Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 1. Hamburg, 1742.Zu grosse Furcht, zu grosses Hoffen Macht oft die Klügsten unruhvoll. Euch steht das Buch des Schicksals offen: Jhr weissagt, was geschehen soll. Will man geheime Dinge wissen; So wird man euch befragen müssen. Es wird der Muth euch angebohren: Wer kennt nicht eure Streitbarkeit? Von euch wird keine Schlacht verlohren, Als, wo ihr übermannet seyd. Dann suchet ihr zwar nicht zu fliehen; Doch zierlich euch zurück zu ziehen. Man weiß, ihr zählet wenig Freunde; Allein, ihr kennt den Lauf der Welt. Die Grössten haben ihre Feinde: Verdiensten wird stets nachgestellt. Wie mancher Römer, den wir ehren, Musst seines Bannes Urtheil hören? Jhr rennet nicht nach hohen Ehren: Jhr wünscht euch nicht an Titeln reich. Kein Zwiespalt in geweihten Lehren, Kein Federkrieg verhetzet euch. Jhr seyd (was kann den Vorzug rauben?) Von Einer Farb und Einem Glauben. E 2
Zu groſſe Furcht, zu groſſes Hoffen Macht oft die Kluͤgſten unruhvoll. Euch ſteht das Buch des Schickſals offen: Jhr weiſſagt, was geſchehen ſoll. Will man geheime Dinge wiſſen; So wird man euch befragen muͤſſen. Es wird der Muth euch angebohren: Wer kennt nicht eure Streitbarkeit? Von euch wird keine Schlacht verlohren, Als, wo ihr uͤbermannet ſeyd. Dann ſuchet ihr zwar nicht zu fliehen; Doch zierlich euch zuruͤck zu ziehen. Man weiß, ihr zaͤhlet wenig Freunde; Allein, ihr kennt den Lauf der Welt. Die Groͤſſten haben ihre Feinde: Verdienſten wird ſtets nachgeſtellt. Wie mancher Roͤmer, den wir ehren, Muſſt ſeines Bannes Urtheil hoͤren? Jhr rennet nicht nach hohen Ehren: Jhr wuͤnſcht euch nicht an Titeln reich. Kein Zwieſpalt in geweihten Lehren, Kein Federkrieg verhetzet euch. Jhr ſeyd (was kann den Vorzug rauben?) Von Einer Farb und Einem Glauben. E 2
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Zu groſſe Furcht, zu groſſes Hoffen
Macht oft die Kluͤgſten unruhvoll.
Euch ſteht das Buch des Schickſals offen:
Jhr weiſſagt, was geſchehen ſoll.
Will man geheime Dinge wiſſen;
So wird man euch befragen muͤſſen.
Es wird der Muth euch angebohren:
Wer kennt nicht eure Streitbarkeit?
Von euch wird keine Schlacht verlohren,
Als, wo ihr uͤbermannet ſeyd.
Dann ſuchet ihr zwar nicht zu fliehen;
Doch zierlich euch zuruͤck zu ziehen.
Man weiß, ihr zaͤhlet wenig Freunde;
Allein, ihr kennt den Lauf der Welt.
Die Groͤſſten haben ihre Feinde:
Verdienſten wird ſtets nachgeſtellt.
Wie mancher Roͤmer, den wir ehren,
Muſſt ſeines Bannes Urtheil hoͤren?
Jhr rennet nicht nach hohen Ehren:
Jhr wuͤnſcht euch nicht an Titeln reich.
Kein Zwieſpalt in geweihten Lehren,
Kein Federkrieg verhetzet euch.
Jhr ſeyd (was kann den Vorzug rauben?)
Von Einer Farb und Einem Glauben.
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