde. Eben dieſes ſey auch der Weg, den der Lebensgeiſt durch die Schlagadern nehme, und wo ein Ab- und Zufluß eigent- lich ſtatt faͤnde (k). Der lezte von den Gegnern dieſer Erfindung war (l) Homobonus Piſoni, ein wohlbekannter Arzt zu Pa- dua, der auf eine ganz vernuͤnftige Art ſich der War- heit widerſezte, und ſo viel Muth hatte, daß er mit dem Morgagni den Streit durch Verſuche zu entſcheiden trachtete (m). Er nahm daher ſeine Beweiſe von der Quantitaͤt des Blutes her, welche in einigen menſchli- chen Koͤrpern in der That mit derjenigen groſſen Ge- ſchwindigkeit in keinen Verhaͤltnis ſtehet, die nach des Harvey Meinung erfordert wird (n). Er wandte fer- ner ein, man koͤnne alsdenn keine Erklaͤrung von der Er- naͤhrung geben, wenn man annehmen wollte, daß das Blut ſogleich unmittelbar aus den Schlagadern in die Blutadern uͤbergienge (o). Das Blut, welches man aus einer einzigen Blutader in verſchiedne Gefaͤſſe auf- gefangen, ſey von verſchiedner Farbe geweſen, mithin koͤnne das Blut nicht aus einer Blutader in alle uͤbrige laufen, noch auch daſſelbe aus der einzigen Blutader allein (k) Epiſt. 37. Centur. I. ad bar- tholinvm. (l) Vltio antiquitatis. Cremæ 1690. 8. Diſquiſit. de circuitu ſanguinis. Patav. 1726. 4. (m) Diſquiſit. S. 417. u. folg. (n) Ebendaſ. Cap. 1. (o) Cap. 2.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/528>, abgerufen am 22.11.2024.