Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.und ihm, mit dem man die ganze Zeit des Lebens vereint wandern soll, zu Gefallen zu sein, das bedenken oft beide Teile, meistens aber der Mann, viel zu wenig. Denn er ist geneigt, das "Aufgeben seiner Freiheit" so hoch anzuschlagen, daß er schon dadurch alle Ergebenheit der Frau erkauft zu haben glaubt, und zieht doch nicht in Betracht, daß das Opfer, welches ihm jene bringt, indem sie alles verläßt, um dem Mann nachzufolgen, oft viel größer und tiefer empfunden ist. Es liegt in der menschlichen Natur, daß man sich, nur um zu seinem Ziel zu gelangen, auch wohl einmal eines Mittels bedient, dessen Tragweite man gar nicht absehen kann; so wird es mancher für ungefährlich halten, wenn er sich besser gemacht hat, als er wirklich ist, ja er wird vielleicht augenblicklich nicht einmal die Unwahrheit, die er dadurch begeht, empfinden; dann aber, hat er erst den gewünschten Zweck erreicht und läßt er sich wieder gehen, welche bittere Enttäuschung wird es für den andern sein und welche Beschämung für ihn selbst, wenn jener ihm seine Unlauterkeit zum Vorwurf macht. Daher ist die hauptsächlichste Pflicht der Verlobten: stets vollkommen wahr gegeneinander zu sein und keinerlei Hintergedanken zu haben. Denn und ihm, mit dem man die ganze Zeit des Lebens vereint wandern soll, zu Gefallen zu sein, das bedenken oft beide Teile, meistens aber der Mann, viel zu wenig. Denn er ist geneigt, das „Aufgeben seiner Freiheit“ so hoch anzuschlagen, daß er schon dadurch alle Ergebenheit der Frau erkauft zu haben glaubt, und zieht doch nicht in Betracht, daß das Opfer, welches ihm jene bringt, indem sie alles verläßt, um dem Mann nachzufolgen, oft viel größer und tiefer empfunden ist. Es liegt in der menschlichen Natur, daß man sich, nur um zu seinem Ziel zu gelangen, auch wohl einmal eines Mittels bedient, dessen Tragweite man gar nicht absehen kann; so wird es mancher für ungefährlich halten, wenn er sich besser gemacht hat, als er wirklich ist, ja er wird vielleicht augenblicklich nicht einmal die Unwahrheit, die er dadurch begeht, empfinden; dann aber, hat er erst den gewünschten Zweck erreicht und läßt er sich wieder gehen, welche bittere Enttäuschung wird es für den andern sein und welche Beschämung für ihn selbst, wenn jener ihm seine Unlauterkeit zum Vorwurf macht. Daher ist die hauptsächlichste Pflicht der Verlobten: stets vollkommen wahr gegeneinander zu sein und keinerlei Hintergedanken zu haben. Denn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0140" n="130"/> und ihm, mit dem man die ganze Zeit des Lebens vereint wandern soll, zu Gefallen zu sein, das bedenken oft beide Teile, meistens aber der Mann, viel zu wenig. Denn er ist geneigt, das „Aufgeben seiner Freiheit“ so hoch anzuschlagen, daß er schon dadurch alle Ergebenheit der Frau erkauft zu haben glaubt, und zieht doch nicht in Betracht, daß das Opfer, welches ihm jene bringt, indem sie alles verläßt, um dem Mann nachzufolgen, oft viel größer und tiefer empfunden ist. Es liegt in der menschlichen Natur, daß man sich, nur um zu seinem Ziel zu gelangen, auch wohl einmal eines Mittels bedient, dessen Tragweite man gar nicht absehen kann; so wird es mancher für ungefährlich halten, wenn er sich besser gemacht hat, als er wirklich ist, ja er wird vielleicht augenblicklich nicht einmal die Unwahrheit, die er dadurch begeht, empfinden; dann aber, hat er erst den gewünschten Zweck erreicht und läßt er sich wieder gehen, welche bittere Enttäuschung wird es für den andern sein und welche Beschämung für ihn selbst, wenn jener ihm seine Unlauterkeit zum Vorwurf macht. Daher ist die hauptsächlichste Pflicht der Verlobten: stets <hi rendition="#g">vollkommen wahr gegeneinander zu sein</hi> und keinerlei Hintergedanken zu haben. Denn </p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0140]
und ihm, mit dem man die ganze Zeit des Lebens vereint wandern soll, zu Gefallen zu sein, das bedenken oft beide Teile, meistens aber der Mann, viel zu wenig. Denn er ist geneigt, das „Aufgeben seiner Freiheit“ so hoch anzuschlagen, daß er schon dadurch alle Ergebenheit der Frau erkauft zu haben glaubt, und zieht doch nicht in Betracht, daß das Opfer, welches ihm jene bringt, indem sie alles verläßt, um dem Mann nachzufolgen, oft viel größer und tiefer empfunden ist. Es liegt in der menschlichen Natur, daß man sich, nur um zu seinem Ziel zu gelangen, auch wohl einmal eines Mittels bedient, dessen Tragweite man gar nicht absehen kann; so wird es mancher für ungefährlich halten, wenn er sich besser gemacht hat, als er wirklich ist, ja er wird vielleicht augenblicklich nicht einmal die Unwahrheit, die er dadurch begeht, empfinden; dann aber, hat er erst den gewünschten Zweck erreicht und läßt er sich wieder gehen, welche bittere Enttäuschung wird es für den andern sein und welche Beschämung für ihn selbst, wenn jener ihm seine Unlauterkeit zum Vorwurf macht. Daher ist die hauptsächlichste Pflicht der Verlobten: stets vollkommen wahr gegeneinander zu sein und keinerlei Hintergedanken zu haben. Denn
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