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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XX. Fortschritte der Kosmologie.
Weltsystem des Ptolemäus stürzte, entzog er zugleich der
reinen christlichen Weltanschauung den Boden, welche die Erde
als Mittelpunkt der Welt und den Menschen als gottgleichen
Beherrscher der Erde betrachtete. Es war daher nur folgerichtig,
daß der christliche Klerus, an seiner Spitze der römische Papst,
die neue unschätzbare Entdeckung des Kopernikus auf's Heftigste
bekämpfte. Trotzdem brach sie sich bald vollständig Bahn, nach-
dem Kepler und Galilei darauf die wahre "Mechanik des
Himmels" gegründet und Newton ihr durch seine Gravitations-
Theorie die unerschütterliche mathematische Basis gegeben hatte
(1686).

Ein weiterer gewaltiger und das ganze Universum um-
fassender Fortschritt war die Einführung der Entwickelungs-
Idee
in die Himmelskunde; er geschah 1755 durch den
jugendlichen Kant, der in seiner kühnen Allgemeinen Natur-
geschichte und Theorie des Himmels nicht nur die "Ver-
fassung
", sondern auch den "mechanischen Ursprung"
des ganzen Weltgebäudes nach Newton's Grundsätzen" abzu-
handeln unternahm. Durch das großartige "Systeme du
monde
"
von Laplace, der unabhängig von Kant auf die-
selben Vorstellungen von der Weltbildung gekommen war, wurde
dann 1796 diese neue "Mecanique celeste" so fest be-
gründet, daß es scheinen konnte, unserem 19. Jahrhundert sei
auf diesem größten Erkenntniß-Gebiete nichts wesentlich Neues von
gleicher Bedeutung mehr vorbehalten. Und doch bleibt ihm der
Ruhm, auch hier ganz neue Bahnen eröffnet und unseren Blick
in's Universum unendlich erweitert zu haben. Durch die Er-
findung der Photographie und Photometrie, vor Allem aber der
Spektral-Analyse (durch Bunsen und Kirchhoff, 1860)
wurden die Physik und Chemie in die Astronomie eingeführt und
dadurch kosmologische Aufschlüsse von größter Tragweite ge-
wonnen. Es ergab sich nun mit Sicherheit, daß die Materie

XX. Fortſchritte der Kosmologie.
Weltſyſtem des Ptolemäus ſtürzte, entzog er zugleich der
reinen chriſtlichen Weltanſchauung den Boden, welche die Erde
als Mittelpunkt der Welt und den Menſchen als gottgleichen
Beherrſcher der Erde betrachtete. Es war daher nur folgerichtig,
daß der chriſtliche Klerus, an ſeiner Spitze der römiſche Papſt,
die neue unſchätzbare Entdeckung des Kopernikus auf's Heftigſte
bekämpfte. Trotzdem brach ſie ſich bald vollſtändig Bahn, nach-
dem Kepler und Galilei darauf die wahre „Mechanik des
Himmels“ gegründet und Newton ihr durch ſeine Gravitations-
Theorie die unerſchütterliche mathematiſche Baſis gegeben hatte
(1686).

Ein weiterer gewaltiger und das ganze Univerſum um-
faſſender Fortſchritt war die Einführung der Entwickelungs-
Idee
in die Himmelskunde; er geſchah 1755 durch den
jugendlichen Kant, der in ſeiner kühnen Allgemeinen Natur-
geſchichte und Theorie des Himmels nicht nur die „Ver-
faſſung
“, ſondern auch den „mechaniſchen Urſprung
des ganzen Weltgebäudes nach Newton's Grundſätzen“ abzu-
handeln unternahm. Durch das großartige Syſtème du
monde
von Laplace, der unabhängig von Kant auf die-
ſelben Vorſtellungen von der Weltbildung gekommen war, wurde
dann 1796 dieſe neue Mécanique céleſte ſo feſt be-
gründet, daß es ſcheinen konnte, unſerem 19. Jahrhundert ſei
auf dieſem größten Erkenntniß-Gebiete nichts weſentlich Neues von
gleicher Bedeutung mehr vorbehalten. Und doch bleibt ihm der
Ruhm, auch hier ganz neue Bahnen eröffnet und unſeren Blick
in's Univerſum unendlich erweitert zu haben. Durch die Er-
findung der Photographie und Photometrie, vor Allem aber der
Spektral-Analyſe (durch Bunſen und Kirchhoff, 1860)
wurden die Phyſik und Chemie in die Aſtronomie eingeführt und
dadurch kosmologiſche Aufſchlüſſe von größter Tragweite ge-
wonnen. Es ergab ſich nun mit Sicherheit, daß die Materie

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[425/0441] XX. Fortſchritte der Kosmologie. Weltſyſtem des Ptolemäus ſtürzte, entzog er zugleich der reinen chriſtlichen Weltanſchauung den Boden, welche die Erde als Mittelpunkt der Welt und den Menſchen als gottgleichen Beherrſcher der Erde betrachtete. Es war daher nur folgerichtig, daß der chriſtliche Klerus, an ſeiner Spitze der römiſche Papſt, die neue unſchätzbare Entdeckung des Kopernikus auf's Heftigſte bekämpfte. Trotzdem brach ſie ſich bald vollſtändig Bahn, nach- dem Kepler und Galilei darauf die wahre „Mechanik des Himmels“ gegründet und Newton ihr durch ſeine Gravitations- Theorie die unerſchütterliche mathematiſche Baſis gegeben hatte (1686). Ein weiterer gewaltiger und das ganze Univerſum um- faſſender Fortſchritt war die Einführung der Entwickelungs- Idee in die Himmelskunde; er geſchah 1755 durch den jugendlichen Kant, der in ſeiner kühnen Allgemeinen Natur- geſchichte und Theorie des Himmels nicht nur die „Ver- faſſung“, ſondern auch den „mechaniſchen Urſprung“ des ganzen Weltgebäudes nach Newton's Grundſätzen“ abzu- handeln unternahm. Durch das großartige „Syſtème du monde“ von Laplace, der unabhängig von Kant auf die- ſelben Vorſtellungen von der Weltbildung gekommen war, wurde dann 1796 dieſe neue „Mécanique céleſte“ ſo feſt be- gründet, daß es ſcheinen konnte, unſerem 19. Jahrhundert ſei auf dieſem größten Erkenntniß-Gebiete nichts weſentlich Neues von gleicher Bedeutung mehr vorbehalten. Und doch bleibt ihm der Ruhm, auch hier ganz neue Bahnen eröffnet und unſeren Blick in's Univerſum unendlich erweitert zu haben. Durch die Er- findung der Photographie und Photometrie, vor Allem aber der Spektral-Analyſe (durch Bunſen und Kirchhoff, 1860) wurden die Phyſik und Chemie in die Aſtronomie eingeführt und dadurch kosmologiſche Aufſchlüſſe von größter Tragweite ge- wonnen. Es ergab ſich nun mit Sicherheit, daß die Materie

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/441>, abgerufen am 23.11.2024.