Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.guten Tischordnung ab. Nach welchen Prinzipien dabei zu verfahren ist, kann freilich nicht im einzelnen angegeben werden, das hängt von der Individualität der Gäste ab, doch versteht es sich von selbst, daß man einer würdigen alten Dame nicht einen jungen, kaum in die Welt getretenen Studenten zum Nachbarn gibt, daß man neben einen ernsten Professor der Theologie keine, etwas freier denkende Künstlerin setzt - wenn man solche entgegenstehende Elemente überhaupt zusammen einlädt - u. s. w. Andre ältere Herren wird es vielleicht wieder erfreuen, neben einem frischen jungen Mädchen zu sitzen, ein junger Beamter wird für die Gelegenheit dankbar sein, der Frau seines Vorgesetzten alle Höflichkeit erweisen zu können, die litterarisch hochgebildete Dame wird sich in der Gesellschaft des jungen Schriftstellers gut gefallen u. s. w. Nur vermeide man, Personen nebeneinander zu bringen, von denen man weiß, daß sie sich unsympathisch sind, und daß sie sich, falls sie es wirklich thun, nur gezwungen unterhalten, oder die gar während des ganzen Essens kein Wort miteinander reden: eine solche stille Gegend an einem Tisch berührt oft die ganze Gesellschaft peinlich wie ein kalter Hauch und kann die angeregteste guten Tischordnung ab. Nach welchen Prinzipien dabei zu verfahren ist, kann freilich nicht im einzelnen angegeben werden, das hängt von der Individualität der Gäste ab, doch versteht es sich von selbst, daß man einer würdigen alten Dame nicht einen jungen, kaum in die Welt getretenen Studenten zum Nachbarn gibt, daß man neben einen ernsten Professor der Theologie keine, etwas freier denkende Künstlerin setzt – wenn man solche entgegenstehende Elemente überhaupt zusammen einlädt – u. s. w. Andre ältere Herren wird es vielleicht wieder erfreuen, neben einem frischen jungen Mädchen zu sitzen, ein junger Beamter wird für die Gelegenheit dankbar sein, der Frau seines Vorgesetzten alle Höflichkeit erweisen zu können, die litterarisch hochgebildete Dame wird sich in der Gesellschaft des jungen Schriftstellers gut gefallen u. s. w. Nur vermeide man, Personen nebeneinander zu bringen, von denen man weiß, daß sie sich unsympathisch sind, und daß sie sich, falls sie es wirklich thun, nur gezwungen unterhalten, oder die gar während des ganzen Essens kein Wort miteinander reden: eine solche stille Gegend an einem Tisch berührt oft die ganze Gesellschaft peinlich wie ein kalter Hauch und kann die angeregteste <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="48"/> guten Tischordnung ab. Nach welchen Prinzipien dabei zu verfahren ist, kann freilich nicht im einzelnen angegeben werden, das hängt von der Individualität der Gäste ab, doch versteht es sich von selbst, daß man einer würdigen alten Dame nicht einen jungen, kaum in die Welt getretenen Studenten zum Nachbarn gibt, daß man neben einen ernsten Professor der Theologie keine, etwas freier denkende Künstlerin setzt – wenn man solche entgegenstehende Elemente überhaupt zusammen einlädt – u. s. w. Andre ältere Herren wird es vielleicht wieder erfreuen, neben einem frischen jungen Mädchen zu sitzen, ein junger Beamter wird für die Gelegenheit dankbar sein, der Frau seines Vorgesetzten alle Höflichkeit erweisen zu können, die litterarisch hochgebildete Dame wird sich in der Gesellschaft des jungen Schriftstellers gut gefallen u. s. w. Nur vermeide man, Personen nebeneinander zu bringen, von denen man weiß, daß sie sich unsympathisch sind, und daß sie sich, falls sie es wirklich thun, nur gezwungen unterhalten, oder die gar während des ganzen Essens kein Wort miteinander reden: eine solche stille Gegend an einem Tisch berührt oft die ganze Gesellschaft peinlich wie ein kalter Hauch und kann die angeregteste </p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0058]
guten Tischordnung ab. Nach welchen Prinzipien dabei zu verfahren ist, kann freilich nicht im einzelnen angegeben werden, das hängt von der Individualität der Gäste ab, doch versteht es sich von selbst, daß man einer würdigen alten Dame nicht einen jungen, kaum in die Welt getretenen Studenten zum Nachbarn gibt, daß man neben einen ernsten Professor der Theologie keine, etwas freier denkende Künstlerin setzt – wenn man solche entgegenstehende Elemente überhaupt zusammen einlädt – u. s. w. Andre ältere Herren wird es vielleicht wieder erfreuen, neben einem frischen jungen Mädchen zu sitzen, ein junger Beamter wird für die Gelegenheit dankbar sein, der Frau seines Vorgesetzten alle Höflichkeit erweisen zu können, die litterarisch hochgebildete Dame wird sich in der Gesellschaft des jungen Schriftstellers gut gefallen u. s. w. Nur vermeide man, Personen nebeneinander zu bringen, von denen man weiß, daß sie sich unsympathisch sind, und daß sie sich, falls sie es wirklich thun, nur gezwungen unterhalten, oder die gar während des ganzen Essens kein Wort miteinander reden: eine solche stille Gegend an einem Tisch berührt oft die ganze Gesellschaft peinlich wie ein kalter Hauch und kann die angeregteste
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