Fett erfüllten Fächern anträfe, wie der berühmte Per- rault(p), Kollins(q) und Hartsoeker gethan, der besondre Fettdrüsen und Auswurfsgänge zuließ (r). Er entfernt sich auch wenig von der Meinung des Fanto- ni(s), oder des Littre(t). Endlich beschreibt Mor- gagni die Fettsäkchen so, als ob sie mit Kügelchen oder gleichsam mit Drüsenkernchen erfüllt wären (u).
Hier blieb indessen die Muthmaßung noch nicht ste- hen. Denn da im vorigen Jarhunderte einige hin und wieder die Ausführungswege in den grossen Drüsen entdekkten, und Malpighi selbst dieses an den kleinen Bläschen derselben wahr fand, so ward dieser grosse Mann durch solche Gleichförmigkeit hinter das Licht geführt, daß er auch für das Fett besondre Gänge annahm. Er sahe folglich an den Fettstreifen des Nez- zes, neben denen die rothen Gefässe laufen, wie sich an einem Stachelschweine gewisse ölige Striche, die sich von den Streifen unterschieden, durch die Zwischen- räumchen, welche sich zwischen den Gefässen befinden, von einem Streifen nach dem andern gegenüber liegenden herüber bewegten, und daß diese Striche oder Zweige von Fettkügelchen aufgetrieben waren. Er hielte also diese Striche vor wahre Auswurfskanäle, die aus den Schlagadern des Nezzes entstanden wären und das Fett aus dieser seiner Haupt-Niederlage im Thiere überall her- um verführten (x). Jndessen gestehet er doch, nach sei- ner gewöhnlichen Bescheidenheit, daß dieses weiter nichts als eine blosse Vermuthung von ihm wäre (y).
Ganz Europa lies sich beinahe funfzig Jahre lang die gesamte Theorie dieses grossen Mannes ohne Ein-
schränkung
(p)[Spaltenumbruch]Essays de phys. T. III. S. 294. Paris. Ausg.
(q)Samuel collins Syst. of anatom. S. 181.
(r) Nik. HartsoekerSuite des conj. phys. S. 85.
(s)[Spaltenumbruch]
Johann FantoniAnat. corp. hum. ed. 1711. S. 37.
(t)Hist. de l'Acad. des Scienc. 1704. S. 18.
(u) Angef. Ort. S. 39.
(x) S. 35. bis 38. Ebendas.
(y) S. 41.
des menſchlichen Koͤrpers. Fett.
Fett erfuͤllten Faͤchern antraͤfe, wie der beruͤhmte Per- rault(p), Kollins(q) und Hartſoeker gethan, der beſondre Fettdruͤſen und Auswurfsgaͤnge zuließ (r). Er entfernt ſich auch wenig von der Meinung des Fanto- ni(s), oder des Littre(t). Endlich beſchreibt Mor- gagni die Fettſaͤkchen ſo, als ob ſie mit Kuͤgelchen oder gleichſam mit Druͤſenkernchen erfuͤllt waͤren (u).
Hier blieb indeſſen die Muthmaßung noch nicht ſte- hen. Denn da im vorigen Jarhunderte einige hin und wieder die Ausfuͤhrungswege in den groſſen Druͤſen entdekkten, und Malpighi ſelbſt dieſes an den kleinen Blaͤschen derſelben wahr fand, ſo ward dieſer groſſe Mann durch ſolche Gleichfoͤrmigkeit hinter das Licht gefuͤhrt, daß er auch fuͤr das Fett beſondre Gaͤnge annahm. Er ſahe folglich an den Fettſtreifen des Nez- zes, neben denen die rothen Gefaͤſſe laufen, wie ſich an einem Stachelſchweine gewiſſe oͤlige Striche, die ſich von den Streifen unterſchieden, durch die Zwiſchen- raͤumchen, welche ſich zwiſchen den Gefaͤſſen befinden, von einem Streifen nach dem andern gegenuͤber liegenden heruͤber bewegten, und daß dieſe Striche oder Zweige von Fettkuͤgelchen aufgetrieben waren. Er hielte alſo dieſe Striche vor wahre Auswurfskanaͤle, die aus den Schlagadern des Nezzes entſtanden waͤren und das Fett aus dieſer ſeiner Haupt-Niederlage im Thiere uͤberall her- um verfuͤhrten (x). Jndeſſen geſtehet er doch, nach ſei- ner gewoͤhnlichen Beſcheidenheit, daß dieſes weiter nichts als eine bloſſe Vermuthung von ihm waͤre (y).
Ganz Europa lies ſich beinahe funfzig Jahre lang die geſamte Theorie dieſes groſſen Mannes ohne Ein-
ſchraͤnkung
(p)[Spaltenumbruch]Eſſays de phyſ. T. III. S. 294. Pariſ. Ausg.
(q)Samuel collins Syſt. of anatom. S. 181.
(r) Nik. HartſoekerSuite des conj. phyſ. S. 85.
(s)[Spaltenumbruch]
Johann FantoniAnat. corp. hum. ed. 1711. S. 37.
(t)Hiſt. de l’Acad. des Scienc. 1704. S. 18.
(u) Angef. Ort. S. 39.
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[63/0119]
des menſchlichen Koͤrpers. Fett.
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beſondre Fettdruͤſen und Auswurfsgaͤnge zuließ (r). Er
entfernt ſich auch wenig von der Meinung des Fanto-
ni (s), oder des Littre (t). Endlich beſchreibt Mor-
gagni die Fettſaͤkchen ſo, als ob ſie mit Kuͤgelchen oder
gleichſam mit Druͤſenkernchen erfuͤllt waͤren (u).
Hier blieb indeſſen die Muthmaßung noch nicht ſte-
hen. Denn da im vorigen Jarhunderte einige hin
und wieder die Ausfuͤhrungswege in den groſſen Druͤſen
entdekkten, und Malpighi ſelbſt dieſes an den kleinen
Blaͤschen derſelben wahr fand, ſo ward dieſer groſſe
Mann durch ſolche Gleichfoͤrmigkeit hinter das Licht
gefuͤhrt, daß er auch fuͤr das Fett beſondre Gaͤnge
annahm. Er ſahe folglich an den Fettſtreifen des Nez-
zes, neben denen die rothen Gefaͤſſe laufen, wie ſich an
einem Stachelſchweine gewiſſe oͤlige Striche, die ſich
von den Streifen unterſchieden, durch die Zwiſchen-
raͤumchen, welche ſich zwiſchen den Gefaͤſſen befinden, von
einem Streifen nach dem andern gegenuͤber liegenden
heruͤber bewegten, und daß dieſe Striche oder Zweige
von Fettkuͤgelchen aufgetrieben waren. Er hielte alſo
dieſe Striche vor wahre Auswurfskanaͤle, die aus den
Schlagadern des Nezzes entſtanden waͤren und das Fett
aus dieſer ſeiner Haupt-Niederlage im Thiere uͤberall her-
um verfuͤhrten (x). Jndeſſen geſtehet er doch, nach ſei-
ner gewoͤhnlichen Beſcheidenheit, daß dieſes weiter nichts
als eine bloſſe Vermuthung von ihm waͤre (y).
Ganz Europa lies ſich beinahe funfzig Jahre lang
die geſamte Theorie dieſes groſſen Mannes ohne Ein-
ſchraͤnkung
(p)
Eſſays de phyſ. T. III.
S. 294. Pariſ. Ausg.
(q) Samuel collins Syſt. of
anatom. S. 181.
(r) Nik. Hartſoeker Suite des
conj. phyſ. S. 85.
(s)
Johann Fantoni Anat. corp.
hum. ed. 1711. S. 37.
(t) Hiſt. de l’Acad. des Scienc.
1704. S. 18.
(u) Angef. Ort. S. 39.
(x) S. 35. bis 38. Ebendaſ.
(y) S. 41.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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