so, wie ein Swammerdam, zergliedern, die Nerven wie ein Mekel, und die Muskeln wie Albinus entwikkeln möchte?
Jch bin zwar wohl überzeuget, daß das Bücherlesen mühsam sey, daß fast unzähl- bare Werke, die in verschiedenen Sprachen geschrieben worden, vorhanden sind, und daß die meisten dererselben viel unnüzzes, und viel wiederholte Sachen enthalten, ja daß auch die Aufrichtigkeit, und der Fleiß derer Schriftsteller nicht allemal so beschaf- fen sey, daß man bündige Folgesäzze darauf gründen könne. Es wird eine beständige Arbeit, und zugleich auch eine starke, und mit vie- ler Beschwerlichkeit verknüpfte Beurthei- lungskraft müssen angewendet werden, um die wahren Erfolge derer Dinge von den Fehlern zu reinigen, die ein eingesogenes Vor- urtheil, das grosse Ansehn derer Schulen, und die Lust, eine Hipothese auszuschmük- ken, sehr oft in denen besten Schriften hin und wieder ausgestreuet hat. Jndessen ge- het doch das mühsame Lesen noch nicht über die menschliche Fähigkeiten hinaus, und man hat allerdings Ursache zu hoffen, daß das Wahre von den Einbildungen werde können unterschieden werden, wozu dann unsre eigne
Ver-
Vorrede des Verfaſſers.
ſo, wie ein Swammerdam, zergliedern, die Nerven wie ein Mekel, und die Muskeln wie Albinus entwikkeln moͤchte?
Jch bin zwar wohl uͤberzeuget, daß das Buͤcherleſen muͤhſam ſey, daß faſt unzaͤhl- bare Werke, die in verſchiedenen Sprachen geſchrieben worden, vorhanden ſind, und daß die meiſten dererſelben viel unnuͤzzes, und viel wiederholte Sachen enthalten, ja daß auch die Aufrichtigkeit, und der Fleiß derer Schriftſteller nicht allemal ſo beſchaf- fen ſey, daß man buͤndige Folgeſaͤzze darauf gruͤnden koͤnne. Es wird eine beſtaͤndige Arbeit, und zugleich auch eine ſtarke, und mit vie- ler Beſchwerlichkeit verknuͤpfte Beurthei- lungskraft muͤſſen angewendet werden, um die wahren Erfolge derer Dinge von den Fehlern zu reinigen, die ein eingeſogenes Vor- urtheil, das groſſe Anſehn derer Schulen, und die Luſt, eine Hipotheſe auszuſchmuͤk- ken, ſehr oft in denen beſten Schriften hin und wieder ausgeſtreuet hat. Jndeſſen ge- het doch das muͤhſame Leſen noch nicht uͤber die menſchliche Faͤhigkeiten hinaus, und man hat allerdings Urſache zu hoffen, daß das Wahre von den Einbildungen werde koͤnnen unterſchieden werden, wozu dann unſre eigne
Ver-
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[0036]
Vorrede des Verfaſſers.
ſo, wie ein Swammerdam, zergliedern, die
Nerven wie ein Mekel, und die Muskeln
wie Albinus entwikkeln moͤchte?
Jch bin zwar wohl uͤberzeuget, daß das
Buͤcherleſen muͤhſam ſey, daß faſt unzaͤhl-
bare Werke, die in verſchiedenen Sprachen
geſchrieben worden, vorhanden ſind, und
daß die meiſten dererſelben viel unnuͤzzes,
und viel wiederholte Sachen enthalten, ja
daß auch die Aufrichtigkeit, und der Fleiß
derer Schriftſteller nicht allemal ſo beſchaf-
fen ſey, daß man buͤndige Folgeſaͤzze darauf
gruͤnden koͤnne. Es wird eine beſtaͤndige Arbeit,
und zugleich auch eine ſtarke, und mit vie-
ler Beſchwerlichkeit verknuͤpfte Beurthei-
lungskraft muͤſſen angewendet werden, um
die wahren Erfolge derer Dinge von den
Fehlern zu reinigen, die ein eingeſogenes Vor-
urtheil, das groſſe Anſehn derer Schulen,
und die Luſt, eine Hipotheſe auszuſchmuͤk-
ken, ſehr oft in denen beſten Schriften hin
und wieder ausgeſtreuet hat. Jndeſſen ge-
het doch das muͤhſame Leſen noch nicht uͤber
die menſchliche Faͤhigkeiten hinaus, und man
hat allerdings Urſache zu hoffen, daß das
Wahre von den Einbildungen werde koͤnnen
unterſchieden werden, wozu dann unſre eigne
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/36>, abgerufen am 24.11.2024.
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