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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XX. Leben auf anderen Weltkörpern.
geworden, anderen, die schon erstarrt sind; wir können ihre Ent-
wickelungstufe annähernd aus ihrer verschiedenen Farbe bestimmen.
Dann wieder sehen wir Sterne, die von Ringen und Monden
umgeben sind wie unser Saturn; wir erkennen in dem leuch-
tenden Nebelring den Keim eines neuen Mondes, der sich vom
Mutter-Planeten ebenso abgelöst hat wie dieser letztere von
der Sonne.

Von vielen "Fixsternen", deren Licht Jahrtausende braucht,
um zu uns zu gelangen, dürfen wir mit Sicherheit annehmen,
daß sie Sonnen sind, ähnlich unserer Mutter Sonne, und daß
sie von Planeten und Monden umkreist werden, ähnlich den-
jenigen unseres eigenen Sonnensystems. Wir dürfen auch weiter-
hin vermuthen, daß sich Tausende von diesen Planeten auf einer
ähnlichen Entwickelungsstufe wie unsere Erde befinden, d. h. in
einem Lebensalter, in welchem die Temperatur der Oberfläche
zwischen dem Gefrier- und Siedepunkt des Wassers liegt, also
die Existenz tropfbaren flüssigen Wassers gestattet. Damit ist
die Möglichkeit gegeben, daß der Kohlenstoff auch hier, wie
auf der Erde, mit anderen Elementen sehr verwickelte Ver-
bindungen eingeht, und daß aus seinen stickstoffhaltigen Ver-
bindungen sich Plasma entwickelt hat, jene wunderbare
"lebendige Substanz", die wir als alleinigen Eigenthümer
des organischen Lebens kennen. Die Moneren (z. B. Chro-
maceen
und Bakterien), die nur aus solchem primitiven
Protoplasma bestehen, und die durch Urzeugung (Archi-
gonie)
aus jenen anorganischen Nitrokarbonaten entstanden,
können nun denselben Entwickelungsgang auf vielen anderen,
wie auf unserem eigenen Planeten, eingeschlagen haben; zu-
nächst bildeten sich aus ihrem homogenen Plasmakörper durch
Sonderung eines inneren Kerns (Karyon) vom äußeren
Zellkörper (Cytosoma) einfachste lebendige Zellen. Die
Analogie im Leben aller Zellen aber -- ebensowohl der plas-

XX. Leben auf anderen Weltkörpern.
geworden, anderen, die ſchon erſtarrt ſind; wir können ihre Ent-
wickelungſtufe annähernd aus ihrer verſchiedenen Farbe beſtimmen.
Dann wieder ſehen wir Sterne, die von Ringen und Monden
umgeben ſind wie unſer Saturn; wir erkennen in dem leuch-
tenden Nebelring den Keim eines neuen Mondes, der ſich vom
Mutter-Planeten ebenſo abgelöſt hat wie dieſer letztere von
der Sonne.

Von vielen „Fixſternen“, deren Licht Jahrtauſende braucht,
um zu uns zu gelangen, dürfen wir mit Sicherheit annehmen,
daß ſie Sonnen ſind, ähnlich unſerer Mutter Sonne, und daß
ſie von Planeten und Monden umkreiſt werden, ähnlich den-
jenigen unſeres eigenen Sonnenſyſtems. Wir dürfen auch weiter-
hin vermuthen, daß ſich Tauſende von dieſen Planeten auf einer
ähnlichen Entwickelungsſtufe wie unſere Erde befinden, d. h. in
einem Lebensalter, in welchem die Temperatur der Oberfläche
zwiſchen dem Gefrier- und Siedepunkt des Waſſers liegt, alſo
die Exiſtenz tropfbaren flüſſigen Waſſers geſtattet. Damit iſt
die Möglichkeit gegeben, daß der Kohlenſtoff auch hier, wie
auf der Erde, mit anderen Elementen ſehr verwickelte Ver-
bindungen eingeht, und daß aus ſeinen ſtickſtoffhaltigen Ver-
bindungen ſich Plasma entwickelt hat, jene wunderbare
lebendige Subſtanz“, die wir als alleinigen Eigenthümer
des organiſchen Lebens kennen. Die Moneren (z. B. Chro-
maceen
und Bakterien), die nur aus ſolchem primitiven
Protoplasma beſtehen, und die durch Urzeugung (Archi-
gonie)
aus jenen anorganiſchen Nitrokarbonaten entſtanden,
können nun denſelben Entwickelungsgang auf vielen anderen,
wie auf unſerem eigenen Planeten, eingeſchlagen haben; zu-
nächſt bildeten ſich aus ihrem homogenen Plasmakörper durch
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[427/0443] XX. Leben auf anderen Weltkörpern. geworden, anderen, die ſchon erſtarrt ſind; wir können ihre Ent- wickelungſtufe annähernd aus ihrer verſchiedenen Farbe beſtimmen. Dann wieder ſehen wir Sterne, die von Ringen und Monden umgeben ſind wie unſer Saturn; wir erkennen in dem leuch- tenden Nebelring den Keim eines neuen Mondes, der ſich vom Mutter-Planeten ebenſo abgelöſt hat wie dieſer letztere von der Sonne. Von vielen „Fixſternen“, deren Licht Jahrtauſende braucht, um zu uns zu gelangen, dürfen wir mit Sicherheit annehmen, daß ſie Sonnen ſind, ähnlich unſerer Mutter Sonne, und daß ſie von Planeten und Monden umkreiſt werden, ähnlich den- jenigen unſeres eigenen Sonnenſyſtems. Wir dürfen auch weiter- hin vermuthen, daß ſich Tauſende von dieſen Planeten auf einer ähnlichen Entwickelungsſtufe wie unſere Erde befinden, d. h. in einem Lebensalter, in welchem die Temperatur der Oberfläche zwiſchen dem Gefrier- und Siedepunkt des Waſſers liegt, alſo die Exiſtenz tropfbaren flüſſigen Waſſers geſtattet. Damit iſt die Möglichkeit gegeben, daß der Kohlenſtoff auch hier, wie auf der Erde, mit anderen Elementen ſehr verwickelte Ver- bindungen eingeht, und daß aus ſeinen ſtickſtoffhaltigen Ver- bindungen ſich Plasma entwickelt hat, jene wunderbare „lebendige Subſtanz“, die wir als alleinigen Eigenthümer des organiſchen Lebens kennen. Die Moneren (z. B. Chro- maceen und Bakterien), die nur aus ſolchem primitiven Protoplasma beſtehen, und die durch Urzeugung (Archi- gonie) aus jenen anorganiſchen Nitrokarbonaten entſtanden, können nun denſelben Entwickelungsgang auf vielen anderen, wie auf unſerem eigenen Planeten, eingeſchlagen haben; zu- nächſt bildeten ſich aus ihrem homogenen Plasmakörper durch Sonderung eines inneren Kerns (Karyon) vom äußeren Zellkörper (Cytoſoma) einfachſte lebendige Zellen. Die Analogie im Leben aller Zellen aber — ebenſowohl der plas-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/443>, abgerufen am 23.11.2024.