Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.Die schmeichelnde Falschheit der lächelnden Erben Verheißt mir das Leben und wünschet mein Sterben: Ein fingernder Doctor besalbt mir den Leib: Bald lärmet der Pfarrer, bald predigt mein Weib. Die warnenden Kenner der Wetter und Winde, Die stündlichen Forscher: Wie ich mich befinde? Die thränenden Augen, die keichende Brust Entkräften den Liebreitz, verscheuchen die Lust. Nun soll mich doch einmal mein Leibarzt nicht stören. Verjüngende Freunde! hier trink ich mit Ehren. Weib, Pfarrer und Erben! nur nicht zu genau! Hier frag ich nicht Pfarrer, nicht Erben, noch Frau. Jm Beyseyn der Alten verstellt sich die Jugend: Sie trinkt nur bey Tropfen: sie durstet vor Tugend: Jch ehrlicher Alter verstelle mich auch: Bezeche den Jüngling und leere den Schlauch. Mein Auge wird heller: wer höret mich keichen? Jch suche der muthigen Jugend zu gleichen. Und will, auch im Alter, bey Freunden und Wein, Kein Tadler der Freuden, kein Sonderling seyn. B
Die ſchmeichelnde Falſchheit der laͤchelnden Erben Verheißt mir das Leben und wuͤnſchet mein Sterben: Ein fingernder Doctor beſalbt mir den Leib: Bald laͤrmet der Pfarrer, bald predigt mein Weib. Die warnenden Kenner der Wetter und Winde, Die ſtuͤndlichen Forſcher: Wie ich mich befinde? Die thraͤnenden Augen, die keichende Bruſt Entkraͤften den Liebreitz, verſcheuchen die Luſt. Nun ſoll mich doch einmal mein Leibarzt nicht ſtoͤren. Verjuͤngende Freunde! hier trink ich mit Ehren. Weib, Pfarrer und Erben! nur nicht zu genau! Hier frag ich nicht Pfarrer, nicht Erben, noch Frau. Jm Beyſeyn der Alten verſtellt ſich die Jugend: Sie trinkt nur bey Tropfen: ſie durſtet vor Tugend: Jch ehrlicher Alter verſtelle mich auch: Bezeche den Juͤngling und leere den Schlauch. Mein Auge wird heller: wer hoͤret mich keichen? Jch ſuche der muthigen Jugend zu gleichen. Und will, auch im Alter, bey Freunden und Wein, Kein Tadler der Freuden, kein Sonderling ſeyn. B
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Die ſchmeichelnde Falſchheit der laͤchelnden Erben
Verheißt mir das Leben und wuͤnſchet mein Sterben:
Ein fingernder Doctor beſalbt mir den Leib:
Bald laͤrmet der Pfarrer, bald predigt mein Weib.
Die warnenden Kenner der Wetter und Winde,
Die ſtuͤndlichen Forſcher: Wie ich mich befinde?
Die thraͤnenden Augen, die keichende Bruſt
Entkraͤften den Liebreitz, verſcheuchen die Luſt.
Nun ſoll mich doch einmal mein Leibarzt nicht ſtoͤren.
Verjuͤngende Freunde! hier trink ich mit Ehren.
Weib, Pfarrer und Erben! nur nicht zu genau!
Hier frag ich nicht Pfarrer, nicht Erben, noch Frau.
Jm Beyſeyn der Alten verſtellt ſich die Jugend:
Sie trinkt nur bey Tropfen: ſie durſtet vor Tugend:
Jch ehrlicher Alter verſtelle mich auch:
Bezeche den Juͤngling und leere den Schlauch.
Mein Auge wird heller: wer hoͤret mich keichen?
Jch ſuche der muthigen Jugend zu gleichen.
Und will, auch im Alter, bey Freunden und Wein,
Kein Tadler der Freuden, kein Sonderling ſeyn.
B
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