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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Menschliche Physiologie im Alterthum. III.
rungen, und es war sehr natürlich, daß der naive Naturmensch
auch diesen "todten Körpern" ein selbständiges Leben zuschrieb.
Von den bewirkenden Ursachen konnte man sich ja bei den
letzteren ebenso wenig befriedigende Rechenschaft geben als bei
den ersteren.

Menschliche Physiologie. Die ältesten wissenschaftlichen
Betrachtungen über das Wesen der menschlichen Lebensthätig-
keiten treffen wir (ebenso wie diejenigen über den Körperbau des
Menschen) bei den griechischen Naturphilosophen und Aerzten
im sechsten und fünften Jahrhundert vor Chr. Die reichste
Sammlung von bezüglichen, damals bekannten Thatsachen finden
wir in der Naturgeschichte des Aristoteles; ein großer Theil
seiner Angaben rührt wahrscheinlich schon von Demokritos
und Hippokrates her. Die Schule des Letzteren stellte auch
bereits Erklärungs-Versuche an; sie nahm als Grundursache des
Lebens bei Menschen und Thieren einen flüchtigen "Lebens-
geist
" an (Pneuma); und Erasistratus (280 vor Chr.)
unterschied bereits einen niederen und einen höheren Lebensgeist,
das Pneuma zoticon im Herzen und das Pneuma psychicon
im Gehirn.

Der Ruhm, alle diese zerstreuten Kenntnisse einheitlich zu-
sammengefaßt und den ersten Versuch zu einem System der
Physiologie gemacht zu haben, gebührt dem großen griechischen
Arzte Galenus, demselben, den wir auch als den ersten großen
Anatomen des Alterthums kennen gelernt haben (vergl. S. 28).
Bei seinen Untersuchungen über die Organe des menschlichen
Körpers stellte er sich beständig auch die Frage nach ihren Lebens-
thätigkeiten oder Funktionen, und auch hierbei verfuhr er
vergleichend und untersuchte vor Allem die menschenähnlichsten
Thiere, die Affen. Die Erfahrungen, die er hier gewonnen,
übertrug er direkt auf den Menschen. Er erkannte auch bereits
den hohen Werth des physiologischen Experimentes; bei

Menſchliche Phyſiologie im Alterthum. III.
rungen, und es war ſehr natürlich, daß der naive Naturmenſch
auch dieſen „todten Körpern“ ein ſelbſtändiges Leben zuſchrieb.
Von den bewirkenden Urſachen konnte man ſich ja bei den
letzteren ebenſo wenig befriedigende Rechenſchaft geben als bei
den erſteren.

Menſchliche Phyſiologie. Die älteſten wiſſenſchaftlichen
Betrachtungen über das Weſen der menſchlichen Lebensthätig-
keiten treffen wir (ebenſo wie diejenigen über den Körperbau des
Menſchen) bei den griechiſchen Naturphiloſophen und Aerzten
im ſechſten und fünften Jahrhundert vor Chr. Die reichſte
Sammlung von bezüglichen, damals bekannten Thatſachen finden
wir in der Naturgeſchichte des Ariſtoteles; ein großer Theil
ſeiner Angaben rührt wahrſcheinlich ſchon von Demokritos
und Hippokrates her. Die Schule des Letzteren ſtellte auch
bereits Erklärungs-Verſuche an; ſie nahm als Grundurſache des
Lebens bei Menſchen und Thieren einen flüchtigen „Lebens-
geiſt
“ an (Pneuma); und Eraſiſtratus (280 vor Chr.)
unterſchied bereits einen niederen und einen höheren Lebensgeiſt,
das Pneuma zoticon im Herzen und das Pneuma pſychicon
im Gehirn.

Der Ruhm, alle dieſe zerſtreuten Kenntniſſe einheitlich zu-
ſammengefaßt und den erſten Verſuch zu einem Syſtem der
Phyſiologie gemacht zu haben, gebührt dem großen griechiſchen
Arzte Galenus, demſelben, den wir auch als den erſten großen
Anatomen des Alterthums kennen gelernt haben (vergl. S. 28).
Bei ſeinen Unterſuchungen über die Organe des menſchlichen
Körpers ſtellte er ſich beſtändig auch die Frage nach ihren Lebens-
thätigkeiten oder Funktionen, und auch hierbei verfuhr er
vergleichend und unterſuchte vor Allem die menſchenähnlichſten
Thiere, die Affen. Die Erfahrungen, die er hier gewonnen,
übertrug er direkt auf den Menſchen. Er erkannte auch bereits
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[48/0064] Menſchliche Phyſiologie im Alterthum. III. rungen, und es war ſehr natürlich, daß der naive Naturmenſch auch dieſen „todten Körpern“ ein ſelbſtändiges Leben zuſchrieb. Von den bewirkenden Urſachen konnte man ſich ja bei den letzteren ebenſo wenig befriedigende Rechenſchaft geben als bei den erſteren. Menſchliche Phyſiologie. Die älteſten wiſſenſchaftlichen Betrachtungen über das Weſen der menſchlichen Lebensthätig- keiten treffen wir (ebenſo wie diejenigen über den Körperbau des Menſchen) bei den griechiſchen Naturphiloſophen und Aerzten im ſechſten und fünften Jahrhundert vor Chr. Die reichſte Sammlung von bezüglichen, damals bekannten Thatſachen finden wir in der Naturgeſchichte des Ariſtoteles; ein großer Theil ſeiner Angaben rührt wahrſcheinlich ſchon von Demokritos und Hippokrates her. Die Schule des Letzteren ſtellte auch bereits Erklärungs-Verſuche an; ſie nahm als Grundurſache des Lebens bei Menſchen und Thieren einen flüchtigen „Lebens- geiſt“ an (Pneuma); und Eraſiſtratus (280 vor Chr.) unterſchied bereits einen niederen und einen höheren Lebensgeiſt, das Pneuma zoticon im Herzen und das Pneuma pſychicon im Gehirn. Der Ruhm, alle dieſe zerſtreuten Kenntniſſe einheitlich zu- ſammengefaßt und den erſten Verſuch zu einem Syſtem der Phyſiologie gemacht zu haben, gebührt dem großen griechiſchen Arzte Galenus, demſelben, den wir auch als den erſten großen Anatomen des Alterthums kennen gelernt haben (vergl. S. 28). Bei ſeinen Unterſuchungen über die Organe des menſchlichen Körpers ſtellte er ſich beſtändig auch die Frage nach ihren Lebens- thätigkeiten oder Funktionen, und auch hierbei verfuhr er vergleichend und unterſuchte vor Allem die menſchenähnlichſten Thiere, die Affen. Die Erfahrungen, die er hier gewonnen, übertrug er direkt auf den Menſchen. Er erkannte auch bereits den hohen Werth des phyſiologiſchen Experimentes; bei

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/64>, abgerufen am 23.11.2024.