Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Säugethier-Natur des Menschen. II.
Fünfzahl der Zehen an allen vier Füßen -- die Penta-
dactylie
-- sich in Folge strenger Vererbung noch beim Menschen
bis auf den heutigen Tag conservirt hat. Selbstverständlich ist dem
entsprechend auch die typische Bildung der Gelenke und Bänder,
der Muskeln und Nerven der zwei Beinpaare, in der Haupt-
sache dieselbe geblieben wie bei den übrigen "Vierfüßern"; auch
in diesen wichtigen Beziehungen ist der Mensch ein
echter Tetrapode
.

Säugethier-Natur des Menschen. Die Säugethiere
(Mammalia) bilden die jüngste und höchst entwickelte Klasse der
Wirbelthiere. Sie sind zwar ebenso wie die Vögel und Repti-
lien aus der älteren Klasse der Amphibien abzuleiten; sie
unterscheiden sich aber von allen diesen anderen Tetrapoden durch
eine Anzahl von sehr auffallenden anatomischen Merkmalen.
Aeußerlich tritt vor Allem die Haarbedeckung der Haut
hervor, sowie der Besitz von zweierlei Hautdrüsen: Schweiß-
drüsen und Talgdrüsen. Aus einer lokalen Umbildung dieser
Drüsen an der Bauchhaut entstand (während der Trias-
Periode?) dasjenige Organ, welches für die Klasse besonders
charakteristisch ist und ihr den Namen gegeben hat, das "Ge-
säuge
" (Mammarium). Dieses wichtige Werkzeug der Brutpflege
ist zusammengesetzt aus den Milchdrüsen (Mammae) und
den "Mammar-Taschen" (Falten der Bauchhaut); durch ihre
Fortbildung entstanden die Zitzen oder "Milchwarzen",
(Masta), aus denen das junge Mammale die Milch seiner
Mutter saugt. Im inneren Körperbau ist besonders bemerkens-
werth der Besitz eines vollständigen Zwerchfells (Diaphragma),
einer muskulösen Scheidewand, welche bei allen Säugethieren --
und nur bei diesen! -- die Brusthöhle von der Bauchhöhle
gänzlich abschließt; bei allen übrigen Wirbelthieren fehlt diese
Trennung. Durch eine Anzahl von merkwürdigen Umbildungen
zeichnet sich auch der Schädel der Mammalien aus, besonders

Säugethier-Natur des Menſchen. II.
Fünfzahl der Zehen an allen vier Füßen — die Penta-
dactylie
— ſich in Folge ſtrenger Vererbung noch beim Menſchen
bis auf den heutigen Tag conſervirt hat. Selbſtverſtändlich iſt dem
entſprechend auch die typiſche Bildung der Gelenke und Bänder,
der Muskeln und Nerven der zwei Beinpaare, in der Haupt-
ſache dieſelbe geblieben wie bei den übrigen „Vierfüßern“; auch
in dieſen wichtigen Beziehungen iſt der Menſch ein
echter Tetrapode
.

Säugethier-Natur des Menſchen. Die Säugethiere
(Mammalia) bilden die jüngſte und höchſt entwickelte Klaſſe der
Wirbelthiere. Sie ſind zwar ebenſo wie die Vögel und Repti-
lien aus der älteren Klaſſe der Amphibien abzuleiten; ſie
unterſcheiden ſich aber von allen dieſen anderen Tetrapoden durch
eine Anzahl von ſehr auffallenden anatomiſchen Merkmalen.
Aeußerlich tritt vor Allem die Haarbedeckung der Haut
hervor, ſowie der Beſitz von zweierlei Hautdrüſen: Schweiß-
drüſen und Talgdrüſen. Aus einer lokalen Umbildung dieſer
Drüſen an der Bauchhaut entſtand (während der Trias-
Periode?) dasjenige Organ, welches für die Klaſſe beſonders
charakteriſtiſch iſt und ihr den Namen gegeben hat, das „Ge-
ſäuge
(Mammarium). Dieſes wichtige Werkzeug der Brutpflege
iſt zuſammengeſetzt aus den Milchdrüſen (Mammae) und
den „Mammar-Taſchen“ (Falten der Bauchhaut); durch ihre
Fortbildung entſtanden die Zitzen oder „Milchwarzen“,
(Maſta), aus denen das junge Mammale die Milch ſeiner
Mutter ſaugt. Im inneren Körperbau iſt beſonders bemerkens-
werth der Beſitz eines vollſtändigen Zwerchfells (Diaphragma),
einer muskulöſen Scheidewand, welche bei allen Säugethieren —
und nur bei dieſen! — die Bruſthöhle von der Bauchhöhle
gänzlich abſchließt; bei allen übrigen Wirbelthieren fehlt dieſe
Trennung. Durch eine Anzahl von merkwürdigen Umbildungen
zeichnet ſich auch der Schädel der Mammalien aus, beſonders

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052" n="36"/><fw place="top" type="header">Säugethier-Natur des Men&#x017F;chen. <hi rendition="#aq">II.</hi></fw><lb/><hi rendition="#g">Fünfzahl der Zehen</hi> an allen vier Füßen &#x2014; die <hi rendition="#aq">Penta-<lb/>
dactylie</hi> &#x2014; &#x017F;ich in Folge &#x017F;trenger <hi rendition="#g">Vererbung</hi> noch beim Men&#x017F;chen<lb/>
bis auf den heutigen Tag con&#x017F;ervirt hat. Selb&#x017F;tver&#x017F;tändlich i&#x017F;t dem<lb/>
ent&#x017F;prechend auch die typi&#x017F;che Bildung der Gelenke und Bänder,<lb/>
der Muskeln und Nerven der zwei Beinpaare, in der Haupt-<lb/>
&#x017F;ache die&#x017F;elbe geblieben wie bei den übrigen &#x201E;Vierfüßern&#x201C;; auch<lb/>
in die&#x017F;en wichtigen <hi rendition="#g">Beziehungen</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#g">der Men&#x017F;ch ein<lb/>
echter Tetrapode</hi>.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">Säugethier-Natur des Men&#x017F;chen.</hi> Die Säugethiere<lb/><hi rendition="#aq">(Mammalia)</hi> bilden die jüng&#x017F;te und höch&#x017F;t entwickelte Kla&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Wirbelthiere. Sie &#x017F;ind zwar eben&#x017F;o wie die Vögel und Repti-<lb/>
lien aus der älteren Kla&#x017F;&#x017F;e der <hi rendition="#g">Amphibien</hi> abzuleiten; &#x017F;ie<lb/>
unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich aber von allen die&#x017F;en anderen Tetrapoden durch<lb/>
eine Anzahl von &#x017F;ehr auffallenden anatomi&#x017F;chen Merkmalen.<lb/>
Aeußerlich tritt vor Allem die <hi rendition="#g">Haarbedeckung</hi> der Haut<lb/>
hervor, &#x017F;owie der Be&#x017F;itz von zweierlei Hautdrü&#x017F;en: Schweiß-<lb/>
drü&#x017F;en und Talgdrü&#x017F;en. Aus einer lokalen Umbildung die&#x017F;er<lb/>
Drü&#x017F;en an der Bauchhaut ent&#x017F;tand (während der Trias-<lb/>
Periode?) dasjenige Organ, welches für die Kla&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;onders<lb/>
charakteri&#x017F;ti&#x017F;ch i&#x017F;t und ihr den Namen gegeben hat, das &#x201E;<hi rendition="#g">Ge-<lb/>
&#x017F;äuge</hi>&#x201C; <hi rendition="#aq">(Mammarium)</hi>. Die&#x017F;es wichtige Werkzeug der Brutpflege<lb/>
i&#x017F;t zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt aus den <hi rendition="#g">Milchdrü&#x017F;en</hi> <hi rendition="#aq">(Mammae)</hi> und<lb/>
den &#x201E;Mammar-Ta&#x017F;chen&#x201C; (Falten der Bauchhaut); durch ihre<lb/>
Fortbildung ent&#x017F;tanden die Zitzen oder &#x201E;<hi rendition="#g">Milchwarzen</hi>&#x201C;,<lb/><hi rendition="#aq">(Ma&#x017F;ta)</hi>, aus denen das junge Mammale die Milch &#x017F;einer<lb/>
Mutter &#x017F;augt. Im inneren Körperbau i&#x017F;t be&#x017F;onders bemerkens-<lb/>
werth der Be&#x017F;itz eines voll&#x017F;tändigen <hi rendition="#g">Zwerchfells</hi> <hi rendition="#aq">(Diaphragma)</hi>,<lb/>
einer muskulö&#x017F;en Scheidewand, welche bei allen Säugethieren &#x2014;<lb/>
und <hi rendition="#g">nur</hi> bei die&#x017F;en! &#x2014; die Bru&#x017F;thöhle von der Bauchhöhle<lb/>
gänzlich ab&#x017F;chließt; bei allen übrigen Wirbelthieren fehlt die&#x017F;e<lb/>
Trennung. Durch eine Anzahl von merkwürdigen Umbildungen<lb/>
zeichnet &#x017F;ich auch der <hi rendition="#g">Schädel</hi> der Mammalien aus, be&#x017F;onders<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0052] Säugethier-Natur des Menſchen. II. Fünfzahl der Zehen an allen vier Füßen — die Penta- dactylie — ſich in Folge ſtrenger Vererbung noch beim Menſchen bis auf den heutigen Tag conſervirt hat. Selbſtverſtändlich iſt dem entſprechend auch die typiſche Bildung der Gelenke und Bänder, der Muskeln und Nerven der zwei Beinpaare, in der Haupt- ſache dieſelbe geblieben wie bei den übrigen „Vierfüßern“; auch in dieſen wichtigen Beziehungen iſt der Menſch ein echter Tetrapode. Säugethier-Natur des Menſchen. Die Säugethiere (Mammalia) bilden die jüngſte und höchſt entwickelte Klaſſe der Wirbelthiere. Sie ſind zwar ebenſo wie die Vögel und Repti- lien aus der älteren Klaſſe der Amphibien abzuleiten; ſie unterſcheiden ſich aber von allen dieſen anderen Tetrapoden durch eine Anzahl von ſehr auffallenden anatomiſchen Merkmalen. Aeußerlich tritt vor Allem die Haarbedeckung der Haut hervor, ſowie der Beſitz von zweierlei Hautdrüſen: Schweiß- drüſen und Talgdrüſen. Aus einer lokalen Umbildung dieſer Drüſen an der Bauchhaut entſtand (während der Trias- Periode?) dasjenige Organ, welches für die Klaſſe beſonders charakteriſtiſch iſt und ihr den Namen gegeben hat, das „Ge- ſäuge“ (Mammarium). Dieſes wichtige Werkzeug der Brutpflege iſt zuſammengeſetzt aus den Milchdrüſen (Mammae) und den „Mammar-Taſchen“ (Falten der Bauchhaut); durch ihre Fortbildung entſtanden die Zitzen oder „Milchwarzen“, (Maſta), aus denen das junge Mammale die Milch ſeiner Mutter ſaugt. Im inneren Körperbau iſt beſonders bemerkens- werth der Beſitz eines vollſtändigen Zwerchfells (Diaphragma), einer muskulöſen Scheidewand, welche bei allen Säugethieren — und nur bei dieſen! — die Bruſthöhle von der Bauchhöhle gänzlich abſchließt; bei allen übrigen Wirbelthieren fehlt dieſe Trennung. Durch eine Anzahl von merkwürdigen Umbildungen zeichnet ſich auch der Schädel der Mammalien aus, beſonders

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/52
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/52>, abgerufen am 27.11.2024.