Von dem Sauren ist man nicht so vollkommen un- terrichtet, und es behauptete nur unlängst der berühmte Pinelli(d), daß man ganz und gar nichts Saures aus dem thierischen Fette ziehen könne, indem er in dem Fet- te kein ander Salz, als ein flüchtig Laugensalz, zuließ. Jch kan eigentlich noch nicht bestimmen, wer zuerst ein saures Salz darinnen entdekkt hat. Jn der That hat der erfahrne Karthäuser(e) erinnert, daß man aus dem Talge der Thiere einen sauren Saft durch das Uebertrei- ben erhalte, und diesen hat der gelehrte Grüzmacher ausführlicher beschrieben (f), ob er gleich nur eine sehr geringe Quantität desselben erhalten konnte (g). Viel genauer zog unser berühmter Rhades, auf mein Ein- rathen und Erinnern, das von unsrem öffentlichen Zer- gliederungssaale erhaltene Menschenfett über dem Feuer ab (h). Es stieg anfänglich eine helle Feuchtigkeit, hierauf ein wachsartiges Butteroel, und noch ein andres flüssiges Oel herüber. Hiernechst kam eine rusartige flüchtige Feuchtigkeit, welche brandig und sauer war, und 14 Drachmen, von 16 Unzen Fett, am Gewichte betrug, zum Vorschein. Jch kostete nicht nur diesen Saft wie er war, sondern ich sahe auch, daß er den Violensirup, wenn man ihn damit vermischte, grün färbte, mit lau- genhaften Säften aufbrausete, und mit flüchtigen Sal- zen zu dergleichen Cristallnadeln anschoß (i), wie man aus dem Bernstein- und Hirschhorn-Salz erhält. Hier- auf trieb dieser berühmte Mann (k) das vorher bemeldete dikke wachsartige Oel noch weiter über. Hiervon erhielt er eine butterhafte Masse, ein kläreres Oel, hierauf ein saures
Wasser,
(d)[Spaltenumbruch]De Podagra. S. 228.
(e) Joh. Fridr. Karthäuserde Princ. specif. S. 41. verglichen mit seinen Fundam. mat. med. T. II. S. 518.
(f) Angef. Ort. N. 14. u. s. w.
(g) Funfzehn Gran aus zwoen [Spaltenumbruch]
Unzen Fett; doch noch einmal so viel, als aus dem Marke. N. 14. 15.
(h)rhades angef. Ort. S. 38. N. 63.
(i) S. 39. N. 64.
(k) S. 41. N. 66.
Erſtes Buch. Elementartheile
Von dem Sauren iſt man nicht ſo vollkommen un- terrichtet, und es behauptete nur unlaͤngſt der beruͤhmte Pinelli(d), daß man ganz und gar nichts Saures aus dem thieriſchen Fette ziehen koͤnne, indem er in dem Fet- te kein ander Salz, als ein fluͤchtig Laugenſalz, zuließ. Jch kan eigentlich noch nicht beſtimmen, wer zuerſt ein ſaures Salz darinnen entdekkt hat. Jn der That hat der erfahrne Karthaͤuſer(e) erinnert, daß man aus dem Talge der Thiere einen ſauren Saft durch das Uebertrei- ben erhalte, und dieſen hat der gelehrte Gruͤzmacher ausfuͤhrlicher beſchrieben (f), ob er gleich nur eine ſehr geringe Quantitaͤt deſſelben erhalten konnte (g). Viel genauer zog unſer beruͤhmter Rhades, auf mein Ein- rathen und Erinnern, das von unſrem oͤffentlichen Zer- gliederungsſaale erhaltene Menſchenfett uͤber dem Feuer ab (h). Es ſtieg anfaͤnglich eine helle Feuchtigkeit, hierauf ein wachsartiges Butteroel, und noch ein andres fluͤſſiges Oel heruͤber. Hiernechſt kam eine rusartige fluͤchtige Feuchtigkeit, welche brandig und ſauer war, und 14 Drachmen, von 16 Unzen Fett, am Gewichte betrug, zum Vorſchein. Jch koſtete nicht nur dieſen Saft wie er war, ſondern ich ſahe auch, daß er den Violenſirup, wenn man ihn damit vermiſchte, gruͤn faͤrbte, mit lau- genhaften Saͤften aufbrauſete, und mit fluͤchtigen Sal- zen zu dergleichen Criſtallnadeln anſchoß (i), wie man aus dem Bernſtein- und Hirſchhorn-Salz erhaͤlt. Hier- auf trieb dieſer beruͤhmte Mann (k) das vorher bemeldete dikke wachsartige Oel noch weiter uͤber. Hiervon erhielt er eine butterhafte Maſſe, ein klaͤreres Oel, hierauf ein ſaures
Waſſer,
(d)[Spaltenumbruch]De Podagra. S. 228.
(e) Joh. Fridr. Karthäuſerde Princ. ſpecif. S. 41. verglichen mit ſeinen Fundam. mat. med. T. II. S. 518.
(f) Angef. Ort. N. 14. u. ſ. w.
(g) Funfzehn Gran aus zwoen [Spaltenumbruch]
Unzen Fett; doch noch einmal ſo viel, als aus dem Marke. N. 14. 15.
(h)rhades angef. Ort. S. 38. N. 63.
(i) S. 39. N. 64.
(k) S. 41. N. 66.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0114"n="58"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erſtes Buch. Elementartheile</hi></fw><lb/><p>Von dem Sauren iſt man nicht ſo vollkommen un-<lb/>
terrichtet, und es behauptete nur unlaͤngſt der beruͤhmte<lb/><hirendition="#fr">Pinelli</hi><noteplace="foot"n="(d)"><cb/><hirendition="#aq">De Podagra.</hi> S. 228.</note>, daß man ganz und gar nichts Saures aus<lb/>
dem thieriſchen Fette ziehen koͤnne, indem er in dem Fet-<lb/>
te kein ander Salz, als ein fluͤchtig Laugenſalz, zuließ.<lb/>
Jch kan eigentlich noch nicht beſtimmen, wer zuerſt ein<lb/>ſaures Salz darinnen entdekkt hat. Jn der That hat der<lb/>
erfahrne <hirendition="#fr">Karthaͤuſer</hi><noteplace="foot"n="(e)">Joh. Fridr. <hirendition="#fr">Karthäuſer</hi><hirendition="#aq">de<lb/>
Princ. ſpecif.</hi> S. 41. verglichen<lb/>
mit ſeinen <hirendition="#aq">Fundam. mat. med. T.<lb/>
II.</hi> S. 518.</note> erinnert, daß man aus dem<lb/>
Talge der Thiere einen ſauren Saft durch das Uebertrei-<lb/>
ben erhalte, und dieſen hat der gelehrte <hirendition="#fr">Gruͤzmacher</hi><lb/>
ausfuͤhrlicher beſchrieben <noteplace="foot"n="(f)">Angef. Ort. N. 14. u. ſ. w.</note>, ob er gleich nur eine ſehr<lb/>
geringe Quantitaͤt deſſelben erhalten konnte <noteplace="foot"n="(g)">Funfzehn Gran aus zwoen<lb/><cb/>
Unzen Fett; doch noch einmal ſo<lb/>
viel, als aus dem Marke. N. 14. 15.</note>. Viel<lb/>
genauer zog unſer beruͤhmter <hirendition="#fr">Rhades,</hi> auf mein Ein-<lb/>
rathen und Erinnern, das von unſrem oͤffentlichen Zer-<lb/>
gliederungsſaale erhaltene Menſchenfett uͤber dem<lb/>
Feuer ab <noteplace="foot"n="(h)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">rhades</hi></hi></hi> angef. Ort. S. 38.<lb/>
N. 63.</note>. Es ſtieg anfaͤnglich eine helle Feuchtigkeit,<lb/>
hierauf ein wachsartiges Butteroel, und noch ein andres<lb/>
fluͤſſiges Oel heruͤber. Hiernechſt kam eine rusartige<lb/>
fluͤchtige Feuchtigkeit, welche brandig und ſauer war, und<lb/>
14 Drachmen, von 16 Unzen Fett, am Gewichte betrug,<lb/>
zum Vorſchein. Jch koſtete nicht nur dieſen Saft wie<lb/>
er war, ſondern ich ſahe auch, daß er den Violenſirup,<lb/>
wenn man ihn damit vermiſchte, gruͤn faͤrbte, mit lau-<lb/>
genhaften Saͤften aufbrauſete, und mit fluͤchtigen Sal-<lb/>
zen zu dergleichen Criſtallnadeln anſchoß <noteplace="foot"n="(i)">S. 39. N. 64.</note>, wie man<lb/>
aus dem Bernſtein- und Hirſchhorn-Salz erhaͤlt. Hier-<lb/>
auf trieb dieſer beruͤhmte Mann <noteplace="foot"n="(k)">S. 41. N. 66.</note> das vorher bemeldete<lb/>
dikke wachsartige Oel noch weiter uͤber. Hiervon erhielt er<lb/>
eine butterhafte Maſſe, ein klaͤreres Oel, hierauf ein ſaures<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Waſſer,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[58/0114]
Erſtes Buch. Elementartheile
Von dem Sauren iſt man nicht ſo vollkommen un-
terrichtet, und es behauptete nur unlaͤngſt der beruͤhmte
Pinelli (d), daß man ganz und gar nichts Saures aus
dem thieriſchen Fette ziehen koͤnne, indem er in dem Fet-
te kein ander Salz, als ein fluͤchtig Laugenſalz, zuließ.
Jch kan eigentlich noch nicht beſtimmen, wer zuerſt ein
ſaures Salz darinnen entdekkt hat. Jn der That hat der
erfahrne Karthaͤuſer (e) erinnert, daß man aus dem
Talge der Thiere einen ſauren Saft durch das Uebertrei-
ben erhalte, und dieſen hat der gelehrte Gruͤzmacher
ausfuͤhrlicher beſchrieben (f), ob er gleich nur eine ſehr
geringe Quantitaͤt deſſelben erhalten konnte (g). Viel
genauer zog unſer beruͤhmter Rhades, auf mein Ein-
rathen und Erinnern, das von unſrem oͤffentlichen Zer-
gliederungsſaale erhaltene Menſchenfett uͤber dem
Feuer ab (h). Es ſtieg anfaͤnglich eine helle Feuchtigkeit,
hierauf ein wachsartiges Butteroel, und noch ein andres
fluͤſſiges Oel heruͤber. Hiernechſt kam eine rusartige
fluͤchtige Feuchtigkeit, welche brandig und ſauer war, und
14 Drachmen, von 16 Unzen Fett, am Gewichte betrug,
zum Vorſchein. Jch koſtete nicht nur dieſen Saft wie
er war, ſondern ich ſahe auch, daß er den Violenſirup,
wenn man ihn damit vermiſchte, gruͤn faͤrbte, mit lau-
genhaften Saͤften aufbrauſete, und mit fluͤchtigen Sal-
zen zu dergleichen Criſtallnadeln anſchoß (i), wie man
aus dem Bernſtein- und Hirſchhorn-Salz erhaͤlt. Hier-
auf trieb dieſer beruͤhmte Mann (k) das vorher bemeldete
dikke wachsartige Oel noch weiter uͤber. Hiervon erhielt er
eine butterhafte Maſſe, ein klaͤreres Oel, hierauf ein ſaures
Waſſer,
(d)
De Podagra. S. 228.
(e) Joh. Fridr. Karthäuſer de
Princ. ſpecif. S. 41. verglichen
mit ſeinen Fundam. mat. med. T.
II. S. 518.
(f) Angef. Ort. N. 14. u. ſ. w.
(g) Funfzehn Gran aus zwoen
Unzen Fett; doch noch einmal ſo
viel, als aus dem Marke. N. 14. 15.
(h) rhades angef. Ort. S. 38.
N. 63.
(i) S. 39. N. 64.
(k) S. 41. N. 66.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/114>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.