Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.nach Hause tragen müssen, und ähnliches; das muß man eben sehen und empfinden. Man kann mit Grüßen aber gar nicht vorsichtig genug sein, denn während es die eine Dame als eine Zuvorkommenheit ansehen wird, wenn man in solchem Fall thut, als bemerke man sie überhaupt nicht, so wird eine andre gerade darin eine doppelte Unhöflichkeit erblicken und glauben, man habe sich ihrer, weil sie bepackt gewesen sei, geschämt, und was dergleichen Annahmen mehr sind, mit denen empfindliche Leute einander das Leben schwer machen. Bemerkt man, daß ein Bekannter aus irgend welchen Gründen nicht gesehen und erst recht nicht gegrüßt zu sein wünscht, so erfordert es allein schon die Diskretion, daß man solchem Wunsch nachkommt. Einem jungen Mann wird es öfter vorkommen, daß er nicht mehr genau weiß, wie die Personen, denen er bei einer Gesellschaft, oder sonst irgendwo vorgestellt worden ist, aussehen. Das ist sehr schlimm; denn dann wird er sie auch auf der Straße nicht wiedererkennen und nicht grüßen. Man muß sich deshalb fremde Gesichter möglichst fest einprägen, der andre aber, der bemerkt, daß er nicht mehr gekannt ist, kann dann wenigstens dem Betreffenden, falls er ihn nicht zuerst grüßen will, nach Hause tragen müssen, und ähnliches; das muß man eben sehen und empfinden. Man kann mit Grüßen aber gar nicht vorsichtig genug sein, denn während es die eine Dame als eine Zuvorkommenheit ansehen wird, wenn man in solchem Fall thut, als bemerke man sie überhaupt nicht, so wird eine andre gerade darin eine doppelte Unhöflichkeit erblicken und glauben, man habe sich ihrer, weil sie bepackt gewesen sei, geschämt, und was dergleichen Annahmen mehr sind, mit denen empfindliche Leute einander das Leben schwer machen. Bemerkt man, daß ein Bekannter aus irgend welchen Gründen nicht gesehen und erst recht nicht gegrüßt zu sein wünscht, so erfordert es allein schon die Diskretion, daß man solchem Wunsch nachkommt. Einem jungen Mann wird es öfter vorkommen, daß er nicht mehr genau weiß, wie die Personen, denen er bei einer Gesellschaft, oder sonst irgendwo vorgestellt worden ist, aussehen. Das ist sehr schlimm; denn dann wird er sie auch auf der Straße nicht wiedererkennen und nicht grüßen. Man muß sich deshalb fremde Gesichter möglichst fest einprägen, der andre aber, der bemerkt, daß er nicht mehr gekannt ist, kann dann wenigstens dem Betreffenden, falls er ihn nicht zuerst grüßen will, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0174" n="164"/> nach Hause tragen müssen, und ähnliches; das muß man eben sehen und empfinden. Man kann mit Grüßen aber gar nicht vorsichtig genug sein, denn während es die eine Dame als eine Zuvorkommenheit ansehen wird, wenn man in solchem Fall thut, als bemerke man sie überhaupt nicht, so wird eine andre gerade darin eine doppelte Unhöflichkeit erblicken und glauben, man habe sich ihrer, weil sie bepackt gewesen sei, geschämt, und was dergleichen Annahmen mehr sind, mit denen empfindliche Leute einander das Leben schwer machen. Bemerkt man, daß ein Bekannter aus irgend welchen Gründen nicht gesehen und erst recht nicht gegrüßt zu sein wünscht, so erfordert es allein schon die Diskretion, daß man solchem Wunsch nachkommt. Einem jungen Mann wird es öfter vorkommen, daß er nicht mehr genau weiß, wie die Personen, denen er bei einer Gesellschaft, oder sonst irgendwo vorgestellt worden ist, aussehen. Das ist sehr schlimm; denn dann wird er sie auch auf der Straße nicht wiedererkennen und nicht grüßen. Man muß sich deshalb fremde Gesichter möglichst fest einprägen, der andre aber, der bemerkt, daß er nicht mehr gekannt ist, kann dann wenigstens dem Betreffenden, falls er ihn nicht zuerst grüßen will, </p> </div> </body> </text> </TEI> [164/0174]
nach Hause tragen müssen, und ähnliches; das muß man eben sehen und empfinden. Man kann mit Grüßen aber gar nicht vorsichtig genug sein, denn während es die eine Dame als eine Zuvorkommenheit ansehen wird, wenn man in solchem Fall thut, als bemerke man sie überhaupt nicht, so wird eine andre gerade darin eine doppelte Unhöflichkeit erblicken und glauben, man habe sich ihrer, weil sie bepackt gewesen sei, geschämt, und was dergleichen Annahmen mehr sind, mit denen empfindliche Leute einander das Leben schwer machen. Bemerkt man, daß ein Bekannter aus irgend welchen Gründen nicht gesehen und erst recht nicht gegrüßt zu sein wünscht, so erfordert es allein schon die Diskretion, daß man solchem Wunsch nachkommt. Einem jungen Mann wird es öfter vorkommen, daß er nicht mehr genau weiß, wie die Personen, denen er bei einer Gesellschaft, oder sonst irgendwo vorgestellt worden ist, aussehen. Das ist sehr schlimm; denn dann wird er sie auch auf der Straße nicht wiedererkennen und nicht grüßen. Man muß sich deshalb fremde Gesichter möglichst fest einprägen, der andre aber, der bemerkt, daß er nicht mehr gekannt ist, kann dann wenigstens dem Betreffenden, falls er ihn nicht zuerst grüßen will,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/174 |
Zitationshilfe: | Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/174>, abgerufen am 23.02.2025. |