Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 3. Hamburg, 1752.Was die Empfindung schärft und übt, Was Seelen neue Kräfte giebt, Wird unsre heisse Sehnsucht stillen. Wie reichlich will die mildre Zeit, Die sonst so sparsam uns erfreut, Den tiefsten Kelch der Lust für unsre Lippen füllen. Der Wein, des Kummers Gegengift, Die Liebe, die ihn übertrifft, Die werden zwischen uns sich theilen. Wer mir der Weine Tropfen zählt, Nur der berechnet unverfehlt Die Küsse, die gehäuft zu dir, o Doris! eilen. Weil deine Jugend lernen muß, So laß dich meinen öftern Kuß Die Menge deiner Schätze lehren. Gib seinem treuen Unbestand Stirn, Augen, Wangen, Mund und Hand, Und laß ihn ieden Reiz, der dich erhebt, verehren! Uns klopft ein Vorwitz in der Brust, Der stumme Rath ererbter Lust, Der Liebe Leidenschaft zu kennen. O lerne meine Holdinn seyn! Jch schwöre dir, bey Most und Wein, Mich soll auch Most und Wein von keiner Do ris trennen. Es mögen künftig Wein und Most Des trägen Alters Ernst und Frost Durch feuerreiche Kraft verdringen! Alsdann ertönt für sie mein Lied; Jtzt, da die Jugend noch verzieht, Will ich allein von dir, auch in der Lese, singen. C 2
Was die Empfindung ſchaͤrft und uͤbt, Was Seelen neue Kraͤfte giebt, Wird unſre heiſſe Sehnſucht ſtillen. Wie reichlich will die mildre Zeit, Die ſonſt ſo ſparſam uns erfreut, Den tiefſten Kelch der Luſt fuͤr unſre Lippen fuͤllen. Der Wein, des Kummers Gegengift, Die Liebe, die ihn uͤbertrifft, Die werden zwiſchen uns ſich theilen. Wer mir der Weine Tropfen zaͤhlt, Nur der berechnet unverfehlt Die Kuͤſſe, die gehaͤuft zu dir, o Doris! eilen. Weil deine Jugend lernen muß, So laß dich meinen oͤftern Kuß Die Menge deiner Schaͤtze lehren. Gib ſeinem treuen Unbeſtand Stirn, Augen, Wangen, Mund und Hand, Und laß ihn ieden Reiz, der dich erhebt, verehren! Uns klopft ein Vorwitz in der Bruſt, Der ſtumme Rath ererbter Luſt, Der Liebe Leidenſchaft zu kennen. O lerne meine Holdinn ſeyn! Jch ſchwoͤre dir, bey Moſt und Wein, Mich ſoll auch Moſt und Wein von keiner Do ris trennen. Es moͤgen kuͤnftig Wein und Moſt Des traͤgen Alters Ernſt und Froſt Durch feuerreiche Kraft verdringen! Alsdann ertoͤnt fuͤr ſie mein Lied; Jtzt, da die Jugend noch verzieht, Will ich allein von dir, auch in der Leſe, ſingen. C 2
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Was die Empfindung ſchaͤrft und uͤbt,
Was Seelen neue Kraͤfte giebt,
Wird unſre heiſſe Sehnſucht ſtillen.
Wie reichlich will die mildre Zeit,
Die ſonſt ſo ſparſam uns erfreut,
Den tiefſten Kelch der Luſt fuͤr unſre Lippen fuͤllen.
Der Wein, des Kummers Gegengift,
Die Liebe, die ihn uͤbertrifft,
Die werden zwiſchen uns ſich theilen.
Wer mir der Weine Tropfen zaͤhlt,
Nur der berechnet unverfehlt
Die Kuͤſſe, die gehaͤuft zu dir, o Doris! eilen.
Weil deine Jugend lernen muß,
So laß dich meinen oͤftern Kuß
Die Menge deiner Schaͤtze lehren.
Gib ſeinem treuen Unbeſtand
Stirn, Augen, Wangen, Mund und Hand,
Und laß ihn ieden Reiz, der dich erhebt, verehren!
Uns klopft ein Vorwitz in der Bruſt,
Der ſtumme Rath ererbter Luſt,
Der Liebe Leidenſchaft zu kennen.
O lerne meine Holdinn ſeyn!
Jch ſchwoͤre dir, bey Moſt und Wein,
Mich ſoll auch Moſt und Wein von keiner Do ris trennen.
Es moͤgen kuͤnftig Wein und Moſt
Des traͤgen Alters Ernſt und Froſt
Durch feuerreiche Kraft verdringen!
Alsdann ertoͤnt fuͤr ſie mein Lied;
Jtzt, da die Jugend noch verzieht,
Will ich allein von dir, auch in der Leſe, ſingen.
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