Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Das Herz.
ben. Es muß aber das Blut noch flüßig, und das Herz
und die Muskeln noch nicht steif seyn, auch keine Fäulung
bereits die Oberhand bekommen haben.

Eine ganz besondere Art von dergleichen Erwekkung
ist diejenige, wenn das in denen Blutadern befindliche
Blut auf die einfachste Weise von einem sehr heftigen
Drukke in das rechte Ohr gepresset wird, um den Reiz
abzugeben, wodurch das Ohr und das Herze selbst wie-
der in Bewegung gesezzet wird. Von dieser Art war
der bekannte und tödliche Versuch, welcher dem Vesa-
lius
die Verbannung, und sogar den Tod auf einer abge-
legenen Küste zuzog. Denn als er den Körper einer ade-
lichen Dame aus Uebereilung, da sie kaum verblichen,
und noch warm war, eröfnete, so äusserten sich durch den
Herzschlag deutliche Zeichen eines noch vorhandenen Le-
bens. Da man nun dieserwegen einen Haß auf ihn
warf, und ihn gerichtlich belangte, so konnte ihn Phi-
lipp der andere nicht anders von der Todesstrafe erretten,
als daß er eine Wallfart thun muste, da er denn auf der
Rükreise von Jerusalem, auf der Jnsul Zacinthus ver-
starb. So berichtet es Thuanus, und so hat es Am-
brosius Pareus (o) neun Jahre nach dieses Mannes To-
de in seinen Schriften angemerket. Eben dieses war
auch die Ursache, daß Siegel (p) von dem Schrekken ei-
ne sehr schwere Krankheit ausstehen muste. Man glaubt
aber, daß die umstehenden Freunde, welche sich auf die
Brust des verstorbenen gestüzt hatten, das Blut in das
rechte Herzohr möchten gepresset haben. Man findet
auch, daß es mehrern Zergliederern also ergangen, daß sie
in einem Körper, den sie vor todt gehalten, das Herz
schlagend gefunden, weil sie nicht daran gedacht haben,
daß das noch weiche Herz von dem flüßigen Blute in der

That
(o) [Spaltenumbruch] De la generation, S. 236.
wiewol unter verdektem Namen,
und deutlicher in der Sammlung
[Spaltenumbruch] aller seiner Werke, L. XIII. c. 46.
(p) Beim Bartholinus Lymph.
S. 27.

Viertes Buch. Das Herz.
ben. Es muß aber das Blut noch fluͤßig, und das Herz
und die Muskeln noch nicht ſteif ſeyn, auch keine Faͤulung
bereits die Oberhand bekommen haben.

Eine ganz beſondere Art von dergleichen Erwekkung
iſt diejenige, wenn das in denen Blutadern befindliche
Blut auf die einfachſte Weiſe von einem ſehr heftigen
Drukke in das rechte Ohr gepreſſet wird, um den Reiz
abzugeben, wodurch das Ohr und das Herze ſelbſt wie-
der in Bewegung geſezzet wird. Von dieſer Art war
der bekannte und toͤdliche Verſuch, welcher dem Veſa-
lius
die Verbannung, und ſogar den Tod auf einer abge-
legenen Kuͤſte zuzog. Denn als er den Koͤrper einer ade-
lichen Dame aus Uebereilung, da ſie kaum verblichen,
und noch warm war, eroͤfnete, ſo aͤuſſerten ſich durch den
Herzſchlag deutliche Zeichen eines noch vorhandenen Le-
bens. Da man nun dieſerwegen einen Haß auf ihn
warf, und ihn gerichtlich belangte, ſo konnte ihn Phi-
lipp der andere nicht anders von der Todesſtrafe erretten,
als daß er eine Wallfart thun muſte, da er denn auf der
Ruͤkreiſe von Jeruſalem, auf der Jnſul Zacinthus ver-
ſtarb. So berichtet es Thuanus, und ſo hat es Am-
broſius Pareus (o) neun Jahre nach dieſes Mannes To-
de in ſeinen Schriften angemerket. Eben dieſes war
auch die Urſache, daß Siegel (p) von dem Schrekken ei-
ne ſehr ſchwere Krankheit ausſtehen muſte. Man glaubt
aber, daß die umſtehenden Freunde, welche ſich auf die
Bruſt des verſtorbenen geſtuͤzt hatten, das Blut in das
rechte Herzohr moͤchten gepreſſet haben. Man findet
auch, daß es mehrern Zergliederern alſo ergangen, daß ſie
in einem Koͤrper, den ſie vor todt gehalten, das Herz
ſchlagend gefunden, weil ſie nicht daran gedacht haben,
daß das noch weiche Herz von dem fluͤßigen Blute in der

That
(o) [Spaltenumbruch] De la generation, S. 236.
wiewol unter verdektem Namen,
und deutlicher in der Sammlung
[Spaltenumbruch] aller ſeiner Werke, L. XIII. c. 46.
(p) Beim Bartholinus Lymph.
S. 27.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f1008" n="952"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
ben. Es muß aber das Blut noch flu&#x0364;ßig, und das Herz<lb/>
und die Muskeln noch nicht &#x017F;teif &#x017F;eyn, auch keine Fa&#x0364;ulung<lb/>
bereits die Oberhand bekommen haben.</p><lb/>
            <p>Eine ganz be&#x017F;ondere Art von dergleichen Erwekkung<lb/>
i&#x017F;t diejenige, wenn das in denen Blutadern befindliche<lb/>
Blut auf die einfach&#x017F;te Wei&#x017F;e von einem &#x017F;ehr heftigen<lb/>
Drukke in das rechte Ohr gepre&#x017F;&#x017F;et wird, um den Reiz<lb/>
abzugeben, wodurch das Ohr und das Herze &#x017F;elb&#x017F;t wie-<lb/>
der in Bewegung ge&#x017F;ezzet wird. Von die&#x017F;er Art war<lb/>
der bekannte und to&#x0364;dliche Ver&#x017F;uch, welcher dem <hi rendition="#fr">Ve&#x017F;a-<lb/>
lius</hi> die Verbannung, und &#x017F;ogar den Tod auf einer abge-<lb/>
legenen Ku&#x0364;&#x017F;te zuzog. Denn als er den Ko&#x0364;rper einer ade-<lb/>
lichen Dame aus Uebereilung, da &#x017F;ie kaum verblichen,<lb/>
und noch warm war, ero&#x0364;fnete, &#x017F;o a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erten &#x017F;ich durch den<lb/>
Herz&#x017F;chlag deutliche Zeichen eines noch vorhandenen Le-<lb/>
bens. Da man nun die&#x017F;erwegen einen Haß auf ihn<lb/>
warf, und ihn gerichtlich belangte, &#x017F;o konnte ihn Phi-<lb/>
lipp der andere nicht anders von der Todes&#x017F;trafe erretten,<lb/>
als daß er eine Wallfart thun mu&#x017F;te, da er denn auf der<lb/>
Ru&#x0364;krei&#x017F;e von Jeru&#x017F;alem, auf der Jn&#x017F;ul Zacinthus ver-<lb/>
&#x017F;tarb. So berichtet es <hi rendition="#fr">Thuanus,</hi> und &#x017F;o hat es Am-<lb/>
bro&#x017F;ius <hi rendition="#fr">Pareus</hi> <note place="foot" n="(o)"><cb/><hi rendition="#aq">De la generation,</hi> S. 236.<lb/>
wiewol unter verdektem Namen,<lb/>
und deutlicher in der Sammlung<lb/><cb/>
aller &#x017F;einer Werke, <hi rendition="#aq">L. XIII. c.</hi> 46.</note> neun Jahre nach die&#x017F;es Mannes To-<lb/>
de in &#x017F;einen Schriften angemerket. Eben die&#x017F;es war<lb/>
auch die Ur&#x017F;ache, daß <hi rendition="#fr">Siegel</hi> <note place="foot" n="(p)">Beim <hi rendition="#fr">Bartholinus</hi> <hi rendition="#aq">Lymph.</hi><lb/>
S. 27.</note> von dem Schrekken ei-<lb/>
ne &#x017F;ehr &#x017F;chwere Krankheit aus&#x017F;tehen mu&#x017F;te. Man glaubt<lb/>
aber, daß die um&#x017F;tehenden Freunde, welche &#x017F;ich auf die<lb/>
Bru&#x017F;t des ver&#x017F;torbenen ge&#x017F;tu&#x0364;zt hatten, das Blut in das<lb/>
rechte Herzohr mo&#x0364;chten gepre&#x017F;&#x017F;et haben. Man findet<lb/>
auch, daß es mehrern Zergliederern al&#x017F;o ergangen, daß &#x017F;ie<lb/>
in einem Ko&#x0364;rper, den &#x017F;ie vor todt gehalten, das Herz<lb/>
&#x017F;chlagend gefunden, weil &#x017F;ie nicht daran gedacht haben,<lb/>
daß das noch weiche Herz von dem flu&#x0364;ßigen Blute in der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">That</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[952/1008] Viertes Buch. Das Herz. ben. Es muß aber das Blut noch fluͤßig, und das Herz und die Muskeln noch nicht ſteif ſeyn, auch keine Faͤulung bereits die Oberhand bekommen haben. Eine ganz beſondere Art von dergleichen Erwekkung iſt diejenige, wenn das in denen Blutadern befindliche Blut auf die einfachſte Weiſe von einem ſehr heftigen Drukke in das rechte Ohr gepreſſet wird, um den Reiz abzugeben, wodurch das Ohr und das Herze ſelbſt wie- der in Bewegung geſezzet wird. Von dieſer Art war der bekannte und toͤdliche Verſuch, welcher dem Veſa- lius die Verbannung, und ſogar den Tod auf einer abge- legenen Kuͤſte zuzog. Denn als er den Koͤrper einer ade- lichen Dame aus Uebereilung, da ſie kaum verblichen, und noch warm war, eroͤfnete, ſo aͤuſſerten ſich durch den Herzſchlag deutliche Zeichen eines noch vorhandenen Le- bens. Da man nun dieſerwegen einen Haß auf ihn warf, und ihn gerichtlich belangte, ſo konnte ihn Phi- lipp der andere nicht anders von der Todesſtrafe erretten, als daß er eine Wallfart thun muſte, da er denn auf der Ruͤkreiſe von Jeruſalem, auf der Jnſul Zacinthus ver- ſtarb. So berichtet es Thuanus, und ſo hat es Am- broſius Pareus (o) neun Jahre nach dieſes Mannes To- de in ſeinen Schriften angemerket. Eben dieſes war auch die Urſache, daß Siegel (p) von dem Schrekken ei- ne ſehr ſchwere Krankheit ausſtehen muſte. Man glaubt aber, daß die umſtehenden Freunde, welche ſich auf die Bruſt des verſtorbenen geſtuͤzt hatten, das Blut in das rechte Herzohr moͤchten gepreſſet haben. Man findet auch, daß es mehrern Zergliederern alſo ergangen, daß ſie in einem Koͤrper, den ſie vor todt gehalten, das Herz ſchlagend gefunden, weil ſie nicht daran gedacht haben, daß das noch weiche Herz von dem fluͤßigen Blute in der That (o) De la generation, S. 236. wiewol unter verdektem Namen, und deutlicher in der Sammlung aller ſeiner Werke, L. XIII. c. 46. (p) Beim Bartholinus Lymph. S. 27.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/1008
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 952. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/1008>, abgerufen am 23.11.2024.