Ferner hat man beinahe unter gleichen Umständen wahrgenommen, daß, nachdem die Bekkenschlagader gedrükt worden, das Blut in die ausgeleerte Hüften- blutader (iliaca vena) dergestalt eingedrungen, daß sich dieses Gefäs, welches vorher ledig war, sobald der Arzt die neben demselben befindliche Schlagader drükte, so- gleich mit Blut anfüllte (z). Alles dieses zeiget nun, daß das Blut beständig aus der Schlagader in die Blut- ader übergehe, und daß eine Blutader nichts weiter ent- halte, als was sie von der Schlagader bekommt.
Bei diesem Versuche halten wir uns aus der Ursache um desto weniger auf, weil einige, die dieser neuen Er- findung entgegen waren, derselben ganz widrige Erfolge aufgebürdet haben. Also sagt Riolan zu erst (a), und nach ihm Homobonus Pisoni(b), daß man über dem Schaamknochen eine Schlagader gebunden habe, und daß dem ohngeachtet aus der geöfneten Rosenader (saphe- na) Blut hervorgedrungen, auch daß solches gleicher- gestalt hervordringe, wenn eine Schlagader wegen eines Schlagadersakkes weggeschnitten worden.
Wenn es mit diesem Erfolge in der That seine Rich- tigkeit hat, wobei ich aber wohl noch einige Bedenklich- keit finden möchte, so ist in der That entweder nur das- jenige Blut herausgeflossen, welches in dem Stamme der Rosenader und ihren Wurzeln vorräthig war, und das lange vorher von der Schlagader, ehe diese gebun- den wurde, dahin war geführet worden; oder es kann auch der Stamm der gebundnen oder abgeschnittnen Schlagader, unterhalb der Gegend, wo man das Band angelegt, oder die Schlagader zerschnitten hatte, ver- mittelst der Anastomosirung das Blut von denenjenigen
Stäm-
(z)[Spaltenumbruch]walaevs am angef. Ort, S. 413. Die weggelassene Zalen habe hinzugefügt.
(a)[Spaltenumbruch]Notat. in l. Exercit. har- vei de motu cord. S. 111.
(b)Disquis. angef. Ort, S. 406.
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes
Ferner hat man beinahe unter gleichen Umſtaͤnden wahrgenommen, daß, nachdem die Bekkenſchlagader gedruͤkt worden, das Blut in die ausgeleerte Huͤften- blutader (iliaca vena) dergeſtalt eingedrungen, daß ſich dieſes Gefaͤs, welches vorher ledig war, ſobald der Arzt die neben demſelben befindliche Schlagader druͤkte, ſo- gleich mit Blut anfuͤllte (z). Alles dieſes zeiget nun, daß das Blut beſtaͤndig aus der Schlagader in die Blut- ader uͤbergehe, und daß eine Blutader nichts weiter ent- halte, als was ſie von der Schlagader bekommt.
Bei dieſem Verſuche halten wir uns aus der Urſache um deſto weniger auf, weil einige, die dieſer neuen Er- findung entgegen waren, derſelben ganz widrige Erfolge aufgebuͤrdet haben. Alſo ſagt Riolan zu erſt (a), und nach ihm Homobonus Piſoni(b), daß man uͤber dem Schaamknochen eine Schlagader gebunden habe, und daß dem ohngeachtet aus der geoͤfneten Roſenader (ſaphe- na) Blut hervorgedrungen, auch daß ſolches gleicher- geſtalt hervordringe, wenn eine Schlagader wegen eines Schlagaderſakkes weggeſchnitten worden.
Wenn es mit dieſem Erfolge in der That ſeine Rich- tigkeit hat, wobei ich aber wohl noch einige Bedenklich- keit finden moͤchte, ſo iſt in der That entweder nur das- jenige Blut herausgefloſſen, welches in dem Stamme der Roſenader und ihren Wurzeln vorraͤthig war, und das lange vorher von der Schlagader, ehe dieſe gebun- den wurde, dahin war gefuͤhret worden; oder es kann auch der Stamm der gebundnen oder abgeſchnittnen Schlagader, unterhalb der Gegend, wo man das Band angelegt, oder die Schlagader zerſchnitten hatte, ver- mittelſt der Anaſtomoſirung das Blut von denenjenigen
Staͤm-
(z)[Spaltenumbruch]walaevs am angef. Ort, S. 413. Die weggelaſſene Zalen habe hinzugefuͤgt.
(a)[Spaltenumbruch]Notat. in l. Exercit. har- vei de motu cord. S. 111.
(b)Diſquiſ. angef. Ort, S. 406.
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[414/0470]
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes
Ferner hat man beinahe unter gleichen Umſtaͤnden
wahrgenommen, daß, nachdem die Bekkenſchlagader
gedruͤkt worden, das Blut in die ausgeleerte Huͤften-
blutader (iliaca vena) dergeſtalt eingedrungen, daß ſich
dieſes Gefaͤs, welches vorher ledig war, ſobald der Arzt
die neben demſelben befindliche Schlagader druͤkte, ſo-
gleich mit Blut anfuͤllte (z). Alles dieſes zeiget nun,
daß das Blut beſtaͤndig aus der Schlagader in die Blut-
ader uͤbergehe, und daß eine Blutader nichts weiter ent-
halte, als was ſie von der Schlagader bekommt.
Bei dieſem Verſuche halten wir uns aus der Urſache
um deſto weniger auf, weil einige, die dieſer neuen Er-
findung entgegen waren, derſelben ganz widrige Erfolge
aufgebuͤrdet haben. Alſo ſagt Riolan zu erſt (a), und
nach ihm Homobonus Piſoni (b), daß man uͤber dem
Schaamknochen eine Schlagader gebunden habe, und
daß dem ohngeachtet aus der geoͤfneten Roſenader (ſaphe-
na) Blut hervorgedrungen, auch daß ſolches gleicher-
geſtalt hervordringe, wenn eine Schlagader wegen eines
Schlagaderſakkes weggeſchnitten worden.
Wenn es mit dieſem Erfolge in der That ſeine Rich-
tigkeit hat, wobei ich aber wohl noch einige Bedenklich-
keit finden moͤchte, ſo iſt in der That entweder nur das-
jenige Blut herausgefloſſen, welches in dem Stamme
der Roſenader und ihren Wurzeln vorraͤthig war, und
das lange vorher von der Schlagader, ehe dieſe gebun-
den wurde, dahin war gefuͤhret worden; oder es kann
auch der Stamm der gebundnen oder abgeſchnittnen
Schlagader, unterhalb der Gegend, wo man das Band
angelegt, oder die Schlagader zerſchnitten hatte, ver-
mittelſt der Anaſtomoſirung das Blut von denenjenigen
Staͤm-
(z)
walaevs am angef. Ort,
S. 413. Die weggelaſſene Zalen
habe hinzugefuͤgt.
(a)
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vei de motu cord. S. 111.
(b) Diſquiſ. angef. Ort, S. 406.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/470>, abgerufen am 25.11.2024.
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