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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Glaube und Aberglaube. XVI.
erstehung und Himmelfahrt Christi u. s. w. ist ebenso reine
Dichtung
und kann ebenso wenig mit der vernünftigen Natur-
Erkenntniß in Einklang gebracht werden als die verschiedenen
Dogmen der mohammedanischen und mosaischen, der buddhistischen
und brahmanischen Religion. Jede von diesen Religionen ist
für den wahrhaft "Gläubigen" eine zweifellose Wahrheit,
und jede von ihnen betrachtet jede andere Glaubenslehre als
Ketzerei und verderblichen Irrthum. Je mehr eine bestimmte
Konfession sich für die "allein selig machende" hält -- für die
"katholische" --, und je inniger diese Ueberzeugung als hei-
ligste Herzenssache vertheidigt wird, desto eifriger muß sie natur-
gemäß alle anderen Konfessionen bekämpfen, und desto fanatischer
gestalten sich die fürchterlichen Glaubenskriege, welche die traurigsten
Blätter im Buche der Kulturgeschichte bilden. Und doch über-
zeugt uns die unparteiische "Kritik der reifen Vernunft",
daß alle diese verschiedenen Glaubensformen in gleichem Maße
unwahr und unvernünftig sind, Produkte der dichtenden Phan-
tasie und der unkritischen Tradition. Die vernünftige Wissen-
schaft muß sie sammt und sonders gleichmäßig verwerfen als
Erzeugnisse des Aberglaubens.

Glaubens-Bekenntniß (Konfession). Der unermeßliche
Schaden, welchen der unvernünftige Aberglaube seit Jahrtausenden
in der gläubigen Menschheit angerichtet hat, offenbart sich wohl
nirgends auffälliger als in dem unaufhörlichen "Kampfe der
Glaubens-Bekenntnisse". Unter allen Kriegen, welche die Völker
mit Feuer und Schwert gegen einander geführt haben, sind die
Religionskriege die blutigsten gewesen; unter allen Formen der
Zwietracht, welche das Glück der Familien und der einzelnen
Personen zerstört haben, sind die religiösen, dem Glaubens-
Unterschiede entsprungenen noch heute die gehässigsten. Man
denke nur an die vielen Millionen Menschen, welche in den
Christen-Bekehrungen und -Verfolgungen, in den Glaubenskämpfen

Glaube und Aberglaube. XVI.
erſtehung und Himmelfahrt Chriſti u. ſ. w. iſt ebenſo reine
Dichtung
und kann ebenſo wenig mit der vernünftigen Natur-
Erkenntniß in Einklang gebracht werden als die verſchiedenen
Dogmen der mohammedaniſchen und moſaiſchen, der buddhiſtiſchen
und brahmaniſchen Religion. Jede von dieſen Religionen iſt
für den wahrhaft „Gläubigen“ eine zweifelloſe Wahrheit,
und jede von ihnen betrachtet jede andere Glaubenslehre als
Ketzerei und verderblichen Irrthum. Je mehr eine beſtimmte
Konfeſſion ſich für die „allein ſelig machende“ hält — für die
„katholiſche“ —, und je inniger dieſe Ueberzeugung als hei-
ligſte Herzensſache vertheidigt wird, deſto eifriger muß ſie natur-
gemäß alle anderen Konfeſſionen bekämpfen, und deſto fanatiſcher
geſtalten ſich die fürchterlichen Glaubenskriege, welche die traurigſten
Blätter im Buche der Kulturgeſchichte bilden. Und doch über-
zeugt uns die unparteiiſche „Kritik der reifen Vernunft“,
daß alle dieſe verſchiedenen Glaubensformen in gleichem Maße
unwahr und unvernünftig ſind, Produkte der dichtenden Phan-
taſie und der unkritiſchen Tradition. Die vernünftige Wiſſen-
ſchaft muß ſie ſammt und ſonders gleichmäßig verwerfen als
Erzeugniſſe des Aberglaubens.

Glaubens-Bekenntniß (Konfeſſion). Der unermeßliche
Schaden, welchen der unvernünftige Aberglaube ſeit Jahrtauſenden
in der gläubigen Menſchheit angerichtet hat, offenbart ſich wohl
nirgends auffälliger als in dem unaufhörlichen „Kampfe der
Glaubens-Bekenntniſſe“. Unter allen Kriegen, welche die Völker
mit Feuer und Schwert gegen einander geführt haben, ſind die
Religionskriege die blutigſten geweſen; unter allen Formen der
Zwietracht, welche das Glück der Familien und der einzelnen
Perſonen zerſtört haben, ſind die religiöſen, dem Glaubens-
Unterſchiede entſprungenen noch heute die gehäſſigſten. Man
denke nur an die vielen Millionen Menſchen, welche in den
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[350/0366] Glaube und Aberglaube. XVI. erſtehung und Himmelfahrt Chriſti u. ſ. w. iſt ebenſo reine Dichtung und kann ebenſo wenig mit der vernünftigen Natur- Erkenntniß in Einklang gebracht werden als die verſchiedenen Dogmen der mohammedaniſchen und moſaiſchen, der buddhiſtiſchen und brahmaniſchen Religion. Jede von dieſen Religionen iſt für den wahrhaft „Gläubigen“ eine zweifelloſe Wahrheit, und jede von ihnen betrachtet jede andere Glaubenslehre als Ketzerei und verderblichen Irrthum. Je mehr eine beſtimmte Konfeſſion ſich für die „allein ſelig machende“ hält — für die „katholiſche“ —, und je inniger dieſe Ueberzeugung als hei- ligſte Herzensſache vertheidigt wird, deſto eifriger muß ſie natur- gemäß alle anderen Konfeſſionen bekämpfen, und deſto fanatiſcher geſtalten ſich die fürchterlichen Glaubenskriege, welche die traurigſten Blätter im Buche der Kulturgeſchichte bilden. Und doch über- zeugt uns die unparteiiſche „Kritik der reifen Vernunft“, daß alle dieſe verſchiedenen Glaubensformen in gleichem Maße unwahr und unvernünftig ſind, Produkte der dichtenden Phan- taſie und der unkritiſchen Tradition. Die vernünftige Wiſſen- ſchaft muß ſie ſammt und ſonders gleichmäßig verwerfen als Erzeugniſſe des Aberglaubens. Glaubens-Bekenntniß (Konfeſſion). Der unermeßliche Schaden, welchen der unvernünftige Aberglaube ſeit Jahrtauſenden in der gläubigen Menſchheit angerichtet hat, offenbart ſich wohl nirgends auffälliger als in dem unaufhörlichen „Kampfe der Glaubens-Bekenntniſſe“. Unter allen Kriegen, welche die Völker mit Feuer und Schwert gegen einander geführt haben, ſind die Religionskriege die blutigſten geweſen; unter allen Formen der Zwietracht, welche das Glück der Familien und der einzelnen Perſonen zerſtört haben, ſind die religiöſen, dem Glaubens- Unterſchiede entſprungenen noch heute die gehäſſigſten. Man denke nur an die vielen Millionen Menſchen, welche in den Chriſten-Bekehrungen und -Verfolgungen, in den Glaubenskämpfen

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/366>, abgerufen am 23.11.2024.