Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.berechtigt hält oder es wirklich ist. Schon deshalb darf man sich nie unbeachtet glauben; eine einzige Vernachlässigung des feinen Tones kann die gute Meinung, die man von einem Menschen hat, derart zerstören, daß er nie wieder im stande ist, sich bei andern in das rechte Licht zu setzen; denn darin liegt ja eben das Wesen des guten Tones, daß man sich desselben nicht der andern, sondern seiner selbst wegen befleißigt. Erst dann kann man überhaupt von gutem Ton reden, wenn derselbe nicht mehr in angelernten Manieren besteht, die man hervorkehrt, wenn man sich beobachtet weiß oder in Gesellschaft dazu gezwungen ist, sondern wenn er in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß man stets und überall, also auch, wenn man allein ist oder es zu sein glaubt, handeln muß, wie er es vorschreibt. Die erste Forderung des gutes Tones beim Verkehr auf der Straße ist die, daß man alles Auffällige in Tracht, Gang und Haltung, Sitte und Benehmen vermeidet und den vorgeschriebenen Mittelweg weder nach der einen noch nach der andern Seite hin verläßt. Es versteht sich von selbst, daß der gebildete Mensch sich äußerlich nie so vernachlässigen darf, daß er dadurch die Aufmerksamkeit andrer erregt; er darf berechtigt hält oder es wirklich ist. Schon deshalb darf man sich nie unbeachtet glauben; eine einzige Vernachlässigung des feinen Tones kann die gute Meinung, die man von einem Menschen hat, derart zerstören, daß er nie wieder im stande ist, sich bei andern in das rechte Licht zu setzen; denn darin liegt ja eben das Wesen des guten Tones, daß man sich desselben nicht der andern, sondern seiner selbst wegen befleißigt. Erst dann kann man überhaupt von gutem Ton reden, wenn derselbe nicht mehr in angelernten Manieren besteht, die man hervorkehrt, wenn man sich beobachtet weiß oder in Gesellschaft dazu gezwungen ist, sondern wenn er in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß man stets und überall, also auch, wenn man allein ist oder es zu sein glaubt, handeln muß, wie er es vorschreibt. Die erste Forderung des gutes Tones beim Verkehr auf der Straße ist die, daß man alles Auffällige in Tracht, Gang und Haltung, Sitte und Benehmen vermeidet und den vorgeschriebenen Mittelweg weder nach der einen noch nach der andern Seite hin verläßt. Es versteht sich von selbst, daß der gebildete Mensch sich äußerlich nie so vernachlässigen darf, daß er dadurch die Aufmerksamkeit andrer erregt; er darf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0163" n="153"/> berechtigt hält oder es wirklich ist. Schon deshalb darf man sich nie unbeachtet glauben; eine einzige Vernachlässigung des feinen Tones kann die gute Meinung, die man von einem Menschen hat, derart zerstören, daß er nie wieder im stande ist, sich bei andern in das rechte Licht zu setzen; denn darin liegt ja eben das Wesen des guten Tones, daß man sich desselben nicht der andern, sondern seiner selbst wegen befleißigt. Erst dann kann man überhaupt von gutem Ton reden, wenn derselbe nicht mehr in angelernten Manieren besteht, die man hervorkehrt, wenn man sich beobachtet weiß oder in Gesellschaft dazu gezwungen ist, sondern wenn er in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß man stets und überall, also auch, wenn man allein ist oder es zu sein glaubt, handeln muß, wie er es vorschreibt.</p> <p>Die erste Forderung des gutes Tones beim Verkehr auf der Straße ist die, daß man alles <hi rendition="#g">Auffällige in Tracht, Gang und Haltung, Sitte und Benehmen vermeidet</hi> und den vorgeschriebenen Mittelweg weder nach der einen noch nach der andern Seite hin verläßt. Es versteht sich von selbst, daß der gebildete Mensch sich äußerlich nie so vernachlässigen darf, daß er dadurch die Aufmerksamkeit andrer erregt; er darf </p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0163]
berechtigt hält oder es wirklich ist. Schon deshalb darf man sich nie unbeachtet glauben; eine einzige Vernachlässigung des feinen Tones kann die gute Meinung, die man von einem Menschen hat, derart zerstören, daß er nie wieder im stande ist, sich bei andern in das rechte Licht zu setzen; denn darin liegt ja eben das Wesen des guten Tones, daß man sich desselben nicht der andern, sondern seiner selbst wegen befleißigt. Erst dann kann man überhaupt von gutem Ton reden, wenn derselbe nicht mehr in angelernten Manieren besteht, die man hervorkehrt, wenn man sich beobachtet weiß oder in Gesellschaft dazu gezwungen ist, sondern wenn er in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß man stets und überall, also auch, wenn man allein ist oder es zu sein glaubt, handeln muß, wie er es vorschreibt.
Die erste Forderung des gutes Tones beim Verkehr auf der Straße ist die, daß man alles Auffällige in Tracht, Gang und Haltung, Sitte und Benehmen vermeidet und den vorgeschriebenen Mittelweg weder nach der einen noch nach der andern Seite hin verläßt. Es versteht sich von selbst, daß der gebildete Mensch sich äußerlich nie so vernachlässigen darf, daß er dadurch die Aufmerksamkeit andrer erregt; er darf
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