daß das Blut, zur Zeit der Erweiterung des Herzens, in die Kranzschlagadern getrieben werde, und darinnen durch ein Aufwallen, oder auf andere Weise, die Zusammenzie- hung erwekke: daß es aber nachhero von dem in der Zu- sammenziehung begriffenen Herzen wieder herausgetrie- ben werde, das hat er aus einer blossen Muthmassung an- gegeben.
Gegen den Anfang dieses Jahrhunderts hat Chri- stian Stroem(h), aus der Zergliederungskunst, eine fast gleiche Auflösung dieser Erscheinung hergenommen. Er glaubte nämlich, es hätten die Aortenklappen eine sol- che Lage, daß sie von dem Blute, das aus der linken Herz- kammer herauskommt, verschlossen würden, und daß die Kranzschlagadern ihr Blut nicht von der Kraft des zu- sammengezogenen Herzens, sondern von der zusammen- fallenden Aorte bekämen. Er sezzet ferner zwischen den Geistern und dem Blute einen solchen Gegenkampf (an- tagonismus), daß die Herzfasern von dem in die Kranz- schlagadern tretenden Blute ausgedehnt und schlaff ge- macht würden, und auf diese Weise brächte das Blut die Erweiterung des Herzens zuwege. Es würde aber das in dieser Schlaffheit sich selbst überlassene Herz wiederum von der geistigen Flüssigkeit veranlasset, sich zusammen zu ziehen, und sein Blut in die Aorte zu treiben: und die- ses Blut würde von den Mündungen der Kranzschlag- adern, welche unter-dem Schuzze ihrer Klappen gesichert wären abgehalten, damit es nicht die Zusammenziehung verhindern möge. Solchergestalt würden die Klappen, wenn sich das Herz ausgeleeret hat, wieder schlaff, und es werde das Blut von der zusammengezogenen Aorte in die Kranzschlagadern hineingetrieben; hierauf strekten sich die verkürzte Herzfasern wieder aus, und es folge eben eine solche Erweiterung des Herzens wieder, wie vorher.
Domi-
(h)Nov. Theor. machin. animal. Propos. V.
Urſachen des Herzſchlages.
daß das Blut, zur Zeit der Erweiterung des Herzens, in die Kranzſchlagadern getrieben werde, und darinnen durch ein Aufwallen, oder auf andere Weiſe, die Zuſammenzie- hung erwekke: daß es aber nachhero von dem in der Zu- ſammenziehung begriffenen Herzen wieder herausgetrie- ben werde, das hat er aus einer bloſſen Muthmaſſung an- gegeben.
Gegen den Anfang dieſes Jahrhunderts hat Chri- ſtian Stroem(h), aus der Zergliederungskunſt, eine faſt gleiche Aufloͤſung dieſer Erſcheinung hergenommen. Er glaubte naͤmlich, es haͤtten die Aortenklappen eine ſol- che Lage, daß ſie von dem Blute, das aus der linken Herz- kammer herauskommt, verſchloſſen wuͤrden, und daß die Kranzſchlagadern ihr Blut nicht von der Kraft des zu- ſammengezogenen Herzens, ſondern von der zuſammen- fallenden Aorte bekaͤmen. Er ſezzet ferner zwiſchen den Geiſtern und dem Blute einen ſolchen Gegenkampf (an- tagonismus), daß die Herzfaſern von dem in die Kranz- ſchlagadern tretenden Blute ausgedehnt und ſchlaff ge- macht wuͤrden, und auf dieſe Weiſe braͤchte das Blut die Erweiterung des Herzens zuwege. Es wuͤrde aber das in dieſer Schlaffheit ſich ſelbſt uͤberlaſſene Herz wiederum von der geiſtigen Fluͤſſigkeit veranlaſſet, ſich zuſammen zu ziehen, und ſein Blut in die Aorte zu treiben: und die- ſes Blut wuͤrde von den Muͤndungen der Kranzſchlag- adern, welche unter-dem Schuzze ihrer Klappen geſichert waͤren abgehalten, damit es nicht die Zuſammenziehung verhindern moͤge. Solchergeſtalt wuͤrden die Klappen, wenn ſich das Herz ausgeleeret hat, wieder ſchlaff, und es werde das Blut von der zuſammengezogenen Aorte in die Kranzſchlagadern hineingetrieben; hierauf ſtrekten ſich die verkuͤrzte Herzfaſern wieder aus, und es folge eben eine ſolche Erweiterung des Herzens wieder, wie vorher.
Domi-
(h)Nov. Theor. machin. animal. Propoſ. V.
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Urſachen des Herzſchlages.
daß das Blut, zur Zeit der Erweiterung des Herzens, in
die Kranzſchlagadern getrieben werde, und darinnen durch
ein Aufwallen, oder auf andere Weiſe, die Zuſammenzie-
hung erwekke: daß es aber nachhero von dem in der Zu-
ſammenziehung begriffenen Herzen wieder herausgetrie-
ben werde, das hat er aus einer bloſſen Muthmaſſung an-
gegeben.
Gegen den Anfang dieſes Jahrhunderts hat Chri-
ſtian Stroem (h), aus der Zergliederungskunſt, eine
faſt gleiche Aufloͤſung dieſer Erſcheinung hergenommen.
Er glaubte naͤmlich, es haͤtten die Aortenklappen eine ſol-
che Lage, daß ſie von dem Blute, das aus der linken Herz-
kammer herauskommt, verſchloſſen wuͤrden, und daß die
Kranzſchlagadern ihr Blut nicht von der Kraft des zu-
ſammengezogenen Herzens, ſondern von der zuſammen-
fallenden Aorte bekaͤmen. Er ſezzet ferner zwiſchen den
Geiſtern und dem Blute einen ſolchen Gegenkampf (an-
tagonismus), daß die Herzfaſern von dem in die Kranz-
ſchlagadern tretenden Blute ausgedehnt und ſchlaff ge-
macht wuͤrden, und auf dieſe Weiſe braͤchte das Blut die
Erweiterung des Herzens zuwege. Es wuͤrde aber das
in dieſer Schlaffheit ſich ſelbſt uͤberlaſſene Herz wiederum
von der geiſtigen Fluͤſſigkeit veranlaſſet, ſich zuſammen
zu ziehen, und ſein Blut in die Aorte zu treiben: und die-
ſes Blut wuͤrde von den Muͤndungen der Kranzſchlag-
adern, welche unter-dem Schuzze ihrer Klappen geſichert
waͤren abgehalten, damit es nicht die Zuſammenziehung
verhindern moͤge. Solchergeſtalt wuͤrden die Klappen,
wenn ſich das Herz ausgeleeret hat, wieder ſchlaff, und
es werde das Blut von der zuſammengezogenen Aorte in
die Kranzſchlagadern hineingetrieben; hierauf ſtrekten
ſich die verkuͤrzte Herzfaſern wieder aus, und es folge eben
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 957. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/1013>, abgerufen am 23.11.2024.
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