Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Empfängniß der Jungfrau Maria. XVII. nommen ist. 13 Aehnliche Sagen hatten schon mehrere Jahr-hunderte vor Christi Geburt eine weite Verbreitung in Indien, Persien, Klein-Asien und Griechenland. Wenn Königstöchter oder andere Jungfrauen aus höheren Ständen, ohne legitim verheirathet zu sein, durch die Geburt eines Kindes erfreut wurden, so wurde als der Vater dieses illegitimen Sprößlings meistens ein "Gott" oder "Halbgott" ausgegeben, in diesem Falle der mysteriöse "Heilige Geist". Die besonderen Gaben des Geistes und Körpers, durch welche Was nun speciell die Befruchtung der Jungfrau Maria Empfängniß der Jungfrau Maria. XVII. nommen iſt. 13 Aehnliche Sagen hatten ſchon mehrere Jahr-hunderte vor Chriſti Geburt eine weite Verbreitung in Indien, Perſien, Klein-Aſien und Griechenland. Wenn Königstöchter oder andere Jungfrauen aus höheren Ständen, ohne legitim verheirathet zu ſein, durch die Geburt eines Kindes erfreut wurden, ſo wurde als der Vater dieſes illegitimen Sprößlings meiſtens ein „Gott“ oder „Halbgott“ ausgegeben, in dieſem Falle der myſteriöſe „Heilige Geiſt“. Die beſonderen Gaben des Geiſtes und Körpers, durch welche Was nun ſpeciell die Befruchtung der Jungfrau Maria <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0392" n="376"/><fw place="top" type="header">Empfängniß der Jungfrau Maria. <hi rendition="#aq">XVII.</hi></fw><lb/> nommen iſt. <note xml:id="end13" next="#end02_13" place="end" n="13"/> Aehnliche Sagen hatten ſchon mehrere Jahr-<lb/> hunderte vor Chriſti Geburt eine weite Verbreitung in Indien,<lb/> Perſien, Klein-Aſien und Griechenland. Wenn Königstöchter<lb/> oder andere Jungfrauen aus höheren Ständen, ohne legitim<lb/> verheirathet zu ſein, durch die Geburt eines Kindes erfreut<lb/> wurden, ſo wurde als der Vater dieſes illegitimen Sprößlings<lb/> meiſtens ein „Gott“ oder „Halbgott“ ausgegeben, in dieſem<lb/> Falle der myſteriöſe „Heilige Geiſt“.</p><lb/> <p>Die beſonderen Gaben des Geiſtes und Körpers, durch welche<lb/> ſolche „Kinder der Liebe“ oft vor gewöhnlichen Menſchenkindern<lb/> ſich auszeichneten, wurden damit zugleich theilweiſe durch <hi rendition="#g">Ver-<lb/> erbung</hi> erklärt. Solche hervorragende „Götterſöhne“ ſtanden<lb/> ſowohl im Alterthum als im Mittelalter in hohem Anſehen,<lb/> während der Moral-Kodex der modernen Civiliſation ihnen den<lb/> Mangel der „legitimen“ Eltern als Makel anrechnet. In noch<lb/> höherem Maße gilt dies von den „Göttertöchtern“, obwohl<lb/> dieſe armen Mädchen an dem fehlenden Titel ihres Vaters<lb/> ebenſo unſchuldig ſind. Uebrigens weiß Jeder, der ſich an der<lb/> ſchönheitsvollen Mythologie des klaſſiſchen Alterthums erfreut<lb/> hat, wie gerade die angeblichen Söhne und Töchter der griechiſchen<lb/> und römiſchen „Götter“ ſich oft den höchſten Idealen des<lb/> reinen Menſchen-Typus am meiſten genähert haben; man denke<lb/> nur an die große legitime und die noch viel größere illegitime<lb/> Familie des Göttervaters Zeus u. ſ. w. (Vergl. <hi rendition="#g">Shakeſpeare</hi>.)</p><lb/> <p>Was nun ſpeciell die Befruchtung der Jungfrau Maria<lb/> durch den Heiligen Geiſt betrifft, ſo werden wir durch das Zeug-<lb/> niß der Evangelien ſelbſt darüber aufgeklärt. Die beiden Evan-<lb/> geliſten, welche allein darüber Bericht erſtatten, <hi rendition="#g">Matthäus</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Lukas</hi>, erzählen übereinſtimmend, daß die jüdiſche Jung-<lb/> frau Maria mit dem Zimmermann Joſeph verlobt war, aber<lb/> ohne deſſen Mitwirkung ſchwanger wurde, und zwar durch den<lb/> „Heiligen Geiſt“. <hi rendition="#g">Matthäus</hi> ſagt ausdrücklich (Kap. 1, Vers 19):<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [376/0392]
Empfängniß der Jungfrau Maria. XVII.
nommen iſt.
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Aehnliche Sagen hatten ſchon mehrere Jahr-
hunderte vor Chriſti Geburt eine weite Verbreitung in Indien,
Perſien, Klein-Aſien und Griechenland. Wenn Königstöchter
oder andere Jungfrauen aus höheren Ständen, ohne legitim
verheirathet zu ſein, durch die Geburt eines Kindes erfreut
wurden, ſo wurde als der Vater dieſes illegitimen Sprößlings
meiſtens ein „Gott“ oder „Halbgott“ ausgegeben, in dieſem
Falle der myſteriöſe „Heilige Geiſt“.
Die beſonderen Gaben des Geiſtes und Körpers, durch welche
ſolche „Kinder der Liebe“ oft vor gewöhnlichen Menſchenkindern
ſich auszeichneten, wurden damit zugleich theilweiſe durch Ver-
erbung erklärt. Solche hervorragende „Götterſöhne“ ſtanden
ſowohl im Alterthum als im Mittelalter in hohem Anſehen,
während der Moral-Kodex der modernen Civiliſation ihnen den
Mangel der „legitimen“ Eltern als Makel anrechnet. In noch
höherem Maße gilt dies von den „Göttertöchtern“, obwohl
dieſe armen Mädchen an dem fehlenden Titel ihres Vaters
ebenſo unſchuldig ſind. Uebrigens weiß Jeder, der ſich an der
ſchönheitsvollen Mythologie des klaſſiſchen Alterthums erfreut
hat, wie gerade die angeblichen Söhne und Töchter der griechiſchen
und römiſchen „Götter“ ſich oft den höchſten Idealen des
reinen Menſchen-Typus am meiſten genähert haben; man denke
nur an die große legitime und die noch viel größere illegitime
Familie des Göttervaters Zeus u. ſ. w. (Vergl. Shakeſpeare.)
Was nun ſpeciell die Befruchtung der Jungfrau Maria
durch den Heiligen Geiſt betrifft, ſo werden wir durch das Zeug-
niß der Evangelien ſelbſt darüber aufgeklärt. Die beiden Evan-
geliſten, welche allein darüber Bericht erſtatten, Matthäus
und Lukas, erzählen übereinſtimmend, daß die jüdiſche Jung-
frau Maria mit dem Zimmermann Joſeph verlobt war, aber
ohne deſſen Mitwirkung ſchwanger wurde, und zwar durch den
„Heiligen Geiſt“. Matthäus ſagt ausdrücklich (Kap. 1, Vers 19):
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