Conrad Victor Schneider, ein Mann von erstau- nenswürdiger Belesenheit, und der in den Thierzerlegun- gen sich viele Mühe gab, meldete in seinen Schriften, daß er funfzehn ganzer Jahre vor dem Bartholin, näm- lich im acht und dreißigsten des damaligen Jahrhunderts, die Flieswassergefässe gesehen; er hat aber hiervon wei- ter keine Zeugen angeführet (u).
Endlich fing man um das Jahr 1650 an, dieses Geschlecht von Gefässen mit mehr Aufmerksamkeit zu un- tersuchen. Es befand sich nämlich zu derselben Zeit Olaus Rudbek, ein Schwede, als ein Student auf der Universität zu Leiden, und hatte sich der Arzneige- lahrtheit gewidmet, um dermaleinst durch seine Hipothe- sen von der Atlantide, und die eifrigen Bemühungen, so er in der Kräuterkunde und in der ganzen Naturgeschich- te angewendet, sich einigen Ruhm zu erwerben. Diesem jungen Manne gab im Jahre 1650 das Milchwasser, welches bei der Kehle eines geschlachteten Kalbes hervor- drang, Gelegenheit, den Brustkanal und den Sammel- kasten des Nahrungssaftes (cisterna chyli) zu entdekken. Nachdem er im folgenden Jahre vermittelst der Unter- bindung der Milchgefässe und des Brustkanals noch meh- rere Einsicht bekommen, so legte er im Jahr 1652. im Aprilmonat, diese Gefässe der Königin Christina(x), einer in phisischen Dingen und der mannigfaltigen Ge- lehrsamkeit damals sehr eifrigen Prinzeßin, vor, und er- klärte derselben, in Beiseyn des Bourdelots, zugleich seine neue Wassergänge, und die Abbildungen derselben.
Man
(u)[Spaltenumbruch]Lib. de catarrhis specialis- sim. S. 523.
(x)In insidiis structis ductibus hepatis aquosis, S. 5. Man muß indessen nicht vergessen, daß der berühmte Verfasser in seinem 1653. zu Westeras herausgegebe- nen Buche, von den Wassergängen [Spaltenumbruch]
in der Leber, nur allein von dem Brustkanale redet, welchen er 1650 1651 und 1652 gesehen hätte, und daß derselbe in den lezt heraus- gegebenen Instdiis noch die Flies- wasser-Gefässe dem obgedachten Milchgange beigefügt habe.
Zweites Buch. Gefaͤſſe.
Conrad Victor Schneider, ein Mann von erſtau- nenswuͤrdiger Beleſenheit, und der in den Thierzerlegun- gen ſich viele Muͤhe gab, meldete in ſeinen Schriften, daß er funfzehn ganzer Jahre vor dem Bartholin, naͤm- lich im acht und dreißigſten des damaligen Jahrhunderts, die Flieswaſſergefaͤſſe geſehen; er hat aber hiervon wei- ter keine Zeugen angefuͤhret (u).
Endlich fing man um das Jahr 1650 an, dieſes Geſchlecht von Gefaͤſſen mit mehr Aufmerkſamkeit zu un- terſuchen. Es befand ſich naͤmlich zu derſelben Zeit Olaus Rudbek, ein Schwede, als ein Student auf der Univerſitaͤt zu Leiden, und hatte ſich der Arzneige- lahrtheit gewidmet, um dermaleinſt durch ſeine Hipothe- ſen von der Atlantide, und die eifrigen Bemuͤhungen, ſo er in der Kraͤuterkunde und in der ganzen Naturgeſchich- te angewendet, ſich einigen Ruhm zu erwerben. Dieſem jungen Manne gab im Jahre 1650 das Milchwaſſer, welches bei der Kehle eines geſchlachteten Kalbes hervor- drang, Gelegenheit, den Bruſtkanal und den Sammel- kaſten des Nahrungsſaftes (ciſterna chyli) zu entdekken. Nachdem er im folgenden Jahre vermittelſt der Unter- bindung der Milchgefaͤſſe und des Bruſtkanals noch meh- rere Einſicht bekommen, ſo legte er im Jahr 1652. im Aprilmonat, dieſe Gefaͤſſe der Koͤnigin Chriſtina(x), einer in phiſiſchen Dingen und der mannigfaltigen Ge- lehrſamkeit damals ſehr eifrigen Prinzeßin, vor, und er- klaͤrte derſelben, in Beiſeyn des Bourdelots, zugleich ſeine neue Waſſergaͤnge, und die Abbildungen derſelben.
Man
(u)[Spaltenumbruch]Lib. de catarrhis ſpecialis- ſim. S. 523.
(x)In inſidiis ſtructis ductibus hepatis aquoſis, S. 5. Man muß indeſſen nicht vergeſſen, daß der beruͤhmte Verfaſſer in ſeinem 1653. zu Weſteras herausgegebe- nen Buche, von den Waſſergaͤngen [Spaltenumbruch]
in der Leber, nur allein von dem Bruſtkanale redet, welchen er 1650 1651 und 1652 geſehen haͤtte, und daß derſelbe in den lezt heraus- gegebenen Inſtdiis noch die Flies- waſſer-Gefaͤſſe dem obgedachten Milchgange beigefuͤgt habe.
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Zweites Buch. Gefaͤſſe.
Conrad Victor Schneider, ein Mann von erſtau-
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gen ſich viele Muͤhe gab, meldete in ſeinen Schriften,
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lich im acht und dreißigſten des damaligen Jahrhunderts,
die Flieswaſſergefaͤſſe geſehen; er hat aber hiervon wei-
ter keine Zeugen angefuͤhret (u).
Endlich fing man um das Jahr 1650 an, dieſes
Geſchlecht von Gefaͤſſen mit mehr Aufmerkſamkeit zu un-
terſuchen. Es befand ſich naͤmlich zu derſelben Zeit
Olaus Rudbek, ein Schwede, als ein Student auf
der Univerſitaͤt zu Leiden, und hatte ſich der Arzneige-
lahrtheit gewidmet, um dermaleinſt durch ſeine Hipothe-
ſen von der Atlantide, und die eifrigen Bemuͤhungen, ſo
er in der Kraͤuterkunde und in der ganzen Naturgeſchich-
te angewendet, ſich einigen Ruhm zu erwerben. Dieſem
jungen Manne gab im Jahre 1650 das Milchwaſſer,
welches bei der Kehle eines geſchlachteten Kalbes hervor-
drang, Gelegenheit, den Bruſtkanal und den Sammel-
kaſten des Nahrungsſaftes (ciſterna chyli) zu entdekken.
Nachdem er im folgenden Jahre vermittelſt der Unter-
bindung der Milchgefaͤſſe und des Bruſtkanals noch meh-
rere Einſicht bekommen, ſo legte er im Jahr 1652. im
Aprilmonat, dieſe Gefaͤſſe der Koͤnigin Chriſtina (x),
einer in phiſiſchen Dingen und der mannigfaltigen Ge-
lehrſamkeit damals ſehr eifrigen Prinzeßin, vor, und er-
klaͤrte derſelben, in Beiſeyn des Bourdelots, zugleich
ſeine neue Waſſergaͤnge, und die Abbildungen derſelben.
Man
(u)
Lib. de catarrhis ſpecialis-
ſim. S. 523.
(x) In inſidiis ſtructis ductibus
hepatis aquoſis, S. 5. Man
muß indeſſen nicht vergeſſen, daß
der beruͤhmte Verfaſſer in ſeinem
1653. zu Weſteras herausgegebe-
nen Buche, von den Waſſergaͤngen
in der Leber, nur allein von dem
Bruſtkanale redet, welchen er 1650
1651 und 1652 geſehen haͤtte, und
daß derſelbe in den lezt heraus-
gegebenen Inſtdiis noch die Flies-
waſſer-Gefaͤſſe dem obgedachten
Milchgange beigefuͤgt habe.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/356>, abgerufen am 24.11.2024.
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