Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 3. Hamburg, 1752.Melander, den die Schreibsucht quält, Glaubt, weil der Reim ihm treu verbleibet, Daß er schreibet, Und daß ihm keine Muse fehlt. Auch er kann den Apoll entzücken; Auch er singt mit in seinem Chor: O der Thor! Man muß ihn in die Schule schicken. Ein Witzling liest den Arouet, Und räth ihm, Worte, Reime, Zeilen Mehr zu feilen, Vor allen in dem Mahomet. Wie übt er sich an Meisterstücken! Wie steigt sein leichter Ruhm empor: O der Thor! Man muß ihn in die Schule schicken. Ein Neuling, der verrufen darf, Was Lehrer, die entscheiden können, Wahrheit nennen, Glaubt nichts, als was sein Wahn entwarf. Sein Wahn wird einst die Welt beglücken; Nun denkt sie edler, als zuvor: O der Thor! Man muß ihn in die Schule schicken. Ein Arzt, der sich zum Doctor prahlt, Verlässt Paris, um Deutschlands Kreisen Sich zu weisen, Wagt, martert, würgt, und wird bezahlt, Nur er, den tausend Künste schmücken, Stellt sichtbar den Galenus vor: O der Thor! Man muß ihn in die Schule schicken. Melander, den die Schreibſucht quaͤlt, Glaubt, weil der Reim ihm treu verbleibet, Daß er ſchreibet, Und daß ihm keine Muſe fehlt. Auch er kann den Apoll entzuͤcken; Auch er ſingt mit in ſeinem Chor: O der Thor! Man muß ihn in die Schule ſchicken. Ein Witzling lieſt den Arouet, Und raͤth ihm, Worte, Reime, Zeilen Mehr zu feilen, Vor allen in dem Mahomet. Wie uͤbt er ſich an Meiſterſtuͤcken! Wie ſteigt ſein leichter Ruhm empor: O der Thor! Man muß ihn in die Schule ſchicken. Ein Neuling, der verrufen darf, Was Lehrer, die entſcheiden koͤnnen, Wahrheit nennen, Glaubt nichts, als was ſein Wahn entwarf. Sein Wahn wird einſt die Welt begluͤcken; Nun denkt ſie edler, als zuvor: O der Thor! Man muß ihn in die Schule ſchicken. Ein Arzt, der ſich zum Doctor prahlt, Verlaͤſſt Paris, um Deutſchlands Kreiſen Sich zu weiſen, Wagt, martert, wuͤrgt, und wird bezahlt, Nur er, den tauſend Kuͤnſte ſchmuͤcken, Stellt ſichtbar den Galenus vor: O der Thor! Man muß ihn in die Schule ſchicken. <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0040" n="26"/> <lg n="5"> <l>Melander, den die Schreibſucht quaͤlt,</l><lb/> <l>Glaubt, weil der Reim ihm treu verbleibet,</l><lb/> <l>Daß er ſchreibet,</l><lb/> <l>Und daß ihm keine Muſe fehlt.</l><lb/> <l>Auch er kann den Apoll entzuͤcken;</l><lb/> <l>Auch er ſingt mit in ſeinem Chor:</l><lb/> <l>O der Thor!</l><lb/> <l>Man muß ihn in die Schule ſchicken.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ein Witzling lieſt den Arouet,</l><lb/> <l>Und raͤth ihm, Worte, Reime, Zeilen</l><lb/> <l>Mehr zu feilen,</l><lb/> <l>Vor allen in dem Mahomet.</l><lb/> <l>Wie uͤbt er ſich an Meiſterſtuͤcken!</l><lb/> <l>Wie ſteigt ſein leichter Ruhm empor:</l><lb/> <l>O der Thor!</l><lb/> <l>Man muß ihn in die Schule ſchicken.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Ein Neuling, der verrufen darf,</l><lb/> <l>Was Lehrer, die entſcheiden koͤnnen,</l><lb/> <l>Wahrheit nennen,</l><lb/> <l>Glaubt nichts, als was ſein Wahn entwarf.</l><lb/> <l>Sein Wahn wird einſt die Welt begluͤcken;</l><lb/> <l>Nun denkt ſie edler, als zuvor:</l><lb/> <l>O der Thor!</l><lb/> <l>Man muß ihn in die Schule ſchicken.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ein Arzt, der ſich zum Doctor prahlt,</l><lb/> <l>Verlaͤſſt Paris, um Deutſchlands Kreiſen</l><lb/> <l>Sich zu weiſen,</l><lb/> <l>Wagt, martert, wuͤrgt, und wird bezahlt,</l><lb/> <l>Nur er, den tauſend Kuͤnſte ſchmuͤcken,</l><lb/> <l>Stellt ſichtbar den Galenus vor:</l><lb/> <l>O der Thor!</l><lb/> <l>Man muß ihn in die Schule ſchicken.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [26/0040]
Melander, den die Schreibſucht quaͤlt,
Glaubt, weil der Reim ihm treu verbleibet,
Daß er ſchreibet,
Und daß ihm keine Muſe fehlt.
Auch er kann den Apoll entzuͤcken;
Auch er ſingt mit in ſeinem Chor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule ſchicken.
Ein Witzling lieſt den Arouet,
Und raͤth ihm, Worte, Reime, Zeilen
Mehr zu feilen,
Vor allen in dem Mahomet.
Wie uͤbt er ſich an Meiſterſtuͤcken!
Wie ſteigt ſein leichter Ruhm empor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule ſchicken.
Ein Neuling, der verrufen darf,
Was Lehrer, die entſcheiden koͤnnen,
Wahrheit nennen,
Glaubt nichts, als was ſein Wahn entwarf.
Sein Wahn wird einſt die Welt begluͤcken;
Nun denkt ſie edler, als zuvor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule ſchicken.
Ein Arzt, der ſich zum Doctor prahlt,
Verlaͤſſt Paris, um Deutſchlands Kreiſen
Sich zu weiſen,
Wagt, martert, wuͤrgt, und wird bezahlt,
Nur er, den tauſend Kuͤnſte ſchmuͤcken,
Stellt ſichtbar den Galenus vor:
O der Thor!
Man muß ihn in die Schule ſchicken.
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