Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
Schlagadern.
§. 30.
Die Verirrung vom gewöhnlichen Orte.

Mit gleichem Beifalle nahmen auch die Aerzte (s)
die Theorie von den Entzündungen an, welche aus die-
sen Gründen hergeleitet war. Eine Verirrung vom ge-
wöhnlichen Orte
(errorem loci) nannte mein geliebter
Lehrer (t) den Uebergang des Blutes in kleinere Gefässe.
Er lehrte, daß diese an sich konische Gefässe zwar in ihre
gröste Mündung ein dahin geprestes Kügelchen aufnäh-
men, demselben aber alsdenn Widerstand thäten, wenn
es weiter fortrükken wollte, und das um so mehr, je tie-
fer ein Kügelchen in ein zarteres Gefäs hinein gerathen
wäre: denn es wären die Oefnungen der kleinen Gefässe
um so viel kleiner im Lichten, je weiter sie sich von ihrem
Ursprunge, welches eine rothe Schlagader ist, entfern-
ten: folglich geschähe denen Wänden dieser Gefässe im-
mer mehr Gewalt, und daher fände auch ein Blutkügel-
chen, welches hier wie ein Keil dieselben zu erweitern
sucht, einen grössern Widerstand vor sich. Jndessen kä-
me der Herzschlag gleichsam von hinten dazu, wodurch
das Blut mit Gewalt fortgepresset, und ein bereits in ei-
nem solchen stekkendes Kügelchen in die engsten Röhr-
chen des kegelförmigen Gefässes getrieben würde. Sol-
chemnach müsten nothwendig diese Gefässe dadurch zer-
rissen werden, wofern nicht das Kügelchen entweder zu-

rük-
(s) [Spaltenumbruch] Jch führe hier einige an,
welche die Börhaavische Verir-
rung vom gewohnlichen Ort ange-
nommen haben. J. Claud. Adrian
Helvetius in der Oecon animal.
S. 44. 78. wo zwar der Quell nicht
deutlich genung angezeigt ist, aus
dem er geschopft hatte, wie sol-
ches schon längstens Joh. Besse
(in der replique S. 73.) erinnert
hat. raym. vievssens nov. vas.
syst.
S. 109. 110. sylva de la
[Spaltenumbruch] saignee T. I.
S. 281. Thom.
Schwenke haematol. S. 52. 98.
Joh. von Gorter de persp S. 47.
G. v. Swieten Comment. T. I.
S. 178. 640. 641. 646. u. f. Geor-
ge Erhard Hamberger de theor.
inflammationis Clift. wintring-
ham
Inquiry.
S. 219. J. Hux-
ham
of fevers. S. 3.
(t) Aphor. de cognosc. & cu-
rand. morb n. 118. 378. Prax. med
T. I.
S. 269.
O 2
Schlagadern.
§. 30.
Die Verirrung vom gewoͤhnlichen Orte.

Mit gleichem Beifalle nahmen auch die Aerzte (s)
die Theorie von den Entzuͤndungen an, welche aus die-
ſen Gruͤnden hergeleitet war. Eine Verirrung vom ge-
woͤhnlichen Orte
(errorem loci) nannte mein geliebter
Lehrer (t) den Uebergang des Blutes in kleinere Gefaͤſſe.
Er lehrte, daß dieſe an ſich koniſche Gefaͤſſe zwar in ihre
groͤſte Muͤndung ein dahin gepreſtes Kuͤgelchen aufnaͤh-
men, demſelben aber alsdenn Widerſtand thaͤten, wenn
es weiter fortruͤkken wollte, und das um ſo mehr, je tie-
fer ein Kuͤgelchen in ein zarteres Gefaͤs hinein gerathen
waͤre: denn es waͤren die Oefnungen der kleinen Gefaͤſſe
um ſo viel kleiner im Lichten, je weiter ſie ſich von ihrem
Urſprunge, welches eine rothe Schlagader iſt, entfern-
ten: folglich geſchaͤhe denen Waͤnden dieſer Gefaͤſſe im-
mer mehr Gewalt, und daher faͤnde auch ein Blutkuͤgel-
chen, welches hier wie ein Keil dieſelben zu erweitern
ſucht, einen groͤſſern Widerſtand vor ſich. Jndeſſen kaͤ-
me der Herzſchlag gleichſam von hinten dazu, wodurch
das Blut mit Gewalt fortgepreſſet, und ein bereits in ei-
nem ſolchen ſtekkendes Kuͤgelchen in die engſten Roͤhr-
chen des kegelfoͤrmigen Gefaͤſſes getrieben wuͤrde. Sol-
chemnach muͤſten nothwendig dieſe Gefaͤſſe dadurch zer-
riſſen werden, wofern nicht das Kuͤgelchen entweder zu-

ruͤk-
(s) [Spaltenumbruch] Jch fuͤhre hier einige an,
welche die Börhaaviſche Verir-
rung vom gewohnlichen Ort ange-
nommen haben. J. Claud. Adrian
Helvetius in der Oecon animal.
S. 44. 78. wo zwar der Quell nicht
deutlich genung angezeigt iſt, aus
dem er geſchopft hatte, wie ſol-
ches ſchon laͤngſtens Joh. Beſſe
(in der replique S. 73.) erinnert
hat. raym. vievssens nov. vaſ.
ſyſt.
S. 109. 110. sylva de la
[Spaltenumbruch] ſaignée T. I.
S. 281. Thom.
Schwenke hæmatol. S. 52. 98.
Joh. von Gorter de perſp S. 47.
G. v. Swieten Comment. T. I.
S. 178. 640. 641. 646. u. f. Geor-
ge Erhard Hamberger de theor.
inflammationis Clift. wintring-
ham
Inquiry.
S. 219. J. Hux-
ham
of fevers. S. 3.
(t) Aphor. de cognoſc. & cu-
rand. morb n. 118. 378. Prax. med
T. I.
S. 269.
O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0267" n="211"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Schlagadern.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 30.<lb/>
Die Verirrung vom gewo&#x0364;hnlichen Orte.</head><lb/>
            <p>Mit gleichem Beifalle nahmen auch die Aerzte <note place="foot" n="(s)"><cb/>
Jch fu&#x0364;hre hier einige an,<lb/>
welche die <hi rendition="#fr">Börhaavi&#x017F;che</hi> Verir-<lb/>
rung vom gewohnlichen Ort ange-<lb/>
nommen haben. J. Claud. Adrian<lb/><hi rendition="#fr">Helvetius</hi> in der <hi rendition="#aq">Oecon animal.</hi><lb/>
S. 44. 78. wo zwar der Quell nicht<lb/>
deutlich genung angezeigt i&#x017F;t, aus<lb/>
dem er ge&#x017F;chopft hatte, wie &#x017F;ol-<lb/>
ches &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;tens Joh. <hi rendition="#fr">Be&#x017F;&#x017F;e</hi><lb/>
(in der <hi rendition="#aq">replique</hi> S. 73.) erinnert<lb/>
hat. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">raym. vievssens</hi> nov. va&#x017F;.<lb/>
&#x017F;y&#x017F;t.</hi> S. 109. 110. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">sylva</hi></hi> de la<lb/><cb/>
&#x017F;aignée T. I.</hi> S. 281. Thom.<lb/><hi rendition="#fr">Schwenke</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">h</hi>æmatol.</hi> S. 52. 98.<lb/>
Joh. von <hi rendition="#fr">Gorter</hi> <hi rendition="#aq">de per&#x017F;p</hi> S. 47.<lb/>
G. v. <hi rendition="#fr">Swieten</hi> <hi rendition="#aq">Comment. T. I.</hi><lb/>
S. 178. 640. 641. 646. u. f. Geor-<lb/>
ge Erhard <hi rendition="#fr">Hamberger</hi> <hi rendition="#aq">de theor.<lb/>
inflammationis Clift. <hi rendition="#k">wintring-<lb/>
ham</hi> Inquiry.</hi> S. 219. J. <hi rendition="#fr">Hux-<lb/>
ham</hi> <hi rendition="#aq">of fevers.</hi> S. 3.</note><lb/>
die Theorie von den Entzu&#x0364;ndungen an, welche aus die-<lb/>
&#x017F;en Gru&#x0364;nden hergeleitet war. Eine <hi rendition="#fr">Verirrung vom ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlichen Orte</hi> (<hi rendition="#aq">errorem loci</hi>) nannte mein geliebter<lb/>
Lehrer <note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq">Aphor. de cogno&#x017F;c. &amp; cu-<lb/>
rand. morb n. 118. 378. Prax. med<lb/>
T. I.</hi> S. 269.</note> den Uebergang des Blutes in kleinere Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Er lehrte, daß die&#x017F;e an &#x017F;ich koni&#x017F;che Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zwar in ihre<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;te Mu&#x0364;ndung ein dahin gepre&#x017F;tes Ku&#x0364;gelchen aufna&#x0364;h-<lb/>
men, dem&#x017F;elben aber alsdenn Wider&#x017F;tand tha&#x0364;ten, wenn<lb/>
es weiter fortru&#x0364;kken wollte, und das um &#x017F;o mehr, je tie-<lb/>
fer ein Ku&#x0364;gelchen in ein zarteres Gefa&#x0364;s hinein gerathen<lb/>
wa&#x0364;re: denn es wa&#x0364;ren die Oefnungen der kleinen Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
um &#x017F;o viel kleiner im Lichten, je weiter &#x017F;ie &#x017F;ich von ihrem<lb/>
Ur&#x017F;prunge, welches eine rothe Schlagader i&#x017F;t, entfern-<lb/>
ten: folglich ge&#x017F;cha&#x0364;he denen Wa&#x0364;nden die&#x017F;er Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e im-<lb/>
mer mehr Gewalt, und daher fa&#x0364;nde auch ein Blutku&#x0364;gel-<lb/>
chen, welches hier wie ein Keil die&#x017F;elben zu erweitern<lb/>
&#x017F;ucht, einen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Wider&#x017F;tand vor &#x017F;ich. Jnde&#x017F;&#x017F;en ka&#x0364;-<lb/>
me der Herz&#x017F;chlag gleich&#x017F;am von hinten dazu, wodurch<lb/>
das Blut mit Gewalt fortgepre&#x017F;&#x017F;et, und ein bereits in ei-<lb/>
nem &#x017F;olchen &#x017F;tekkendes Ku&#x0364;gelchen in die eng&#x017F;ten Ro&#x0364;hr-<lb/>
chen des kegelfo&#x0364;rmigen Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;es getrieben wu&#x0364;rde. <hi rendition="#fr">Sol-</hi><lb/>
chemnach mu&#x0364;&#x017F;ten nothwendig die&#x017F;e Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e dadurch zer-<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;en werden, wofern nicht das Ku&#x0364;gelchen entweder zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ru&#x0364;k-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0267] Schlagadern. §. 30. Die Verirrung vom gewoͤhnlichen Orte. Mit gleichem Beifalle nahmen auch die Aerzte (s) die Theorie von den Entzuͤndungen an, welche aus die- ſen Gruͤnden hergeleitet war. Eine Verirrung vom ge- woͤhnlichen Orte (errorem loci) nannte mein geliebter Lehrer (t) den Uebergang des Blutes in kleinere Gefaͤſſe. Er lehrte, daß dieſe an ſich koniſche Gefaͤſſe zwar in ihre groͤſte Muͤndung ein dahin gepreſtes Kuͤgelchen aufnaͤh- men, demſelben aber alsdenn Widerſtand thaͤten, wenn es weiter fortruͤkken wollte, und das um ſo mehr, je tie- fer ein Kuͤgelchen in ein zarteres Gefaͤs hinein gerathen waͤre: denn es waͤren die Oefnungen der kleinen Gefaͤſſe um ſo viel kleiner im Lichten, je weiter ſie ſich von ihrem Urſprunge, welches eine rothe Schlagader iſt, entfern- ten: folglich geſchaͤhe denen Waͤnden dieſer Gefaͤſſe im- mer mehr Gewalt, und daher faͤnde auch ein Blutkuͤgel- chen, welches hier wie ein Keil dieſelben zu erweitern ſucht, einen groͤſſern Widerſtand vor ſich. Jndeſſen kaͤ- me der Herzſchlag gleichſam von hinten dazu, wodurch das Blut mit Gewalt fortgepreſſet, und ein bereits in ei- nem ſolchen ſtekkendes Kuͤgelchen in die engſten Roͤhr- chen des kegelfoͤrmigen Gefaͤſſes getrieben wuͤrde. Sol- chemnach muͤſten nothwendig dieſe Gefaͤſſe dadurch zer- riſſen werden, wofern nicht das Kuͤgelchen entweder zu- ruͤk- (s) Jch fuͤhre hier einige an, welche die Börhaaviſche Verir- rung vom gewohnlichen Ort ange- nommen haben. J. Claud. Adrian Helvetius in der Oecon animal. S. 44. 78. wo zwar der Quell nicht deutlich genung angezeigt iſt, aus dem er geſchopft hatte, wie ſol- ches ſchon laͤngſtens Joh. Beſſe (in der replique S. 73.) erinnert hat. raym. vievssens nov. vaſ. ſyſt. S. 109. 110. sylva de la ſaignée T. I. S. 281. Thom. Schwenke hæmatol. S. 52. 98. Joh. von Gorter de perſp S. 47. G. v. Swieten Comment. T. I. S. 178. 640. 641. 646. u. f. Geor- ge Erhard Hamberger de theor. inflammationis Clift. wintring- ham Inquiry. S. 219. J. Hux- ham of fevers. S. 3. (t) Aphor. de cognoſc. & cu- rand. morb n. 118. 378. Prax. med T. I. S. 269. O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/267
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/267>, abgerufen am 20.11.2024.