das in den Brustkanal getriebne Queksilber, nachdem es die Gehirnblutadern erfüllet, ebenfalls in die Schlag- adern der dünnen Gehirnhaut begeben habe. Jch selbst habe gleichfalls mehr als einmal wahrgenommen, daß das Wachs aus der Pfortader, wenn ich es gegen das Gedärme trieb, in die Schlagadern des Gekröses über- gegangen; Vieussens aber (m+) und Ger. van Swie- ten beobachteten, daß es in die Leberschlagader eindrang (n). Es gehen aber überhaupt die Einsprizzungen in die Blut- adern nicht gar zu gut von statten, und man kann daher mit der Sprizze keine grosse Gewalt brauchen. Denn wenn man das Röhrchen, wie es an den Schlagadern geschicht, in einen grossen Stamm einstekt, so thun die Klappen Widerstand: bindet man die Sprizzenröhre an eine kleine Blutader, so hat man keine Freiheit einige Gewalt zu gebrauchen. Ueder dieses rauben auch die un- zäliche Blutaderverbindungen (anastomoses) den Saft, den man in dieselbe hinein presset, und endlich wird es sehr wahrscheinlich, daß die kleinsten Schlagadern dich- ter sind und stärker widerstehen.
Der andere Einwurf wird von dem Safte herge- nommen, der sich in das Zellgewebe ergiesset; es gilt die- ses zwar nur allein von sehr dünnen wässerigen Säften, von der in Kornbrantwein aufgelösten Hausenblase, oder warmen Schweineschmalz, oder von dem mit grosser Gewalt eingesprizten Talg. Man verhütet aber diesen Fehler, sobald man etwas kaltes Oel, oder eine gewisse Quantität Wachs dazu mischt, und weniger Gewalt bei der Sprizze gebraucht, und man erhält also, daß alles, was man in die Schlagadern gebracht hat, durch die Blutadern wieder zurükke kommt. Es zeiget aber die erstere Begebenheit ganz allein, daß die Materie unge- hindert aus der Schlagader in das Zellgewebe fliessen
könne.
(m+)[Spaltenumbruch]
Angef. Ort.
(n)[Spaltenumbruch]T. III. Comment. S. 82.
Zweites Buch. Gefaͤſſe.
das in den Bruſtkanal getriebne Quekſilber, nachdem es die Gehirnblutadern erfuͤllet, ebenfalls in die Schlag- adern der duͤnnen Gehirnhaut begeben habe. Jch ſelbſt habe gleichfalls mehr als einmal wahrgenommen, daß das Wachs aus der Pfortader, wenn ich es gegen das Gedaͤrme trieb, in die Schlagadern des Gekroͤſes uͤber- gegangen; Vieuſſens aber (m†) und Ger. van Swie- ten beobachteten, daß es in die Leberſchlagader eindrang (n). Es gehen aber uͤberhaupt die Einſprizzungen in die Blut- adern nicht gar zu gut von ſtatten, und man kann daher mit der Sprizze keine groſſe Gewalt brauchen. Denn wenn man das Roͤhrchen, wie es an den Schlagadern geſchicht, in einen groſſen Stamm einſtekt, ſo thun die Klappen Widerſtand: bindet man die Sprizzenroͤhre an eine kleine Blutader, ſo hat man keine Freiheit einige Gewalt zu gebrauchen. Ueder dieſes rauben auch die un- zaͤliche Blutaderverbindungen (anaſtomoſes) den Saft, den man in dieſelbe hinein preſſet, und endlich wird es ſehr wahrſcheinlich, daß die kleinſten Schlagadern dich- ter ſind und ſtaͤrker widerſtehen.
Der andere Einwurf wird von dem Safte herge- nommen, der ſich in das Zellgewebe ergieſſet; es gilt die- ſes zwar nur allein von ſehr duͤnnen waͤſſerigen Saͤften, von der in Kornbrantwein aufgeloͤſten Hauſenblaſe, oder warmen Schweineſchmalz, oder von dem mit groſſer Gewalt eingeſprizten Talg. Man verhuͤtet aber dieſen Fehler, ſobald man etwas kaltes Oel, oder eine gewiſſe Quantitaͤt Wachs dazu miſcht, und weniger Gewalt bei der Sprizze gebraucht, und man erhaͤlt alſo, daß alles, was man in die Schlagadern gebracht hat, durch die Blutadern wieder zuruͤkke kommt. Es zeiget aber die erſtere Begebenheit ganz allein, daß die Materie unge- hindert aus der Schlagader in das Zellgewebe flieſſen
koͤnne.
(m†)[Spaltenumbruch]
Angef. Ort.
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Zweites Buch. Gefaͤſſe.
das in den Bruſtkanal getriebne Quekſilber, nachdem es
die Gehirnblutadern erfuͤllet, ebenfalls in die Schlag-
adern der duͤnnen Gehirnhaut begeben habe. Jch ſelbſt
habe gleichfalls mehr als einmal wahrgenommen, daß
das Wachs aus der Pfortader, wenn ich es gegen das
Gedaͤrme trieb, in die Schlagadern des Gekroͤſes uͤber-
gegangen; Vieuſſens aber (m†) und Ger. van Swie-
ten beobachteten, daß es in die Leberſchlagader eindrang (n).
Es gehen aber uͤberhaupt die Einſprizzungen in die Blut-
adern nicht gar zu gut von ſtatten, und man kann daher
mit der Sprizze keine groſſe Gewalt brauchen. Denn
wenn man das Roͤhrchen, wie es an den Schlagadern
geſchicht, in einen groſſen Stamm einſtekt, ſo thun die
Klappen Widerſtand: bindet man die Sprizzenroͤhre an
eine kleine Blutader, ſo hat man keine Freiheit einige
Gewalt zu gebrauchen. Ueder dieſes rauben auch die un-
zaͤliche Blutaderverbindungen (anaſtomoſes) den Saft,
den man in dieſelbe hinein preſſet, und endlich wird es
ſehr wahrſcheinlich, daß die kleinſten Schlagadern dich-
ter ſind und ſtaͤrker widerſtehen.
Der andere Einwurf wird von dem Safte herge-
nommen, der ſich in das Zellgewebe ergieſſet; es gilt die-
ſes zwar nur allein von ſehr duͤnnen waͤſſerigen Saͤften,
von der in Kornbrantwein aufgeloͤſten Hauſenblaſe, oder
warmen Schweineſchmalz, oder von dem mit groſſer
Gewalt eingeſprizten Talg. Man verhuͤtet aber dieſen
Fehler, ſobald man etwas kaltes Oel, oder eine gewiſſe
Quantitaͤt Wachs dazu miſcht, und weniger Gewalt bei
der Sprizze gebraucht, und man erhaͤlt alſo, daß alles,
was man in die Schlagadern gebracht hat, durch die
Blutadern wieder zuruͤkke kommt. Es zeiget aber die
erſtere Begebenheit ganz allein, daß die Materie unge-
hindert aus der Schlagader in das Zellgewebe flieſſen
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(m†)
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(n)
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/236>, abgerufen am 22.11.2024.
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