Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Gefässe.
ven (r). Eben dieselbe lies sich bis auf 55 Linien lang
ausdehnen, ehe sie zerreissen wollte. Diese Springkraft
ist indessen nur was todtes, und sie bleibt noch lange
hernach zurük, wenn das Thier schon längstens aufgehö-
ret hat zu leben. Also ziehet sich auch ferner die Aorte
an den Rindern, wenn man sie mit den Fingern ausge-
dehnt hat, so bald diese wieder nachlassen, so gleich mit
grossen Nachdruk wieder zurükke (s). Endlich ziehet sich
dieselbe nach dem Tode theils dergestalt zurükke, daß sie
viermal kürzer wird (t), theils treibt sie auch, wenn sie
aufgeblasen wird, die zwischen zwei Schnüren einge-
schlossene Luft, wenn man ein Loch hinein sticht, mit
vieler Gewalt heraus (u): und es ist daher keinesweges
von ihrer Muskelkraft hergekommen, daß das Blut,
nachdem die Schienbeinsader zerschnitten worden, nach
dem Tode des Thieres zweene Schuhe weit aus derselben
gesprungen, wiewol dieses Beispiel billig unter die sel-
tensten gehöret (x).

Jch erkläre aber auch die mit chimischen Giften an-
gestellte Versuche aus der einfachen Schnellkraft, und
der zellförmigen Bauart der Schlagader; denn es ziehet
sich eine Schlagader, die man mit dem Messer reizet,
nicht im mindesten zusammen, wovon an den Muskel-
fasern gerade das Gegentheil geschicht (y). Es bringen
aber auch nicht die schwachen Gifte, wie der Weingeist
und der Wolfsmilchsaft, eine Schlagader in Bewegung
(z). Hingegen verengern die schärfsten sauren Säfte, z.
E. das Vitriolöl (a), und der zu dergleichen Versu-
chen wirksamste rauchende Salpetergeist (b), eine Schlag-

ader,
(r) [Spaltenumbruch] Sauvages S. 9.
(s) Der vortrefliche und ehr-
würdige Greis, Joh. Fanton Diss.
anat. 1745. p. CXI.
Fr. Hoffmann
de effect. elast. S. 7.
(t) lamvre de secret. S. 26.
(u) senac T. II. S. 199.
(x) drelincovrt Canicid. III.
(y) [Spaltenumbruch] Second Memoire sur les
parties irritabl.
S. 274.
(z) Angef. Ort. Exp. 278.
(a) Angef. Ort. Exp. 267. zim-
mermann
diss. de irritabilit.

S. 24.
(b) Sec. Mem. etc. Exp. 280
565.

Zweites Buch. Gefaͤſſe.
ven (r). Eben dieſelbe lies ſich bis auf 55 Linien lang
ausdehnen, ehe ſie zerreiſſen wollte. Dieſe Springkraft
iſt indeſſen nur was todtes, und ſie bleibt noch lange
hernach zuruͤk, wenn das Thier ſchon laͤngſtens aufgehoͤ-
ret hat zu leben. Alſo ziehet ſich auch ferner die Aorte
an den Rindern, wenn man ſie mit den Fingern ausge-
dehnt hat, ſo bald dieſe wieder nachlaſſen, ſo gleich mit
groſſen Nachdruk wieder zuruͤkke (s). Endlich ziehet ſich
dieſelbe nach dem Tode theils dergeſtalt zuruͤkke, daß ſie
viermal kuͤrzer wird (t), theils treibt ſie auch, wenn ſie
aufgeblaſen wird, die zwiſchen zwei Schnuͤren einge-
ſchloſſene Luft, wenn man ein Loch hinein ſticht, mit
vieler Gewalt heraus (u): und es iſt daher keinesweges
von ihrer Muskelkraft hergekommen, daß das Blut,
nachdem die Schienbeinsader zerſchnitten worden, nach
dem Tode des Thieres zweene Schuhe weit aus derſelben
geſprungen, wiewol dieſes Beiſpiel billig unter die ſel-
tenſten gehoͤret (x).

Jch erklaͤre aber auch die mit chimiſchen Giften an-
geſtellte Verſuche aus der einfachen Schnellkraft, und
der zellfoͤrmigen Bauart der Schlagader; denn es ziehet
ſich eine Schlagader, die man mit dem Meſſer reizet,
nicht im mindeſten zuſammen, wovon an den Muskel-
faſern gerade das Gegentheil geſchicht (y). Es bringen
aber auch nicht die ſchwachen Gifte, wie der Weingeiſt
und der Wolfsmilchſaft, eine Schlagader in Bewegung
(z). Hingegen verengern die ſchaͤrfſten ſauren Saͤfte, z.
E. das Vitrioloͤl (a), und der zu dergleichen Verſu-
chen wirkſamſte rauchende Salpetergeiſt (b), eine Schlag-

ader,
(r) [Spaltenumbruch] Sauvages S. 9.
(s) Der vortrefliche und ehr-
wuͤrdige Greis, Joh. Fanton Diſſ.
anat. 1745. p. CXI.
Fr. Hoffmann
de effect. elaſt. S. 7.
(t) lamvre de ſecret. S. 26.
(u) senac T. II. S. 199.
(x) drelincovrt Canicid. III.
(y) [Spaltenumbruch] Second Memoire ſur les
parties irritabl.
S. 274.
(z) Angef. Ort. Exp. 278.
(a) Angef. Ort. Exp. 267. zim-
mermann
diſſ. de irritabilit.

S. 24.
(b) Sec. Mem. etc. Exp. 280
565.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0188" n="132"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweites Buch. Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
ven <note place="foot" n="(r)"><cb/><hi rendition="#fr">Sauvages</hi> S. 9.</note>. Eben die&#x017F;elbe lies &#x017F;ich bis auf 55 Linien lang<lb/>
ausdehnen, ehe &#x017F;ie zerrei&#x017F;&#x017F;en wollte. Die&#x017F;e Springkraft<lb/>
i&#x017F;t inde&#x017F;&#x017F;en nur was todtes, und &#x017F;ie bleibt noch lange<lb/>
hernach zuru&#x0364;k, wenn das Thier &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;tens aufgeho&#x0364;-<lb/>
ret hat zu leben. Al&#x017F;o ziehet &#x017F;ich auch ferner die Aorte<lb/>
an den Rindern, wenn man &#x017F;ie mit den Fingern ausge-<lb/>
dehnt hat, &#x017F;o bald die&#x017F;e wieder nachla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o gleich mit<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Nachdruk wieder zuru&#x0364;kke <note place="foot" n="(s)">Der vortrefliche und ehr-<lb/>
wu&#x0364;rdige Greis, Joh. <hi rendition="#fr">Fanton</hi> <hi rendition="#aq">Di&#x017F;&#x017F;.<lb/>
anat. 1745. p. CXI.</hi> Fr. <hi rendition="#fr">Hoffmann</hi><lb/><hi rendition="#aq">de effect. ela&#x017F;t.</hi> S. 7.</note>. Endlich ziehet &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;elbe nach dem Tode theils derge&#x017F;talt zuru&#x0364;kke, daß &#x017F;ie<lb/>
viermal ku&#x0364;rzer wird <note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">lamvre</hi> de &#x017F;ecret.</hi> S. 26.</note>, theils treibt &#x017F;ie auch, wenn &#x017F;ie<lb/>
aufgebla&#x017F;en wird, die zwi&#x017F;chen zwei Schnu&#x0364;ren einge-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Luft, wenn man ein Loch hinein &#x017F;ticht, mit<lb/>
vieler Gewalt heraus <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">senac</hi></hi> T. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 199.</note>: und es i&#x017F;t daher keinesweges<lb/>
von ihrer Muskelkraft hergekommen, daß das Blut,<lb/>
nachdem die Schienbeinsader zer&#x017F;chnitten worden, nach<lb/>
dem Tode des Thieres zweene Schuhe weit aus der&#x017F;elben<lb/>
ge&#x017F;prungen, wiewol die&#x017F;es Bei&#x017F;piel billig unter die &#x017F;el-<lb/>
ten&#x017F;ten geho&#x0364;ret <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">drelincovrt</hi> Canicid. III.</hi></note>.</p><lb/>
            <p>Jch erkla&#x0364;re aber auch die mit chimi&#x017F;chen Giften an-<lb/>
ge&#x017F;tellte Ver&#x017F;uche aus der einfachen Schnellkraft, und<lb/>
der zellfo&#x0364;rmigen Bauart der Schlagader; denn es ziehet<lb/>
&#x017F;ich eine Schlagader, die man mit dem Me&#x017F;&#x017F;er reizet,<lb/>
nicht im minde&#x017F;ten zu&#x017F;ammen, wovon an den Muskel-<lb/>
fa&#x017F;ern gerade das Gegentheil ge&#x017F;chicht <note place="foot" n="(y)"><cb/><hi rendition="#aq">Second Memoire &#x017F;ur les<lb/>
parties irritabl.</hi> S. 274.</note>. Es bringen<lb/>
aber auch nicht die &#x017F;chwachen Gifte, wie der Weingei&#x017F;t<lb/>
und der Wolfsmilch&#x017F;aft, eine Schlagader in Bewegung<lb/><note place="foot" n="(z)">Angef. Ort. <hi rendition="#aq">Exp.</hi> 278.</note>. Hingegen verengern die &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;ten &#x017F;auren Sa&#x0364;fte, z.<lb/>
E. das Vitriolo&#x0364;l <note place="foot" n="(a)">Angef. Ort. <hi rendition="#aq">Exp. 267. <hi rendition="#k">zim-<lb/>
mermann</hi> di&#x017F;&#x017F;. de irritabilit.</hi><lb/>
S. 24.</note>, und der zu dergleichen Ver&#x017F;u-<lb/>
chen wirk&#x017F;am&#x017F;te rauchende Salpetergei&#x017F;t <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">Sec. Mem. etc. Exp.</hi> 280<lb/>
565.</note>, eine Schlag-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ader,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0188] Zweites Buch. Gefaͤſſe. ven (r). Eben dieſelbe lies ſich bis auf 55 Linien lang ausdehnen, ehe ſie zerreiſſen wollte. Dieſe Springkraft iſt indeſſen nur was todtes, und ſie bleibt noch lange hernach zuruͤk, wenn das Thier ſchon laͤngſtens aufgehoͤ- ret hat zu leben. Alſo ziehet ſich auch ferner die Aorte an den Rindern, wenn man ſie mit den Fingern ausge- dehnt hat, ſo bald dieſe wieder nachlaſſen, ſo gleich mit groſſen Nachdruk wieder zuruͤkke (s). Endlich ziehet ſich dieſelbe nach dem Tode theils dergeſtalt zuruͤkke, daß ſie viermal kuͤrzer wird (t), theils treibt ſie auch, wenn ſie aufgeblaſen wird, die zwiſchen zwei Schnuͤren einge- ſchloſſene Luft, wenn man ein Loch hinein ſticht, mit vieler Gewalt heraus (u): und es iſt daher keinesweges von ihrer Muskelkraft hergekommen, daß das Blut, nachdem die Schienbeinsader zerſchnitten worden, nach dem Tode des Thieres zweene Schuhe weit aus derſelben geſprungen, wiewol dieſes Beiſpiel billig unter die ſel- tenſten gehoͤret (x). Jch erklaͤre aber auch die mit chimiſchen Giften an- geſtellte Verſuche aus der einfachen Schnellkraft, und der zellfoͤrmigen Bauart der Schlagader; denn es ziehet ſich eine Schlagader, die man mit dem Meſſer reizet, nicht im mindeſten zuſammen, wovon an den Muskel- faſern gerade das Gegentheil geſchicht (y). Es bringen aber auch nicht die ſchwachen Gifte, wie der Weingeiſt und der Wolfsmilchſaft, eine Schlagader in Bewegung (z). Hingegen verengern die ſchaͤrfſten ſauren Saͤfte, z. E. das Vitrioloͤl (a), und der zu dergleichen Verſu- chen wirkſamſte rauchende Salpetergeiſt (b), eine Schlag- ader, (r) Sauvages S. 9. (s) Der vortrefliche und ehr- wuͤrdige Greis, Joh. Fanton Diſſ. anat. 1745. p. CXI. Fr. Hoffmann de effect. elaſt. S. 7. (t) lamvre de ſecret. S. 26. (u) senac T. II. S. 199. (x) drelincovrt Canicid. III. (y) Second Memoire ſur les parties irritabl. S. 274. (z) Angef. Ort. Exp. 278. (a) Angef. Ort. Exp. 267. zim- mermann diſſ. de irritabilit. S. 24. (b) Sec. Mem. etc. Exp. 280 565.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/188
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/188>, abgerufen am 25.11.2024.