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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Schlagadern.
auch noch andre, welche um zweihundert tausendmal klei-
ner, als ein Haar waren (o).

Zu diesen muß man aber noch hinzusezzen, daß sich über-
haupt das Gebiet der kleinen Schlagadern viel weiter er-
strekke, ob man sie gleich nicht aller Orten durch eben so
deutliche Versuche an den Tag bringen kann. Denn die-
ser vortrefliche Mann sezte noch ferner hinzu, es sey am
ganzen menschlichen Körper kein einziges Theilchen, an
dem nicht entweder von Entzündungen, oder von künst-
lich eingesprizten gefärbten Feuchtigkeiten, ebener massen
kleine Gefässe sichtbar gemacht werden sollten, derglei-
chen, ehe diese Ursachen dazu kamen, dem Auge gänzlich
verborgen blieben, und die jezzo, nachdem sie mit gefärb-
tem Talge ausgefüllet worden, alle Eigenschaften der
Schlagadern zeigen. Die Gedärme, die harte und dün-
ne Gehirnhaut, und beinahe alle Bekleidungen des thie-
rischen Körpers, erscheinen daher mit neuen unzälbaren
Gefässen ausgezieret, sobald die Schlagaderstämme, nach
Ruyschens künstlicher Art, sind ausgesprizzet worden.
Jch habe selbst ohne grosse Mühe diese Versuche nachge-
macht. Denn diese neuen Schlagäderchen in den
Membranen werden sehr leicht und bald von dem mit
Mennige gefärbten Terpentinöl angefüllet.

Es machen aber auch Krankheiten diese Gefäschen
am ganzen menschlichen Körper überall sichtbar. An
der Hornhaut im Auge hat wohl nie ein Mensch ein
Blutkügelchen gesehen: indessen verursachen doch Ent-
zündungen, daß sich ihre Gefässe roth zeigen, wenn man
anders berühmten Männern trauen darf. Die Haut,
die Membranen der Brust und des Unterleibes werden
bey Entzündungen, das Gehirn aber in der Pest mit ei-
ner Menge von kleinen rothen Gefässen ausgezieret (p),

die
(o) S. 16.
(p) senag Traite de la peste. S. 248. 450.
O

Schlagadern.
auch noch andre, welche um zweihundert tauſendmal klei-
ner, als ein Haar waren (o).

Zu dieſen muß man aber noch hinzuſezzen, daß ſich uͤber-
haupt das Gebiet der kleinen Schlagadern viel weiter er-
ſtrekke, ob man ſie gleich nicht aller Orten durch eben ſo
deutliche Verſuche an den Tag bringen kann. Denn die-
ſer vortrefliche Mann ſezte noch ferner hinzu, es ſey am
ganzen menſchlichen Koͤrper kein einziges Theilchen, an
dem nicht entweder von Entzuͤndungen, oder von kuͤnſt-
lich eingeſprizten gefaͤrbten Feuchtigkeiten, ebener maſſen
kleine Gefaͤſſe ſichtbar gemacht werden ſollten, derglei-
chen, ehe dieſe Urſachen dazu kamen, dem Auge gaͤnzlich
verborgen blieben, und die jezzo, nachdem ſie mit gefaͤrb-
tem Talge ausgefuͤllet worden, alle Eigenſchaften der
Schlagadern zeigen. Die Gedaͤrme, die harte und duͤn-
ne Gehirnhaut, und beinahe alle Bekleidungen des thie-
riſchen Koͤrpers, erſcheinen daher mit neuen unzaͤlbaren
Gefaͤſſen ausgezieret, ſobald die Schlagaderſtaͤmme, nach
Ruyſchens kuͤnſtlicher Art, ſind ausgeſprizzet worden.
Jch habe ſelbſt ohne groſſe Muͤhe dieſe Verſuche nachge-
macht. Denn dieſe neuen Schlagaͤderchen in den
Membranen werden ſehr leicht und bald von dem mit
Mennige gefaͤrbten Terpentinoͤl angefuͤllet.

Es machen aber auch Krankheiten dieſe Gefaͤschen
am ganzen menſchlichen Koͤrper uͤberall ſichtbar. An
der Hornhaut im Auge hat wohl nie ein Menſch ein
Blutkuͤgelchen geſehen: indeſſen verurſachen doch Ent-
zuͤndungen, daß ſich ihre Gefaͤſſe roth zeigen, wenn man
anders beruͤhmten Maͤnnern trauen darf. Die Haut,
die Membranen der Bruſt und des Unterleibes werden
bey Entzuͤndungen, das Gehirn aber in der Peſt mit ei-
ner Menge von kleinen rothen Gefaͤſſen ausgezieret (p),

die
(o) S. 16.
(p) senag Traitè de la peſte. S. 248. 450.
O
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[209/0265] Schlagadern. auch noch andre, welche um zweihundert tauſendmal klei- ner, als ein Haar waren (o). Zu dieſen muß man aber noch hinzuſezzen, daß ſich uͤber- haupt das Gebiet der kleinen Schlagadern viel weiter er- ſtrekke, ob man ſie gleich nicht aller Orten durch eben ſo deutliche Verſuche an den Tag bringen kann. Denn die- ſer vortrefliche Mann ſezte noch ferner hinzu, es ſey am ganzen menſchlichen Koͤrper kein einziges Theilchen, an dem nicht entweder von Entzuͤndungen, oder von kuͤnſt- lich eingeſprizten gefaͤrbten Feuchtigkeiten, ebener maſſen kleine Gefaͤſſe ſichtbar gemacht werden ſollten, derglei- chen, ehe dieſe Urſachen dazu kamen, dem Auge gaͤnzlich verborgen blieben, und die jezzo, nachdem ſie mit gefaͤrb- tem Talge ausgefuͤllet worden, alle Eigenſchaften der Schlagadern zeigen. Die Gedaͤrme, die harte und duͤn- ne Gehirnhaut, und beinahe alle Bekleidungen des thie- riſchen Koͤrpers, erſcheinen daher mit neuen unzaͤlbaren Gefaͤſſen ausgezieret, ſobald die Schlagaderſtaͤmme, nach Ruyſchens kuͤnſtlicher Art, ſind ausgeſprizzet worden. Jch habe ſelbſt ohne groſſe Muͤhe dieſe Verſuche nachge- macht. Denn dieſe neuen Schlagaͤderchen in den Membranen werden ſehr leicht und bald von dem mit Mennige gefaͤrbten Terpentinoͤl angefuͤllet. Es machen aber auch Krankheiten dieſe Gefaͤschen am ganzen menſchlichen Koͤrper uͤberall ſichtbar. An der Hornhaut im Auge hat wohl nie ein Menſch ein Blutkuͤgelchen geſehen: indeſſen verurſachen doch Ent- zuͤndungen, daß ſich ihre Gefaͤſſe roth zeigen, wenn man anders beruͤhmten Maͤnnern trauen darf. Die Haut, die Membranen der Bruſt und des Unterleibes werden bey Entzuͤndungen, das Gehirn aber in der Peſt mit ei- ner Menge von kleinen rothen Gefaͤſſen ausgezieret (p), die (o) S. 16. (p) senag Traitè de la peſte. S. 248. 450. O

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/265>, abgerufen am 22.11.2024.