ben. Es muß aber das Blut noch flüßig, und das Herz und die Muskeln noch nicht steif seyn, auch keine Fäulung bereits die Oberhand bekommen haben.
Eine ganz besondere Art von dergleichen Erwekkung ist diejenige, wenn das in denen Blutadern befindliche Blut auf die einfachste Weise von einem sehr heftigen Drukke in das rechte Ohr gepresset wird, um den Reiz abzugeben, wodurch das Ohr und das Herze selbst wie- der in Bewegung gesezzet wird. Von dieser Art war der bekannte und tödliche Versuch, welcher dem Vesa- lius die Verbannung, und sogar den Tod auf einer abge- legenen Küste zuzog. Denn als er den Körper einer ade- lichen Dame aus Uebereilung, da sie kaum verblichen, und noch warm war, eröfnete, so äusserten sich durch den Herzschlag deutliche Zeichen eines noch vorhandenen Le- bens. Da man nun dieserwegen einen Haß auf ihn warf, und ihn gerichtlich belangte, so konnte ihn Phi- lipp der andere nicht anders von der Todesstrafe erretten, als daß er eine Wallfart thun muste, da er denn auf der Rükreise von Jerusalem, auf der Jnsul Zacinthus ver- starb. So berichtet es Thuanus, und so hat es Am- brosius Pareus(o) neun Jahre nach dieses Mannes To- de in seinen Schriften angemerket. Eben dieses war auch die Ursache, daß Siegel(p) von dem Schrekken ei- ne sehr schwere Krankheit ausstehen muste. Man glaubt aber, daß die umstehenden Freunde, welche sich auf die Brust des verstorbenen gestüzt hatten, das Blut in das rechte Herzohr möchten gepresset haben. Man findet auch, daß es mehrern Zergliederern also ergangen, daß sie in einem Körper, den sie vor todt gehalten, das Herz schlagend gefunden, weil sie nicht daran gedacht haben, daß das noch weiche Herz von dem flüßigen Blute in der
That
(o)[Spaltenumbruch]De la generation, S. 236. wiewol unter verdektem Namen, und deutlicher in der Sammlung [Spaltenumbruch]
aller seiner Werke, L. XIII. c. 46.
(p) Beim BartholinusLymph. S. 27.
Viertes Buch. Das Herz.
ben. Es muß aber das Blut noch fluͤßig, und das Herz und die Muskeln noch nicht ſteif ſeyn, auch keine Faͤulung bereits die Oberhand bekommen haben.
Eine ganz beſondere Art von dergleichen Erwekkung iſt diejenige, wenn das in denen Blutadern befindliche Blut auf die einfachſte Weiſe von einem ſehr heftigen Drukke in das rechte Ohr gepreſſet wird, um den Reiz abzugeben, wodurch das Ohr und das Herze ſelbſt wie- der in Bewegung geſezzet wird. Von dieſer Art war der bekannte und toͤdliche Verſuch, welcher dem Veſa- lius die Verbannung, und ſogar den Tod auf einer abge- legenen Kuͤſte zuzog. Denn als er den Koͤrper einer ade- lichen Dame aus Uebereilung, da ſie kaum verblichen, und noch warm war, eroͤfnete, ſo aͤuſſerten ſich durch den Herzſchlag deutliche Zeichen eines noch vorhandenen Le- bens. Da man nun dieſerwegen einen Haß auf ihn warf, und ihn gerichtlich belangte, ſo konnte ihn Phi- lipp der andere nicht anders von der Todesſtrafe erretten, als daß er eine Wallfart thun muſte, da er denn auf der Ruͤkreiſe von Jeruſalem, auf der Jnſul Zacinthus ver- ſtarb. So berichtet es Thuanus, und ſo hat es Am- broſius Pareus(o) neun Jahre nach dieſes Mannes To- de in ſeinen Schriften angemerket. Eben dieſes war auch die Urſache, daß Siegel(p) von dem Schrekken ei- ne ſehr ſchwere Krankheit ausſtehen muſte. Man glaubt aber, daß die umſtehenden Freunde, welche ſich auf die Bruſt des verſtorbenen geſtuͤzt hatten, das Blut in das rechte Herzohr moͤchten gepreſſet haben. Man findet auch, daß es mehrern Zergliederern alſo ergangen, daß ſie in einem Koͤrper, den ſie vor todt gehalten, das Herz ſchlagend gefunden, weil ſie nicht daran gedacht haben, daß das noch weiche Herz von dem fluͤßigen Blute in der
That
(o)[Spaltenumbruch]De la generation, S. 236. wiewol unter verdektem Namen, und deutlicher in der Sammlung [Spaltenumbruch]
aller ſeiner Werke, L. XIII. c. 46.
(p) Beim BartholinusLymph. S. 27.
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[952/1008]
Viertes Buch. Das Herz.
ben. Es muß aber das Blut noch fluͤßig, und das Herz
und die Muskeln noch nicht ſteif ſeyn, auch keine Faͤulung
bereits die Oberhand bekommen haben.
Eine ganz beſondere Art von dergleichen Erwekkung
iſt diejenige, wenn das in denen Blutadern befindliche
Blut auf die einfachſte Weiſe von einem ſehr heftigen
Drukke in das rechte Ohr gepreſſet wird, um den Reiz
abzugeben, wodurch das Ohr und das Herze ſelbſt wie-
der in Bewegung geſezzet wird. Von dieſer Art war
der bekannte und toͤdliche Verſuch, welcher dem Veſa-
lius die Verbannung, und ſogar den Tod auf einer abge-
legenen Kuͤſte zuzog. Denn als er den Koͤrper einer ade-
lichen Dame aus Uebereilung, da ſie kaum verblichen,
und noch warm war, eroͤfnete, ſo aͤuſſerten ſich durch den
Herzſchlag deutliche Zeichen eines noch vorhandenen Le-
bens. Da man nun dieſerwegen einen Haß auf ihn
warf, und ihn gerichtlich belangte, ſo konnte ihn Phi-
lipp der andere nicht anders von der Todesſtrafe erretten,
als daß er eine Wallfart thun muſte, da er denn auf der
Ruͤkreiſe von Jeruſalem, auf der Jnſul Zacinthus ver-
ſtarb. So berichtet es Thuanus, und ſo hat es Am-
broſius Pareus (o) neun Jahre nach dieſes Mannes To-
de in ſeinen Schriften angemerket. Eben dieſes war
auch die Urſache, daß Siegel (p) von dem Schrekken ei-
ne ſehr ſchwere Krankheit ausſtehen muſte. Man glaubt
aber, daß die umſtehenden Freunde, welche ſich auf die
Bruſt des verſtorbenen geſtuͤzt hatten, das Blut in das
rechte Herzohr moͤchten gepreſſet haben. Man findet
auch, daß es mehrern Zergliederern alſo ergangen, daß ſie
in einem Koͤrper, den ſie vor todt gehalten, das Herz
ſchlagend gefunden, weil ſie nicht daran gedacht haben,
daß das noch weiche Herz von dem fluͤßigen Blute in der
That
(o)
De la generation, S. 236.
wiewol unter verdektem Namen,
und deutlicher in der Sammlung
aller ſeiner Werke, L. XIII. c. 46.
(p) Beim Bartholinus Lymph.
S. 27.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 952. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/1008>, abgerufen am 23.11.2024.
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